Geldwäsche, Betrug oder Unklarheiten über die Herkunft von Geldern sind keine Privilegien von Banken: Kriminelle nutzen auch zahlreiche Versicherungsprodukte, um die Herkunft von Geldern zu verschleiern, so ein neuer Forschungsbericht des Beratungsunternehmens Deloitte. Besonders bei hochwertigen Produkten wie Lebensversicherungen kann es Risiken geben. Gemäss Deloitte sind das beispielsweise Einmalprämienversicherungen, bei denen Geldwäscher eine grosse Summe Geld in einer einzigen Transaktion einzahlen, um illegal erworbene Gelder zu schützen. Oder die Kunden kündigen ihre Versicherung innerhalb einer Widerrufsfrist von 14 bis 30 Tagen, wodurch Geldwäscher eine Rückzahlung erhalten, bevor sie die Gelder anderweitig transferieren. Oder bei Rentenversicherungen: Geldwäscher können ihre Gelder zur Bezahlung von Premium-Tarifen verwenden und monatliche feste Zahlungen erhalten.
Schlupflöcher existieren weiter
«Lebensversicherungen mit Einmalprämien, rückkaufsfähige Policen und anlagegebundene Versicherungsprodukte gelten in der Schweizer Versicherungsbranche als die eher problematischen Produkte im Zusammenhang mit Finanzkriminalität», erklärt Michael Faske, Partner Forensic bei Deloitte Schweiz. «Gerade dort kann sich zeigen, wie sich Geldwäscherei, Betrug, oder vereinzelt Sanktionsumgehungen materialisieren: Diese Produkte ermöglichten es Kriminellen hohe Kapitalbewegungen zu tätigen, böten gewisse Flexibilität bei Rückkauf oder Begünstigtenwechsel, und würden daher mitunter zur Verschleierung der Herkunft von Vermögenswerten verwendet.» Cross-Border-Geschäfte und der Einsatz von Vermittlern im Ausland erhöhten die Gefahr zusätzlich, da Kontrollmechanismen in anderen Jurisdiktionen oftmals schwächer seien und KYC-Standards oftmals fehlen. «Damit stehen Versicherungen zunehmend unter Druck, Transparenz über Herkunft und Nutzung von Geldern sicherzustellen», so Faske weiter.
Versicherungen haben laut Faske im Bereich Anti-Financial Crime in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. «KYC (Know Your Customer), laufende Transaktionsüberwachung und interne Schulungen gehören inzwischen grundsätzlich zum Standard», so der Experte. «Viele Versicherer nutzen zudem technische Screening-Systeme, um verdächtige Zahlungen, Begünstigte oder Sanktionsverstösse frühzeitig zu erkennen.» Es wird ein risikobasierter Ansatz verfolgt, bei dem besonders risikoreiche Kunden, geographische Regionen und Vertriebskanäle stärker überwacht werden.
«Zwischen Regulierung und Realität klafft jedoch oftmals eine Lücke» konstatiert Faske: «Interne Kontrollen konzentrieren sich oft auf klassische Geldflüsse, während komplexe Produkte oder grenzüberschreitende Strukturen schwerer zu erfassen sind.» So bleibt insbesondere bei Einmalprämien- oder rückkaufsfähigen Lebensversicherungen das Risiko hoch, dass der wirtschaftliche Berechtigte verschleiert bleibt. Alte Strukturen und starre Prozesse würden die Umsetzung neuer regulatorischer Vorgaben erschweren, während veraltete IT-Systeme den Wandel zusätzlich bremsen. «Als Schlupflöcher gelten vor allem indirekte Vertriebskanäle über Broker, wenig transparente Begünstigtenregelungen und unzureichend abgestimmte Systeme zwischen Ländern oder Mutter- und Tochtergesellschaften», so Faske. «Auf diese Art verlieren Versicherer leichter den Überblick, insbesondere wenn Policen im Ausland verkauft und dort ausgezahlt werden.»
Alte IT wird zum Problem
Ein grosses Problem sind veraltete Systeme. «Während die Aufsicht zunehmend strengere Kontrollen fordert, offenbaren sich in der Praxis oftmals Lücken: Veraltete IT-Systeme, fragmentierte Prozesse und unzureichende Integration von Anti-Financial-Crime-Massnahmen in den gesamten Kundenlebenszyklus verhindern eine effektive Umsetzung», stellt Faske fest. «Hinzu kommt, dass viele Versicherer mit unvollständigen und fehleranfälligen Kundendaten kämpfen, was die Erkennung von Risiken erschwert, und die Wirksamkeit der Kontrollen mindert.»
Einige schweizerische Versicherungen haben ihre IT soweit modernisiert, dass sie KI-basierte Betrugsanalysen in Echtzeit vornehmen können. Gemäss Kunden-Storys hat beispielsweise Zurich in Grossbritannien die Betrugsquote durch neue Technologien deutlich senken können. Unter anderem liessen sich betrügerische Ansprüche im Wert von 260'000 Pfund täglich aufdecken. Oder Axa Schweiz: Dort nutzt man eine Echtzeit-KI-Lösung, die es ermöglicht, verdächtige Schadensfälle bereits beim ersten Schadenereignis zu identifizieren und so Betrugsversuche frühzeitig zu stoppen.
Moderne Lösungen, insbesondere Cloud-Technologien und Künstliche Intelligenz, würden den Versicherungen neue Möglichkeiten eröffnen, Risiken viel schneller zu identifizieren und Prozesse effizienter zu gestalten. «Doch diese gewonnene Transparenz hat auch eine Kehrseite», so Faske. «Je stärker Versicherungsunternehmen auf Cloud-Infrastrukturen und automatisiserte Systeme setzen, desto grösser wird die Abhängigkeit von Drittanbietern, was wiederum Fragen der Datensicherheit und Compliance aufwirft.» Die Einführung klarer Governance-Strukturen und Kontrollmechanismen sei deshalb sehr wichtig.
Nicht notwendigerweise «Quick Fixes»
Die jüngsten Entwicklungen bei der Künstlichen Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten. »Erfolgsversprechend ist ein risikobasierter Ansatz», so Faske. «Versicherer sollten sich zunächst auf konkrete Anwendungsfälle konzentrieren, bei denen der Nutzen hoch und die Umsetzung beherrschbar ist, so etwa bei der automatisierten Risikoanalyse, Datenanreicherung, oder Alarmpriorisierung.» Solche Anwendungsfälle können als «Quick Wins» gelten, jedoch nicht notwendigerweise als «Quick Fixes», denn sie bringen Effizienzgewinne und entlasten manuelle Prozesse, ersetzen jedoch keine umfassende strukturelle Reform. «Langfristig kann GenAI die Effektivität in der Bekämpfung von Finanzkriminalität deutlich steiger», glaubt Faske. «Durch die Automatisierung gewisser Abläufe können Fachkräfte intensiver für risikoreichere Fälle eingesetzt werden, in denen menschliches Urteil unverzichtbar bleibt.»


