Wie nachhaltig sind nachhaltige Anlagen?

Das Thema der Nachhaltigkeit ist nun sehr rasch auf die Banken zugekommen und viele wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Die Marketingabteilungen waren schneller als die Anlagespezialisten, was für die Produktequalität und die Glaubwürdigkeit nicht gut ist. Aktuell wird von den Anbietern viel kommuniziert, das aber inhaltlich in der «Küche» vieler Banken noch nicht so rasch realisiert werden kann. 

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Warum? Nachhaltigkeit ist doch eigentlich kein neues Thema. 

Das stimmt zwar, aber wir beschäftigen uns in der Finanzwirtschaft erst seit relativ kurzer Zeit ernsthaft mit Nachhaltigkeit. Gerade die Banken haben diese Entwicklung verschlafen. Versicherungen sind sehr viel weiter. Swiss Re zum Beispiel erstellt seit mehr als 20 Jahren Szenarien zu Klimafragen, hat Klimaspezialisten und -modelle und zieht daraus Erkenntnisse. Dort gibt es Analysten, verlässliche Methoden und Daten. Bei vielen Banken ist das Thema aber relativ neu.

Das heisst, die Treiber für mehr nachhaltige Anlagen kommen von jenseits der Finanzwelt?

Die Nachfrage aufseiten der Investoren nimmt seit zwei, drei Jahren sehr stark zu. Die institutionellen Investoren waren die Early Movers. Vorreiter in Europa waren Länder wie Frankreich und die Niederlande, die als Erste Nachhaltigkeit in den institutionellen Anlagekriterien festgeschrieben haben. Um kompetitiv zu sein, mussten die Anbieter in diesen Ländern nachziehen und Kompetenz aufbauen. Nun schwappt das Thema über auf den Privatkundenbereich. Vor allem Frauen, jüngere Kunden und Stiftungen fragen gezielt nachhaltige Anlageprodukte nach. Also müssen die Banken reagieren. Die nachhaltigkeitsaffinen Anleger machen inzwischen 30 bis 40 Prozent des Marktes aus. Das ist keine Nische mehr. 

Die institutionellen Investoren waren die Early Movers.

Finden Anleger ausreichend nachhaltige Anlagen, die hohen Ansprüchen genügen?

Da gibt es noch grosse Lücken. Die Banken wurden von der Geschwindigkeit der Nachfrage überrascht. Viele müssen erst ihre Angebote umstellen, Kompetenzen aufbauen und Erfahrungen sammeln. Es gibt derzeit viele Produkte, die noch nicht so grün sind, wie sie kommuniziert werden.

Wie gross schätzen Sie das Problem der Schönfärberei ein bei Anbietern?

Greenwashing ist ein relevantes Thema. Nachhaltigkeit ist kein Standardbegriff und wird sehr breit definiert. Zu beobachten ist, dass manche Anbieter aus einem Fonds zum Beispiel zwei kritische Titel entfernen und das Portfolio dann als nachhaltig deklarieren. Doch ist das nicht das, was der Kunde sich wünscht. Das Potenzial, um Enttäuschungen zu generieren, ist leider vorhanden. Solche Entwicklungen haben nun ja auch die Regulatoren in den USA, Europa und der Schweiz auf den Plan gebracht.

Und wie ist die Reaktion darauf?

Momentan ist die Transparenz noch nicht sehr gross und es ist für Anleger sehr schwierig, den Überblick zu behalten. Aber das wird sich ändern. Es werden neue Analyseplattformen auf den Markt kommen, welche die Portfolios der Anbieter überprüfen können.

Auch die Globalance Bank hat ja einen solchen Portfolio-Check für Nachhaltigkeit entwickelt. Welche Erfahrungen machen Sie damit? 

Das Interesse der Investoren ist sehr gut und für uns als Vermögensverwalter baut sich durch diese Transparenz ein gewisser Druck auf, kontinuierlich an der Verbesserung der Portfolios zu arbeiten und in Anlagen zu investieren, die zum Beispiel die Klimaziele erfüllen. Das ist gar nicht so einfach. Denn eine Bank, die Geld anlegt, ist immer auch abhängig vom Anlageuniversum und den Unternehmen, in die sie investieren kann. Aktuell sind – global betrachtet – nur rund 20 Prozent der Unternehmen so aufgestellt, dass sie zum Beispiel die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllen. Das Anlageuniversum ist also noch nicht sehr gross.

