Die Versicherungsbranche ist auf vielen Ebenen gefordert. Erhöhter Wettbewerbsdruck seitens Insurtech, zunehmende Preissensibilität sowie höhere Ansprüche von Verbrauchern an einen individuellen und plattformübergreifenden Kundenservice schaffen Innovationsdruck.

Autor:
Torben Emmerling (LinkedIn) ist Gründer und Managing Partner von Affective Advisory und Autor des D.R.I.V.E.® Frameworks für verhaltensökonomische Strategie- und Politikansätze. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Global Association of Applied Behavioural Scientists GAABS, Vorstandsmitglied der Schweizer Behavioral Insights for Better Politics and Societies Initiative BIPS sowie Dozent und HBR-publizierter Autor für Verhaltens- und Entscheidungswissenschaften.

Effektive Strategien zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen sowie zur Kreation eines einzigartigen Kundenerlebnisses beginnen meist mit einem besseren Verständnis der Bedürfnisse, Wünsche und Verhalten der Kundschaft. Die Applied Behavioural Science kann hier entscheidende Impulse bieten. Aus umfangreicher Forschungs- und Projektarbeit stellen wir nachfolgend ausgewählte verhaltenswissenschaftliche Ansätze in vier Bereichen vor: 

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1. Attraktion: Kommunizieren Sie klar und transparent

Eine aktuelle Erhebung zeigt, dass Kunden aus zwei Gründen davor zurückschrecken, eine neue Versicherung abzuschliessen: hohe wahrgenommene Kosten und mangelndes Verständnis des Produkts. Neben attraktiven Preisen liegt das grösste Potenzial also vor allem bei der effektiven Kommunikation des Angebots. So zeigen Studien, dass einfach verständliche und objektiv gestaltete Informationen sich besonders positiv auf Kaufabsichten auswirken. Zielen Sie daher darauf ab, Ihr Produkt und Informationsmaterial so zu gestalten, dass Unsicherheit reduziert und Fragen über ein zukünftiges Vertragsverhältnis so transparent wie möglich beantwortet werden.

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2. Entscheidung: Bieten Sie bewusst Hilfe bei der Auswahl

Eine weit verbreitete Herangehensweise der Prozessoptimierung ist die Reduktion sämtlicher Reibungspunkte. Häufig vernachlässigen reduktive Ansätze jedoch die Erwägung möglicher Hilfestellungen und persönlicher Beratung bei der Auswahl von Produkten. Ein Versicherer konnte 22 Prozent mehr Kunden dazu motivieren, ein Angebot einzuholen, indem er neben den Produktinformationen und Preisen die Möglichkeit für einen persönlichen Rückruf eines Expertenteams offerierte. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht gilt es Unsicherheit im Auswahlprozess zu reduzieren. Strategisch platzierte Friktionen können Sie dabei unterstützen, die Aufmerksamkeit Ihrer Kundschaft zu gewinnen und etwaige Hilfestellungen gewinnbringend zu positionieren. 

3. Onboarding: Stellen Sie spezifische Fragen und nutzen Sie gezielte Hinweise

Während Kunden die transparente Angabe von sensiblen Informationen schwerfällt, sind Versicherer auf wahrheitsgetreue Informationen angewiesen. So kann die schlichte Verharmlosung von gesundheitskritischen Verhaltensmustern (bspw. Rauchen) schnell zu signifikanten Kosten führen. Verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse können im Onboarding dabei helfen, Kunden zu einer transparenten Informationsangabe zu motivieren. Eine umfangreiche globale Studie zeigt exemplarisch, wie mit speziellen Fragen die Offenlegung von Tabakkonsum gesteigert werden konnte. Weiter können gezielte Informationen über das Verhalten anderer (bspw. «95 Prozent aller Kunden geben diese Information korrekt an») Falschangaben signifikant reduzieren. Neben sozialen Normen können auch Hinweise mit moralischer Symbolkraft (bspw. eine Erklärung) ehrliches Verhalten unterstützen.

4. Kundenpflege: Zeigen Sie Mehrwert und fördern Sie Kooperation

Eine Eigenart von vielen Versicherungsprodukten ist, dass man im Idealfall nie von ihnen Gebrauch macht. Kunden zahlen Prämien für eventuelle zukünftige Ereignisse, häufig ohne eine unmittelbar erlebbare Gegenleistung und ohne Kontakt mit dem Leistungserbringer. Diese Diskrepanz kann schnell zu Unzufriedenheit führen und sogar Betrugsversuche begünstigen. Innovative Ansätze in der Kommunikation und im Angebot (bspw. personalisierte Tipps oder verhaltensbasierte Prämienreduktionen) können dem gezielt entgegenwirken. Eine vielbeachtete Studie von MS und BCG zeigt diesbezüglich auf, dass bei richtiger Gestaltung die Bereitschaft zur Angabe von persönlichen Informationen im Gegenzug für individuelle Rabatte bei bis zu 90 Prozent liegen kann. Beachten Sie daher sämtliche Kunden-Touchpoints und zeigen Sie Wertschätzung für vorbildliches Verhalten und Treue.

Um den steigenden Anforderungen von Kunden und Markt gerecht zu werden, sind innovative evidenzbasierte Lösungsansätze gefragt. Dabei ist es essenziell, sich mit dem Kundenverhalten und relevanten Entscheidungsprozessen auseinanderzusetzen. Qualifizierte Behavioural Insights können helfen, mit kleinen Anpassungen grosse Effekte für ein nachhaltig erfolgreiches Versicherungsgeschäft zu entwickeln. Viele Versicherungen haben hier riesiges ungenutztes Potenzial.