Die Medizin der Zukunft basiert nicht mehr nur auf dem Können von Ärztinnen, Therapeuten und Pflegepersonal, sondern immer mehr auch auf Daten. Das wirft sowohl ethische Fragestellungen wie auch ganz praktische Fragen aus dem Arbeitsalltag auf. Was heisst das für das Gesundheitssystem? Welche Chancen und Risiken entstehen hinsichtlich der Solidarität? Wer trägt in einem digitalisierten Gesundheitssystem die Verantwortung? All diesen Fragen ist die Stiftung Sanitas in ihrer Studie «Gesundheit digital – Solidarität und das Gesundheitswesen der Zukunft» nachgegangen. Dazu hat sie zusammen mit dem Beratungsunternehmen Sensor Advice schweizweit den Dialog mit Gesundheitsfachleuten und Menschen aus der Bevölkerung gesucht.

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Gesundheit digital – ein Dialogprojekt

Die Stiftung Sanitas Krankenversicherung möchte ein möglichst breites Bild und vielfältige Perspektiven auf die Fragestellungen rund um die Digitalisierung des Gesundheitssystems und die Solidarität zeichnen und in den Diskurs einbringen.

Die Dialogreihe  Gesundheit digital  bezieht Gesundheitsfachleute und Bürgerinnen und Bürger in die Gruppendiskussionen ein. In diesem Sinne konstituiert das Sample eine Mini-Willensnation Schweiz.

Die Datengrundlage für die Analyse sind die anonymisierten Protokolle der Diskussionen. Die Analyse folgt einem qualitativen, inhaltsanalytischen Ansatz. 

Solidarität ist nicht gleich Solidarität

Dabei zeigte sich: Solidarität ist allen Befragten sehr wichtig und die Rolle von Daten und Digitalisierung im Gesundheitswesen löst lebendige Debatten aus. Gesundheitsfachleute und Bürgerinnen und Bürger assoziieren Solidarität im Gesundheitssystem mit dem gemeinschaftlichen Tragen von finanziellen und sozialen Risiken, dem Füreinandereinstehen sowie einem diskriminierungsfreien Zugang zu medizinischen Leistungen.

Ein Zusammenhang zwischen dem Messen und Teilen von Daten und dem Thema Solidarität wird allerdings noch kaum gesehen. «Dass das Messen und Teilen von Daten für Public Health, Forschung oder innerhalb von Patientengruppen ebenfalls eine Solidaritätskomponente aufweisen kann, ist eine noch weitgehend unbekannte Vorstellung», betont Isabelle Vautravers, Leiterin der Stiftung Sanitas. Dieses Resultat aus den Dialogen wird durch eine quantitative Online-Befragung von Sotomo gestützt. Auch in dieser wird unter Solidarität vor allem die finanzielle Solidarität und in etwas geringerem Masse die Verhaltenssolidarität verstanden.

Staat soll den rechtlichen Rahmen setzen

Überraschend einig sind sich sowohl die Fachleute aus dem Gesundheitswesen als auch die Bürgerinnen und Bürger, wenn es um die Verantwortung für die Digitalisierung geht: Der Staat soll den rechtlichen Rahmen setzen – die Verantwortung für die Dateninfrastruktur und die Datensicherheit dagegen traut man ihm weniger zu.

Das Monitoring, vor allem zu Präventionszwecken, muss auf freiwilliger Basis erfolgen.

Isabelle Vautravers, Leiterin Stiftung Sanitas

Die Befragten befürworten ein nationales Gesundheitsdatensystem, über das der Staat die Volksgesundheit im Blick hat «Dieses Monitoring, vor allem zu Präventionszwecken, muss jedoch auf freiwilliger Basis erfolgen», stellt Isabelle Vautravers fest. Dies weil die Digitalisierung normative Daten generiere, die den Massstab vorgeben, was richtiges und falsches Gesundheitsverhalten ist. «Dadurch schaffen sie eine Norm; mit Blick auf diese fordern die Studienteilnehmenden eine hohe Datensicherheit und Transparenz über die Verwendung der Daten.»

Selbstbestimmung bei den Daten

Wichtig ist es auch einem Grossteil der Befragten, selbst zu entscheiden, wenn es um den Besitz und die Weitergabe von Daten geht. Das bedingt allerdings, dass die Menschen in einem datafizierten Gesundheitssystem zu mehr Datenkompetenz befähigt werden müssen. «Hier sind alle Akteure gefordert, um einen akzeptierten gesellschaftlichen Rahmen auszuhandeln, in dem sich auch neue Formen von Solidarität entfalten können.»

Von den Akteuren wird primär erwartet, dass sie dank den Gesundheitsdaten bessere Therapien entwickeln und ihre Angebote und Leistungen optimieren. Gleichzeitig sind die Menschen offenbar skeptisch, wenn Gesundheitsdaten gehandelt oder kommerziell genutzt werden sollen. «Wird das Teilen jedoch mit Kostenreduktionen, Therapiefolgen oder der Entwicklung von besseren Therapien und Leistungen in Zusammenhang gebracht, steigt die Akzeptanz – auch für die Nutzung durch private Akteure.»

Digitaler Wandel ist spürbar

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran und vor allem die Gesundheitsfachleute spüren die damit verbundenen Veränderungen im Arbeitskontext. Können Kinderkrankheiten wie Schnittstellenprobleme und fehlende gemeinsame Datenstandards behoben werden, sehen die Befragten allerdings Vorteile wie Effizienzgewinne durchaus.