Was sollten speziell institutionelle Investoren wie Pensionskassen beachten bei einer nachhaltigen Geldanlage?

Unsere Pensionskassen müssen ja dafür sorgen, dass wir im Alter gut leben können. Mit ihren Anlagen können sie das mitbeeinflussen. Gesamtheitlich betrachtet geht es dabei aber nicht nur um die Ausbezahlung eines bestimmten Geldbetrags, sondern mit den Anlagen ebenfalls mit dafür Sorge zu tragen, dass wir auch künftig in einer gesunden, lebenswerten Welt leben. Der Begriff der finanziellen Rendite erweitert sich dadurch um die Dimension der Lebensqualität. Wenn die Rendite und die Sicherung der Lebensqualität aber unterschiedliche Ziele verfolgen, wird uns das im Alter wieder einholen. Solche Konzepte sind aber noch nicht genügend diskutiert. Wir sind noch weit weg von Lösungen, wie wir unsere Vorsorge zukunftsfähig organisieren können.

Was könnten neue Lösungsansätze sein?

Zunächst gilt es, eine erweiterte Perspektive einzunehmen. Wohlstand ist nicht nur mehr Geld und Rendite auf investiertes Kapital, sondern auch unsere Gesundheit, saubere Umwelt, Ressourcenverfügbarkeit oder ausreichende Biodiversität. Wenn wir realisieren, dass wir alteingesessenen Konzepten unseren Wohlstand gefährden, dann müssen wir neue Modelle entwickeln. 

Im Moment ist das Klimathema sehr dominant.

Das heisst, Perspektiven verändern wäre ein erster Schritt zu mehr Nachhaltigkeit?

Ja, wenn man zum Beispiel eine langfristige Dimension einnimmt, ändern sich auch die Anlageperspektiven. Ein gutes Beispiel ist hier der norwegische Staatsfonds. Dieser ist auch mit Blick auf die finanzielle Rendite sehr erfolgreich. Doch setzt die Anlagestrategie nicht nur auf kurzfristige ökonomische Ziele, sondern hat auch die nächste Generation und das Gemeinwohl im Blick. Es ist wichtig, dass wir beginnen, solche Konzepte zu diskutieren und zu testen.

Welche Kriterien zählen für eine «echte» Nachhaltigkeit?

Im Moment ist das Klimathema sehr dominant. Es gibt in diesem Bereich denn auch klare Zielsetzungen und genügend gute Daten, um als Finanzmarktteilnehmer entsprechende Portfolios zu bauen. Andere wichtige Themen wie zum Beispiel Ressourcenverbrauch, Biodiversität oder Kreislaufwirtschaft kommen noch zu kurz. 

Woran liegt das?

Beim Klima gibt es ein globales Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Daran können sich Unternehmen messen. In anderen Bereichen gibt es solche Ziele noch nicht oder es sind – wie bei der Biodiversität – regional grosse Unterschiede feststellbar. Also geht es zunächst darum, Standards zu entwickeln, Nachhaltigkeitsziele zu setzen und dann daraus eine Messbarkeit abzuleiten.

Wo stehen wir in fünf Jahren?

Aktuell ist die Dynamik im Markt sehr hoch und ich bin sicher, in den nächsten fünf Jahren wird mehr geschehen, als in den letzten 20 Jahren. Es wird neue Angebote und neue Anbieter geben. Mit Startups und Fintechs kommt zusätzliche Dynamik in den Markt. Die grossen Anbieter müssen sich bewegen, weil neue Firmen attraktive Angebote auf den Markt bringen und weil Anleger nachhaltigere Angebote wollen. Spannende Anlagethemen gibt es genug – zum Beispiel in digitale Dimensionen von nachhaltigen Themen, etwa im Bereich «Smart Farming» oder effiziente Logistik sowie in den Bereichen Dekarbonisierung, Ressourceneffizienz oder Kreislaufwirtschaft.