Herr Lehmann, der Verband Schweizerischer Versicherungsbroker SIBA feiert 2021 sein 30-jähriges Bestehen – wie schnell doch die Zeit vergeht! 
Das ist tatsächlich so! Durch die ganze Corona-Pandemie und die vielen Themen, die zurzeit auf der Tagesordnung stehen, ist das fast schon untergegangen …. 

Sie haben die Entwicklung des Verbandes hautnah miterlebt, zuerst als einfaches Vorstandsmitglied und seit 2016 als Präsident. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der SIBA in den vergangenen Jahren?
Ich will jetzt kein Selbstlob betreiben, jedoch bin ich der Meinung, dass wir uns in den vergangenen Jahren stark professionalisiert haben, nicht nur von den Strukturen her mit den neuen Ressorts, sondern auch im Hinblick auf die Qualität der Arbeit. Man darf nicht vergessen, wir haben einen Milizvorstand und können finanziell natürlich nicht mit den grossen Branchenverbänden mithalten. Es gehört leider nicht mehr zum heutigen Zeitgeist, Milizämter zu übernehmen – daher bin ich vom grossen Engagement unseres Vorstands immer wieder beeindruckt. Ausserdem konnten wir mittlerweile eine breite Basis an Verbandsmitgliedern gewinnen, die von unserer Arbeit überzeugt ist. In wenigen Jahren stieg die Zahl unserer Mitgliedsfirmen trotz Übernahmen und Fusionen auf fast 100 – das ist schon ziemlich beeindruckend. Natürlich nimmt dabei auch die Arbeit zu, deshalb war auch die Aufstockung des Pensums des Geschäftsführers auf 100 Prozent notwendig. Weiter möchte ich unsere Bestrebungen in der Aus- und Weiterbildung hervorheben. So wurde beispielsweise mit unserer Unterstützung ein neuer Zertifikatslehrgang für Beratende der beruflichen Vorsorge lanciert. Damit soll in der Beratung ein einheitliches und hochstehendes Qualitätsniveau angestrebt werden. 

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Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Wahrnehmung der SIBA von aussen verändert?
Wir sind sicherlich präsenter und sichtbarer als früher. Die SIBA ist nicht nur ein Qualitätslabel, sondern auch bei Wirtschaftsverbänden oder staatlichen Institutionen stets ein gefragter Gesprächspartner und bringt ihre fachliche Expertise ein. Wir wirken aktiv mit bei Gesetzesänderungen und können somit die Interessen unserer Mitglieder und der ganzen Branche zielführend vertreten. Das ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis harter Verbandsarbeit und Interessenvertretung auf höchster Ebene. Wir sind natürlich in verschiedenen Zeitungen und Fachzeitschriften stärker präsent und haben an unserer Kommunikation gearbeitet. 

«Die digitale Transformation wird über die lange Sicht den Arbeitstag des Brokers stark prägen und verändern.»

Die SIBA zählt heute fast 100 Mitgliedsfirmen, die zusammen ein Prämienvolumen von mehr als 10 Milliarden verwalten. Ausserdem sind grosse Broker wie IBC und Aon dem Verband wieder beigetreten. Ist diese positive Mitgliederentwicklung das Resultat einer erfolgreichen Verbandsarbeit?
Definitiv. Dass wir IBC und Aon zurückgewinnen konnten, macht mich besonders stolz und ist auch ein Zeichen dafür, dass unsere Arbeit geschätzt wird. Ich freue mich aber generell über jeden Broker, egal wie gross er ist, der sich dazu entschliesst, unserem Verband beizutreten. Branchenverbände haben es zurzeit generell etwas schwer. Man muss den Mitgliedern ständig den Mehrwert einer Verbandsmitgliedschaft aufzeigen und sie überzeugen, sich aktiv zu beteiligen. Natürlich haben nicht alle Verbandsmitglieder die gleichen Interessen – daher ist es unsere Pflicht, für eine Balance innerhalb des Verbands zu sorgen, damit sich alle angemessen repräsentiert fühlen. 

