Eine Pandemie gehört gemäss der Risikokarte des Bundesamts für Bevölkerungsschutz nebst dem längeren Ausfall der Stromversorgung sowie einem starken Erdbeben zu den grössten Risiken in der Schweiz. Nun ist das Risiko einer Pandemie durch Covid-19 eingetreten, mit tiefgreifenden Folgen für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Dabei wurde auch der Ruf nach angemessener Versicherung laut. Bei der Absicherung von Pandemien stossen Versicherer aber an Grenzen. 

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Die Versicherungsindustrie schätzt das Risiko von Pandemien als steigend ein. Hintergrund dafür sind Bevölkerungswachstum, globale Mobilität, ökologische Veränderungen sowie stärkere Interaktionen zwischen Mensch und Tier. Epidemien und normale Influenzaaktivitäten, die neben der saisonalen Grippeaktivität auch die Entwicklung neuer Virentypen mit Pandemiepotenzial umfassen, bleiben zeitlich und räumlich begrenzt. Im Gegensatz dazu definiert sich eine Pandemie dadurch, dass sie sich über Kontinente hinweg global ausbreitet und dass grosse Teile der Bevölkerung exponiert sind. Dies führt bei Versicherern dazu, dass gleichzeitig Verpflichtungen aus verschiedenen Versicherungszweigen entstehen, wie Lebens-, Eventausfall-, Betriebsunterbrechungs-, Reise- oder Kreditversicherung, sowie Turbulenzen an den Finanzmärkten auch die Vermögenswerte auf der Aktivseite belasten. Diese Akkumulation sprengt die Grenzen der Versicherbarkeit. Denn die Unabhängigkeit der zu versichernden Risiken ist eine entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren des Grundprinzips von Versicherung, dem Ausgleich im Kollektiv. Auch eine Epidemie oder starke Unwetter erfordern viele und zum Teil hohe Auszahlungen, können aber geografisch und zeitlich diversifiziert werden. Nicht so eine Pandemie. Weil Pandemien zwar selten, aber über einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen, müssen Versicherer eine entsprechende Kapitalausstattung gewährleisten. Eine Pandemie übersteigt dabei sowohl die Kapazität des einzelnen Versicherungsunternehmens wie auch der Branche insgesamt.

Jede Pandemie ist anders

Eine weitere, zentrale Voraussetzung für die Versicherbarkeit eines Risikos ist, dass man das zu versichernde Risiko ökonomisch bewerten kann. Diesbezüglich herrscht aber noch grosse Ungewissheit. Jede Pandemie ist anders in Bezug auf Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit, Verbreitungsgeschwindigkeit, betroffene Personenkreise, Dauer, Verfügbarkeit von Massnahmen wie Tests sowie Heilmethoden und -mitteln. Bei der Corona-Pandemie kommt hinzu, dass noch keine Grundimmunität in der Bevölkerung besteht. Des Weiteren können Versicherer für die Tarifierung des Risikos nicht auf ausreichende Erfahrungswerte zurückgreifen, wie sie es für die Einschätzung von Feuer- oder Sterberisiken machen. Es werden Modelle eingesetzt, die die wesentlichen Eigenschaften einer Pandemie mit unterschiedlichen Szenarien simulieren. Dazu gibt es in der Praxis eine Reihe von mathematischen Epidemie-Modellen, die den möglichen Verlauf einer Infektionskrankheit beschreiben.

Versicherer müssten sehr hohe Prämien für die Absicherung von Pandemierisiken verlangen sowie die Deckung stark begrenzen, um ihr Versprechen mit sehr hoher Sicherheit auch leisten zu können. Somit kommt es kaum zu einem attraktiven Marktangebot. Zudem ist die Nachfrage nach Pandemieversicherungen meist nur nach medienwirksamen Ereignissen vorhanden und wird von exponierten Unternehmen stärker nachgefragt. Um die Grenzen der Versicherbarkeit und die Absicherung für derartige Extremereignisse zu erweitern, braucht es deshalb andere Risikofinanzierungsinstrumente. 

Elementarschadenpool

Ein alternativer Risikotransfer über den Kapitalmarkt kommt weniger infrage, da das Pandemierisiko mit hoher Wahrscheinlichkeit gekoppelt mit dem Kapitalmarktrisiko auftritt. Oftmals wird die Versicherung von Katastrophenrisiken über staatlich unterstützte Lösungen sichergestellt. In der Schweiz gibt es beispielsweise einen sogenannten Pool für die Versicherung von Nuklearrisiken, in dem sich private und öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Rückversicherungseinrichtungen mit Sitz in der Schweiz zusammengetan haben. Für den Ernstfall besteht eine Deckung von rund 1,1 Milliarden Franken. Für Elementargefahren besteht in der Schweiz ein Elementarschadenpool, der die Auswirkungen bestimmter Naturereignisse tragbarer macht. Die Versicherungsindustrie ist nun gefragt, gemeinsam mit dem Bund an Lösungen zu arbeiten, um auch bei Pandemien ihre zentrale Funktion für die Schweizer Volkswirtschaft wahrnehmen zu können.

Einmal mehr hat sich zudem gezeigt, dass dabei der Kulanzgedanke als ein weiteres Element der Erwartungshaltung an die Versicherungsbranche nicht ausser Acht gelassen werden darf.

Die Autorinnen Michaela Bruer und Angela Zeier Röschmann sind am Institut für Risk & Insurance der ZHAW School of Management and Law tätig.