Celine Schneidinger studiert BWL an der HSG. Die empirische Studie, deren Kernergebnisse hier dargestellt werden, ist im Rahmen der Bachelorarbeit der Autorin an der HSG entstanden. Prof. Dr. Peter Maas lehrt und forscht an der Universität St. Gallen und nimmt verschiedene Verwaltungsratsmandate bei InsurTechs und einer Familienstiftung wahr.

Die Anwendungsbereiche von Künstlicher Intelligenz (KI) in Versicherungsunternehmen sind vielseitig. Sie versprechen eine schnellere Fallbearbeitung oder eine Beratung rund um die Uhr durch Chatbots. Auch wenn die unterschiedlichen KI-Lösungen verlockend klingen, werden sie von den Kunden verschieden wahrgenommen: Sie beeinflussen das Kundenerlebnis positiv oder negativ, was wiederum  
Implikationen für das Kundenvertrauen haben kann. Das zeigt eine neue empirische Studie an der Universität St. Gallen. 

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Personalisierte Versicherungsleistungen durch KI

KI macht es möglich, Versicherungsleistungen zu personalisieren und an die Lebenssituation der Kunden anzupassen. So könnten diese Versicherungsangebote erhalten, welche auf einer KI-basierten Analyse der Situation beruhen, in der sie sich jeweils befinden. Zum Beispiel eine Reiseversicherung, sobald sich die Kundin oder der Kunde am Flughafen befindet. Laut dieser aktuellen Untersuchung würden sich an dieser Zusatzleistung aber nur wenige erfreuen. Zusätzlich würde auch das Vertrauen in den Versicherer durch diese Art von Angeboten gesenkt.  

Personalisierte Versicherungsangebote senken Kundenerlebnis

Ähnlich verhält es sich bei individualisierten Prämien, welche auf dem Verhalten der Versicherten basieren. Bei risikoaffinen Personen könnte die Angst mitspielen, durch die Personalisierung eine höhere Prämie bezahlen zu müssen. Ebenso senken personalisierte Versicherungsangebote auch bei jungen Personen das Kundenerlebnis und -vertrauen in den Versicherer, obwohl man annehmen könnte, dass gerade dieses Kundensegment stark von personalisierten Prämien profitieren würde;  zumal es – je nach Versicherung – aufgrund des Alters tendenziell hohen Prämien ausgeliefert ist.  Dennoch gewichten viele ihre Privatsphäre zu stark, als dass sie bereit wären, für massgeschneiderte Prämien oder Versicherungsangebote Verhaltensdaten zu teilen. 

Punkten mit potenziellen Gefahren

Einzig wenn ein Versicherungsunternehmen die Versicherten präventiv über potenzielle Gefahren allgemeiner Natur informiert (etwa über einen aufkommenden Sturm), könnte es bei den Kunden vorbehaltlos punkten. Im Vergleich zu den erstgenannten, personalisierten Versicherungsleistungen ist hier keine Erhebung personalisierter Verhaltensdaten erforderlich.

Berater werden Chatbots vorgezogen  

Chatbots ermöglichen es, simple Versicherungsanliegen jederzeit zu lösen – ganz ohne mühsames Ausharren in Warteschlaufen von Call Centern. Bei vielen, insbesondere älteren Kunden, stösst die Vorstellung, mit einem Roboter statt einem Menschen zu interagieren, jedoch auf wenig Gegenliebe. Nur in wenigen Fällen wie im Schadenmanagement würden jüngere Generationen die Interaktion mit Chatbots als vorteilhaft empfinden. Der traditionelle Versicherungsberater scheint immer noch ein relevanter Vertrauensfaktor für die Kunden einer Versicherung zu sein.  

Interaktion mit Versicherungsberater

Auch wenn die Interaktion mit dem Versicherungsberater geschätzt wird, können die Kunden trotzdem in gewissen Fällen darauf verzichten. Die Möglichkeit, einen Vertrag selbständig anzupassen oder zu kündigen, stösst vor allem bei der jüngeren Generation auf positive Resonanz, ohne aber das Vertrauen in die Versicherung zu stärken. Dennoch zeigt sich, dass auch in der Versicherungsbranche ein digitales Erlebnis und die Möglichkeit zu Self-Service geschätzt wird.  

Verbesserung des Schadensmanagement  

Das Schadenmanagement birgt ebenfalls grosses Potenzial für den Einsatz von KI. Mittels automatisierter Analyse von Bildern eines Schadens könnte das Versicherungsunternehmen die Schadenssumme unmittelbar nach der Eingabe identifizieren, ausbezahlen und eine direkte Verbindung zu passenden Reparaturservices herstellen. Diese zusätzlichen Leistungen würden die Kunden begeistern und tendenziell sogar das Vertrauen in einen Versicherer steigern, da in einem zentralen Moment der Kundenbeziehung das Kundenanliegen einfach und schnell befriedigt wird. Ausserdem versprechen diese Leistungen auch auf Seite der Versicherungen Effizienzgewinne und eine einfachere Betrugserkennung.  

Hohes Vertrauen in Schweizer Versicherungen

Es zeigt sich, dass einige Anwendungsbereiche von KI das Kundenerlebnis verbessern können. Dass Versicherungsunternehmen durch KI-Lösungen jedoch zusätzliches Vertrauen gewinnen, scheint kurzfristig sehr unwahrscheinlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass das Vertrauen in Schweizer Versicherungen bereits sehr hoch ist. Da sich der Einsatz von KI aber positiv auf das Kundenerlebnis auswirkt, erscheint es möglich, dass das Kundenvertrauen mittel- und langfristig durch KI-basierte Anwendungen doch gesteigert werden kann.