Herr Schmid, warum hat die CSS vor 15 Jahren ein Institut für empirische Gesundheitsökonomie gegründet?

Die CSS erkannte, dass sich das Gesundheitswesen mit datengestützten Analysen verbessern lässt. Auslöser hierfür war die Diskussion um den Risikoausgleich. Die Forschungsarbeiten eines damaligen Mitarbeiters der CSS hatten aufgezeigt, dass der Risikoausgleich nicht genügend gut funktioniert und sich deshalb die «Jagd auf gute Risiken» für die Krankenversicherer lohnt. Diese Erkenntnisse haben wir in den politischen Prozess eingebracht und dies führte zu mehreren Verbesserungen des Risikoausgleichs. Damit wird die vom Gesetzgeber gewollte Solidarität zwischen Jung und Alt sowie zwischen Gesund und Krank nun tatsächlich erreicht.

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Heute sieht es die CSS als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, gesundheitsökonomische Forschung zu unterstützen. Wir ermöglichen dadurch eine positive, evidenzbasierte Weiterentwicklung des Gesundheitswesens.

Was hat sich im Laufe der 15 Jahre verändert?

Der Fokus unserer Forschung hat sich gewandelt. Vor 20 Jahren hat man sich häufig mit Systemfragen beschäftigt.

Was verstehen Sie unter Systemfragen?

Beispielsweise hat man untersucht, ob ein wettbewerblich organisiertes Gesundheitswesen effizienter ist als ein staatlich gelenktes. Allerdings lassen sich solche Systemfragen empirisch nicht wirklich beantworten. Heute ist es wichtig, dass empirische Ergebnisse eine kausale Interpretation haben. Die Frage, ob eine Massnahme der Politik tatsächlich die gewünschte Wirkung hat, ist also viel wichtiger geworden.

Gab es in den vergangenen Jahren weitere Veränderungen?

Die Rechenleistung hat in den vergangenen 15 Jahren massiv zugenommen, das beeinflusst auch unsere Methoden. Da denke ich beispielsweise an Machine Learning. Dadurch können wir Forschungsfragen auch dann beantworten, wenn die Datenlage eher schlecht ist. Im CSS Institut hat das dazu geführt, dass wir zu mehr Themen forschen können als früher. Neben Risikoausgleich, Managed Care und Kostenbeteiligung publizieren wir neu auch Studien zur Prämienverbilligung, zum pharmazeutischen Markt oder zu den Verwaltungskosten.

Und was ist gleich geblieben?

Die empirische Forschungsarbeit ist nahezu unverändert. Die Datenaufbereitung stellt weiterhin den Hauptteil unserer Arbeit dar und Ergebnisse lassen sich – trotz Digitalisierung – immer noch nicht auf Knopfdruck erzeugen. Die Erwartung an die empirische Forschung ist ebenfalls gleich geblieben: Mit genügend Daten lasse sich jede Frage beantworten. Dies ist ein Trugschluss. Insbesondere dann, wenn man an kausalen Zusammenhängen interessiert ist.

Welche Rolle spielt das Institut in der aktuellen Kostendiskussion?

Die Kostendiskussion ist ja nicht neu. 1994 schuf der Bund das Krankenversicherungsgesetz unter anderem mit der Hoffnung, das Kostenwachstum zu bremsen. Viele seither eingeführten Massnahmen verfolgten ebenfalls dieses Ziel. Mit unserer Forschungstätigkeit wollen wir einen Beitrag leisten, um die effektive Wirkung einer Massnahme zu überprüfen.

Können Sie hierzu Beispiele geben?

Beispielsweise untersuchen wir, inwieweit Managed Care, Kostenbeteiligungen oder Regulierungen des pharmazeutischen Marktes die Kosten dämpfen. Unsere Erkenntnisse sollen Politikerinnen und Politikern eine wissenschaftliche Grundlage bieten, damit sie fundierte Entscheide für das Gesundheitswesen treffen können.

Hierzu möchte ich folgendes Beispiel nennen: Während andere Länder einkommensabhängige Prämien kennen, haben wir in der Schweiz Kopfprämien. In unserem System wird die Einkommenssolidarität mittels Prämienverbilligungen hergestellt. Welches Prämiensystem gewählt wird, ist eine politische Frage. Wir können aber analysieren, ob der Auszahlungsmodus der Prämienverbilligung einen Effekt auf die Zahlungsmoral der Versicherten hat. Es zeigt sich, dass die Zahlungsmoral besser ist, wenn die Kantone das Geld an die Versicherungen ausbezahlen statt direkt an die Versicherten. Wir können also aufzeigen, wie das politisch gewählte System effizienter wird.

Wo steht das CSS Institut in 15 Jahren? 

Die Digitalisierung im Gesundheitsweisen wird einen grossen Einfluss auf unsere Arbeit haben. In der Schweiz stehen wir früher oder später vor der Entscheidung, ob wir die Daten im Gesundheitswesen stärker nutzen wollen, um es effizienter und qualitativ hochstehender zu machen. Falls wir uns dagegen entscheiden, wird das CSS Institut im gleichen Rahmen gesundheitsökonomische Fragen beantworten. Es würde seinen bestehenden guten Ruf weiter verbessern, aber in Bezug auf die Grösse und Themen fortbestehen.

Was würde geschehen, wenn sich die Schweiz für eine weitergehende Nutzung der Gesundheitsdaten entscheiden würde?

Bei einem positiven Entscheid, würden sich für uns völlig neue Chancen und Themenfelder eröffnen. Dies könnte einerseits für wissenschaftliche Konkurrenz sorgen, andererseits für das CSS Institut Wachstum bedeuten. Eine weitergehende Datennutzung wäre natürlich das von mir präferierte Szenario. Auf die Entscheidungsfindung habe ich aber keinen Einfluss. Und welchen Weg wir einschlagen, wird die Politik entscheiden.