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Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für das Brokerage in der Schweiz?
Wo soll ich da nur anfangen! Da sind natürlich die schädlichen Regulierungen und der politische Druck, insbesondere die permanenten Angriffe auf das Courtagensystem im Bereich der beruflichen Vorsorge ist ein besorgniserregendes Thema. Nicht zu vergessen das umfangreiche und komplexe Thema der Digitalisierung. Die digitale Transformation wird über die lange Sicht den Arbeitstag des Brokers stark prägen und verändern. Ob wir wollen oder nicht, vor dieser tektonischen Veränderung darf sich unser Berufsstand nicht verstecken – wir müssen uns aktiv an diesem Transformationsprozess beteiligen, ansonsten laufen wir Gefahr, dem technologischen Fortschritt hinterherzuhinken. 

«Die unabhängige Beratung ist gerade für unsere hiesigen KMU von zentraler Bedeutung.»

Sie haben es bereits erwähnt, schädliche Regulierungen und der politische Druck nehmen zu. Gerade im Vorsorgegeschäft wird das Brokergeschäft oft kritisiert – Stichwort Courtagenverbot. Wie beurteilen Sie die Diskussion rund um das Courtagenverbot?
Gewisse politische Kreise sind unfähig, ihre ideologische Brille abzulegen, und bemerken nicht, dass mit einem Courtagenverbot schliesslich die Konsumenten die Leittragenden sind. Ein Blick nach England oder in die skandinavischen Länder reicht bereits, um die weitreichenden Konsequenzen zu beobachten. In diesen Ländern können sich mittlerweile lediglich Grossunternehmen eine unabhängige Beratung leisten. Es gäbe daher nur Verlierer, falls die Courtagen verboten würden. Die Vorsorgeeinrichtungen und Versicherer müssten ihren Aussendienst wieder massiv hochfahren, dadurch steigen logischerweise die Verwaltungskosten an, welche dann auf den Versicherungsnehmer abgewälzt würden. Die unabhängige Beratung ist gerade für unsere hiesigen KMU von zentraler Bedeutung. Dass linke Kreise in diesem Land dies nicht erkennen, ist mir bis zum heutigen Tag unbegreiflich. Wir werden jedenfalls alle möglichen Register ziehen und ein Courtagenverbot bekämpfen. Schliesslich übernehmen wir gerade im Unternehmenskundenbereich die Rolle eines Konsumentenschützers.

Zu guter Letzt wagen wir einen selbstkritischen Blick auf den Verband. In welchen Bereichen könnte sich die SIBA verbessern bzw. zulegen?
Prinzipiell fallen mir drei Punkte ein: Einerseits müssen wir zwingend unseren Berufsstand in der Bevölkerung breiter bekannt machen. Die breite Bevölkerung kennt die wertvollen Dienstleistungen, die ein Versicherungsbroker erbringt, nicht. Leider ist die Berufsbezeichnung «Broker» etwas unglücklich, da die Assoziation mit einem Bankenbroker und der Finanzkrise naheliegt. Hier gilt es Aufklärungsarbeit zu leisten. Anderseits sollten wir an unserer internen Kommunikation arbeiten. Als Verband sind wir an vielen spannenden und wichtigen Projekten beteiligt und realisieren oft grosse Erfolge für die gesamte Branche – diese Erfolge sollten wir unseren Mitgliedern näherbringen und noch gezielter kommunizieren. Zu guter Letzt ist es mir ein grosses Anliegen, dass wir unsere Mitglieder aktiv an der Verbandsarbeit beteiligen. Dazu sollen demnächst Arbeitsgruppen, die sich beispielsweise mit Datenschutz- und Digitalisierungsthematiken auseinandersetzen, ins Leben gerufen werden. Näheres wird an unserer Generalversammlung im September bekannt gegeben.