Obwohl auch die Ombudsstelle aufgrund der Corona-Massnahmen ihre Arbeit grösstenteils ins Homeoffice verlegen musste, stand sie hilfesuchenden Versicherungskunden weiterhin zur Seite und vermittelte in gewohnter Zuverlässigkeit vom heimischen Büro aus. Zu Bearbeiten gab es reichlich: Der Versicherungsombudsman Martin Lorenzon und sein Team hatten sich im vergangenen Jahr mit insgesamt 3408 Anliegen und Beschwerden zu befassen. Dies entspricht einer Zunahme der Fallzahlen um 1,7 Prozent.

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Hauptschwerpunkt der Tätigkeit der Ombudsstelle lag eindeutig bei den Epidemieversicherungen. 2939 Fälle konnten ohne Intervention beim Versicherer bzw. direkt mit den Versicherten oder Anspruchstellern erledigt werden. Zu einer Intervention beim involvierten Versicherer führten 411 der 1383 schriftlich unterbreiteten Beschwerdefälle (Interventionsquote 29,7 Prozent). Die Erfolgsquote der Interventionen betrug 77,1 Prozent, was einem Rekord entspricht.

Pragmatische Lösungen statt Verrechtlichung

«Diese Zahlen widerspiegeln nur teilweise, für wie viele Versicherte sich der Ombudsman und sein Team im Coronajahr 2020 erfolgreich eingesetzt haben», betont Lorenzon. Angesichts der angespannten Situation im Frühling 2020 habe sich der Ombudsman pragmatisch dazu entschieden, mittels  Sammel-Interventionen gütliche Lösungen zu suchen. So hätten auch tausende weitere Versicherte, vorwiegend aus der Gastrobranche, von der Arbeit der Ombudsstelle profitieren können, ohne dass sie sich an den Ombudsman hätten wenden mussten.

Falls das Parlament dem Vorschlag des Bundesrats folgen und das Ombudswesen im Privatversicherungsbereich regulieren sollte, wären solch pragmatische Lösungsfindungen gemäss Medienmitteilung künftig nicht mehr möglich. Lorenzon: «Die Ombudsstelle hätte weniger Spielraum, um in Krisen gütliche Lösungen zu erreichen.» Bei einer Verrechtlichung des Verfahrens müsste sich immer jeder einzelne Versicherte an den Ombudsman wenden, wenn er dessen Vermittlungsdienste in Anspruch nehmen möchte. «Die damit verbundene Aufblähung der Bürokratie hätte bei Ereignissen mit vielen Betroffenen eine deutlich längere Verfahrensdauer als bisher zur Folge.»

Verdoppelung der Fälle in der Reiseversicherung

Die dynamische Entwicklung der COVID-19-Pandemie im In- und Ausland und die daraus resultierenden länderspezifischen Massnahmen, deren Änderungen und Aufhebungen führten insbesondere auch in der Branche Reiseversicherungen zu mehreren hundert Beschwerden gegen Versicherer mit ständig wechselnden neuen Deckungsfragen (siehe Fallbeispiel unten). Dies entspricht mehr als einer Verdoppelung der Beschwerden im Vorjahresvergleich (2020: 313 und 2019: 147).

Im Bereich der obligatorischen Unfallversicherung/UVG und der Militärversicherung hat die Anzahl der Anfragen hingegen um 20 Prozent abgenommen (von 869 auf 692). «Die Vermutung liegt nahe, dass dies ebenfalls eine Folge des am 16.03.2020 vom Bundesrat angeordneten Lockdowns ist», kommentiert Martin Lorenzon. Eine Abnahme bei den Fallzahlen gab es auch bei den meisten Branchen im Privatversicherungsbereich. «Auch dies dürfte einerseits auf die während der Gesundheitskrise geänderten Lebensumstände zurückzuführen sein (z.B. weniger Einbruch- und Diebstahlereignisse), aber andererseits auch auf eine Vereinnahmung der Aufmerksamkeit der Versicherten auf die Coronasituation und deren Folgen (z.B. Umstellung auf Homeoffice, geändertes Freizeitverhalten etc.).»

Fallbeispiel Reiseversicherung

In einem Reise-Annullationsfall konnte ein junges Ehepaar die bereits von Ausbruch der Pandemie gebuchte Hochzeitsreise in die USA im August 2020 nicht durchführen. Obschon die USA seit 23.07.2020 auf der Risikoländerliste der BAG aufgeführt war, lehnte der Reiseversicherer die Übernahme der offenen Annullationskosten mit der Begründung ab, dass weder das BAG noch das EDA eine explizite Reisewarnung für die USA ausgesprochen hatten. Der Ombudsman vertrat hingegen den Standpunkt, dass die Risikoländerliste gleichwertig mit einer direkten Reisewarnung sei und sogar doppelten länderbezogenen Warncharakter habe. Einerseits soll die Bevölkerung wissen, in welchen Ländern ein weitaus höheres Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus besteht als in der Schweiz. Andererseits wird auch unmissverständlich aufgezeigt, welches die Konsequenz bei der Rückkehr in die Schweiz ist, wenn man in eines dieser Risikoländer reist. Der Versicherer hielt jedoch an seiner formalen Position fest. Der Ombudsman betrachtete dies insofern als problematisch, als die COVID-19-Pandemie bisher nie zu einer expliziten länderbezogenen Reisewarnung durch das EDA oder das BAG geführt hat, sondern stattdessen die Liste mit den Risikoländern geschaffen wurde.