«Versicherungen sind nicht gleich Banken» – viele Analysten und Analystinnen mussten in den vergangenen Wochen erklären, warum sich Versicherungen von Banken unterscheiden und warum Versicherungen derzeit nicht gefährdet sind.

Mit Swiss Life, Zurich und Swiss Re gibt es in der Schweiz drei grosse Versicherungen, die seit den 1990er Jahren arg in Schwierigkeiten geraten waren.

Denn hier kann es nicht zu einem plötzlichen Rückzug von Einlagen, einem «Bank Run», kommen, wie man das bei Banken wie der Credit Suisse und der Silicon Valley Bank in den USA erlebt hatte. Die Prämien für Sachversicherungen haben die Policenbesitzerinnen und -besitzer längst bezahlt – und bei Lebensversicherungen sind die Rückkaufkonditionen dermassen unattraktiv, dass man sie «gar nicht zurückkaufen möchte», wie sich ein Analyst ausdrückt. 

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Arg in Schwierigkeiten geraten

Dennoch: Einige Gedanken muss man sich machen. Denn mit Swiss Life, Zurich und Swiss Re gibt es in der Schweiz drei grosse Versicherungen, die seit den 1990er Jahren arg in Schwierigkeiten geraten waren – und zwei von ihnen gelten demzufolge heute global als systemrelevant.

Als man aus den illiquiden teuren Assets rauskommen wollte beziehungsweise diese abschreiben musste, wurde es überall richtig teuer. 

Hohe Abschreiber auf zu teure Übernahmen waren seinerzeit die Ursachen bei Zurich und Swiss Life gewesen; bei Swiss Re hatte eine vergleichsweise kleine Derivatesparte zu exotisch und zu stark gehebelt investiert. Als man aus den illiquiden teuren Assets rauskommen wollte beziehungsweise diese abschreiben musste, wurde es überall richtig teuer. 

Höher als die Eigenmittel

Illiquide Assets gelten bei Banken als problematisch, weil man Vermögenswerte rasch verkaufen muss, wenn innert zu kurzer Zeit zu viele Einlegerinnen und Einleger ihre Gelder abziehen. Laut Immobilienexperten wie Donato Sconagmiglio vom Beratungsunternehmen IAZI zeigt sich der wahre Wert von illiquiden Anlagen wie Immobilien erst dann, wenn man sie verkaufen muss. 

Entwicklung nicht mitgemacht

Börsenkotierte Immobilienfirmen hatten 2022 einen Taucher bei den Aktienkursen hingelegt – die schweizerischen Versicherungen, ebenfalls grosse Investoren bei Immobilien, hatten dagegen diese Entwicklung nicht mitgemacht. 

Es kann anders gehen

Und so schauen Finanzanalysten und -analystinnen auf die Proportionen, also die Anteile von illiquiden Anlagen im Vergleich zu den Eigenmitteln europäischer Versicherungen. Gemäss den Analysten von Morgan Stanley führt hier die Swiss Life im europäischen Vergleich: Bei ihr sind die illiquiden Anlagen wie Immobilien sechsmal so gross wie das Eigenkapital gemäss IFRS-Rechnungslegung. Nur Aegon und NN Group, zwei weitere europäische Lebensversicherungen, kommen auf ähnliche Verhältnisse. Die Baloise kommt auf das Fünffache und liegt mit weiteren grossen europäischen Adressen wie der Allianz und der Generali gleichauf. Dass es anders gehen kann, zeigt der grosse Allrounder Zurich, wo die illiquiden Anlagen das regulatorische Eigenkapital kaum übertreffen. Das Gleiche gilt für die vier kontinentaleuropäischen Rückversicherungen Swiss Re, Munich Re, Hannover Rück und Scor, die teilweise noch bedeutend geringere Anteile illiquider Assets halten. Viele Anteile bedeuten nicht zwangsläufig hohe Risiken, sagen die Analystinnen und Analysten von Morgan Stanley.

«Die grossen Versicherungen – aber auch die Vaudoise – haben absichtlich in illiquide Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur und dergleichen investiert»

Simon Fössmeier, Vontobel-Analyst

Portfolios mit Privatimmobilienkrediten gelten als vergleichsweise unproblematisch. 

Andere Handhabung von Immobilien 

«Die grossen Versicherungen – aber auch die Vaudoise – haben absichtlich in illiquide Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur und dergleichen investiert», sagt Vontobel-Analyst Simon Fössmeier. Er führt drei Gründe auf: erstens, weil die Zinsen so niedrig waren. Zweitens, um zu diversifizieren. Und drittens, um eine Illiquiditätsprämie einzustreichen. «Und das Wichtigste: weil die Versicherungen wissen, dass sie die Anlagen bis zum Ablauf halten werden, weil es ja keinen «Insurance Run» gibt», so Fössmeier. Hier helfen auch die modernen Solvabilitätsvorschriften. Ein Duration-Mismatch von mehr als einem Jahr führt zu einer Art «Punkteabzug» – und bei Immobilien gibt es nicht wirklich eine Duration.

Wertschwankungen relativ unwichtig

Hinzu kommen laut Fössmeier wichtige Unterschiede zwischen Immobilienfirmen und Versicherungen: Die gelisteten Immobilienfirmen können Immobilien nicht unendlich lange halten. Investoren schauen auf das Neugeschäft, welches bei den steigenden Zinsen stark rückläufig ist. «Die Börsenkurse der Immo-Firmen hängen auch ab von Neuentwicklungen, Leerstandsquote, und Verkaufsgewinnen», so Fössmeier. «Ähnlich ist es bei Immo-Funds: Sie müssen kaufen und verkaufen.» Zusätzlich kann es bei den Fonds Verkaufsdruck geben, wenn viele Investoren ihre Immobilienfonds verkaufen. «Das alles trifft auf die Versicherungen nicht zu», erklärt Fössmeier. «Wertschwankungen des Immo-Portfolios sind relativ unwichtig. Wichtiger sind dagegen die laufenden Mieteinnahmen als Alternative zu Zinszahlungen von Bonds.» 

Zinsanbingung im privaten Bereich

Und die Schweiz bleibt eine «Insel der Glückseligkeit»: Die Immobilienpreise steigen weiter, trotz höherer Zinsen.

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Denn laut Fössmeier fallen Faktoren wie Nettozuwanderung auf begrenzten Platz und Ablehnung von Megahochhäusern, was das Angebot knapp und die Preise hochhält. Schliesslich gibt es die Anbindung der Inflation an Mieten im gewerblichen Bereich und die Zinsanbindung im privaten Bereich.

Näher an der ökonomischen Realität

«Man muss schon zugeben, dass die Aufsicht beziehungsweise Regulierung hier jetzt viel wirksamer ist», fasst Fössmeier zusammen. «Und Die Solvency-Modelle sind viel näher an der ökonomischen Realität. Zu teure Akquisitionen sind heute natürlich immer wieder möglich.»