Isabel Schnabel, Direktionsmitglied der Europäischen Zentralbank EZB sagte schon vor einiger Zeit: «Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln. Aus heutiger Sicht halte ich eine Zinserhöhung im Juli für möglich.» Anfang vergangener Woche wurde EZB-Präsidentin Christine Lagarde dann ungewohnt deutlich: Sie erwarte «sehr früh im dritten Quartal» ein Ende der Netto-Wertpapierkäufe. «Dies würde uns eine Anhebung der Zinssätze auf unserer Sitzung im Juli ermöglichen, im Einklang mit unseren Prognosen.» Die Juli-Sitzung des EZB-Rates ist für den 21. Juli angesetzt.

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Weichen für Zinserhöhung werden gestellt

Die Weichen in Richtung steigende Zinsen dürfte der EZB-Rat bereits bei seiner auswärtigen Sitzung von heute in Amsterdam stellen. Ökonomen erwarten, dass die EZB zunächst den Einlagensatz anhebt, zu dem Banken Geld bei ihr parken können. Derzeit liegt dieser Satz bei minus 0,5 Prozent. Der Leitzins im Euroraum, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent verharrt, könnte später angehoben werden. Sparerinnen und Sparer sehnen sich nach steigenden Zinsen, doch ein solcher Schritt hat auch Schattenseiten.

Keine Entspannung an der Preisfront

Die hohe Inflation belastet die Menschen in Deutschland und im Euroraum insgesamt. Sie können sich für einen Euro zunehmend weniger leisten. Auf eine schnelle Entspannung bei den Preisen können Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings auch im Falle einer Zinserhöhung zunächst nicht hoffen. Gegen steigende Energiepreise, die die Inflation vor allem anheizen, sind Europas Währungshüter weitgehend machtlos.

Die Notenbank kann aber dazu beitragen, dass sich die Teuerungsrate nicht dauerhaft auf hohem Niveau festsetzt. Wenn sich die Inflationserwartungen auf einem bestimmten Niveau verfestigten, «dann frisst sich das in andere Preise ein», warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel. Sorgen bereiten den Notenbankern mögliche Zweitrundeneffekte wie eine Lohn-Preis-Spirale. Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene Löhne als Rechtfertigung von weiteren Preiserhöhungen heranziehen. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch.

Ende der Negativzinsen zeichnet sich ab

Ein Ende der Negativzinsen auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto zeichnet sich ab, wenn die Notenbank zunächst den negativen Einlagensatz anhebt. Derzeit müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Viele Institute geben diese Belastung an Privatkunden ab bestimmten Summen auf dem Konto als sogenanntes Verwahrentgelt weiter. «Ausgehend von den derzeitigen Aussichten werden wir wahrscheinlich in der Lage sein, die negativen Zinssätze bis zum Ende des dritten Quartals zu beenden», kündigte Lagarde nun an. Einige Banken haben bereits ein Ende ihrer Verwahrentgelte in Aussicht gestellt, sobald dieser Strafzins auf Bankeinlagen wegfällt. Bis Sparer wieder nennenswerte Zinsen auf ihr Erspartes bekommen, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern.

Kredite werden teurer

Für die Kreditnehmer wird es absehbar teurer. Zinserhöhungen erhöhen die Kosten für Kredite und bremsen so die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflation im Griff zu behalten. Nach Erfahrung von Verbraucherschützern geben Banken und Sparkassen steigende Zinsen an Kreditnehmer vergleichsweise zügig weiter. Die Bauzinsen, die nicht direkt von EZB-Zinsentscheidungen abhängig sind, sondern sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, sind bereits gestiegen. Höhere Zinsen treffen vor allem diejenigen, die ein neues Darlehen brauchen oder eine Anschlussfinanzierung für einen Immobilienkredit. Bei laufenden Hypothekenkrediten ändert sich nichts an der Zinshöhe.

Für den Staat wird es teurer, Geld aufzunehmen. Die Renditen von Bundesanleihen sind in Erwartung einer strafferen Geldpolitik und eines Endes der milliardenschweren EZB-Anleihenkäufe bereits gestiegen. Grosse Sorgen muss sich der deutsche Fiskus nach Einschätzung von Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) derzeit allerdings nicht machen, «weil der reale Wert der Staatsverschuldung mit einer Inflation weit über dem Zinssatz mit grosser Geschwindigkeit weginflationiert wird».

Aktien verlieren an Attraktivität

Jahrelang profitierten die Börsen von den Niedrigzinsen und der Geldschwemme grosser Notenbanken. In der Zinsflaute herrschte Anlagenotstand, Investoren mussten das viele billige Geld schliesslich irgendwo anlegen. Sie setzten daher verstärkt auf Aktien, die auch dank Dividenden attraktiver waren als manche andere Geldanlage. Das trieb die Aktienkurse nach oben. Bei einem Ende der ultralockeren Geldpolitik könnten andere Anlagen wieder an Attraktivität gewinnen. (awp/hzi/sec)