Darum geht's
  • Die Einheitskasse zielt darauf ab, das Schweizer Gesundheitssystem grundlegend zu verändern, indem sie unnötige Kosten eliminiert, echte Prävention fördert und eine bessere Kostenkontrolle ermöglicht.
  • Durch eine zentrale Verwaltung könnten Verwaltungskosten gesenkt und die Effizienz gesteigert werden, während Transparenz geschaffen würde, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
  • Die Einheitskasse stärkt die Grundversorgungsmedizin, obwohl sie nicht alle Herausforderungen des Gesundheitssystems löst.
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Um auf den Betrag einzuwirken, den jede und jeder von uns in Form von Prämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP oder KVG) bezahlt, gibt es nachfolgende drei Möglichkeiten:

  • Die Kostenverteilung. Wer bezahlt was?
  • Die Organisation des Systems und dessen Architektur. Wer entscheidet worüber?
  • Die Anzahl, die Qualität und den Preis der Leistungen. Wer erhält was zu welchem Preis?

In den ersten Bereich, also zur Frage, wie die Kosten verteilt werden, gehören etwa das Projekt der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, kurz Efas genannt, oder die Prämienverbilligungsinitiative der SP, bei der die Versicherten höchstens noch 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für ihre Krankenkassenprämien bezahlen und über die wir am 9. Juni abstimmen. 

In der zweiten Kategorie geht es um die Organisation des Systems und die Frage wer was und wie entscheidet. In ebendiese Kategorie fallen beispielsweise die Reform von 2012, bei der das System Swiss DRG eingeführt wurde sowie um die Initiative für eine öffentliche Einheitskasse, die demnächst lanciert wird und über die wir hier ausführlich berichten werden.

In die dritte und letzte Kategorie fällt etwa die Mitte-Initiative für eine Kostenbremse, über die wir ebenfalls am 9. Juni abstimmen sowie die Massnahmenpakete des Bundesrates zur Kostendämpfung oder die (praktisch unmögliche) Reform des TARMED.

Diese drei grossen Kategorien beeinflussen sich natürlich gegenseitig. Die SP-Initiative zur Prämienverbilligung verteilt die Rechnung beispielsweise nur anders. Indem man aber den Kostenanstieg mehr auf die Allgemeinheit als auf den Einzelnen abwälzt, könnte man ebendiese dazu bewegen, kostenbezogene Massnahmen zu ergreifen.

Und genau darum geht es bei der Initiative für eine Einheitskasse: Es braucht eine grundlegende Änderung der Spielregeln im Gesundheitssystem. Die Einheitskasse würde dies nachhaltig verändern, und zwar zum Besseren.

Schluss mit völlig unnötigen Kosten!

Zunächst würden mit der Einführung einer Einheitskasse die unnötigen Kosten aus dem System eliminieret. Das sind etwa die Kosten für die Werbung der Krankenversicherungen, die Maklergebühren und die Gehälter der Krankenkassendirektoren. Diese Kosten sind weder für den Patienten noch für die öffentliche Gesundheit von Interesse. 

Dazu kommen noch die extrem hohen Kosten für den Wechsel einer Krankenkasse hinzu. Die Direktorin von H+, Frau Bütikofer, hat im September 2023 die Kosten eines Kassenwechsels auf satte 800 bis 1000 Franken geschätzt. Bei 2,5 Millionen Wechseln pro Jahr belaufen sich diese Kosten auf mehrere Milliarden Franken, die eine öffentliche Kasse dem System ersparen würde. Darüber hinaus würde eine einzige Versicherung den Verwaltungsaufwand für die Leistungserbringer stark vereinfachen, da es nur noch einen Standard, ein Schema und eine Methode zur Eingabe von Rechnungen gäbe, was ebenfalls zu erheblichen Einsparungen führen würde.

Echte Prävention

Ein weiterer Vorteil für eine öffentliche Kasse pro Kanton, die auf nationaler Ebene überwacht wird, ist neben der Eliminierung unnötiger Kosten die Einführung echter Präventionsarbeit. Heute betreiben die Kassen praktisch keine Prävention, weil sie schicht kein Interesse daran haben. Wieso sollte man in die Gesundheit seiner Versicherten investieren, wenn diese im nächsten Jahr die Kasse wechseln und zur Konkurrenz abwandern? Eine echte Prävention in Form von integrierten Versorgungsnetzen, die den Patienten individuell betreuen und ihn darüber beraten, was er in Bezug auf seine persönlichen Risiken beachten sollte, ist jedoch nach Ansicht von Experten eine Quelle für eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und für Kosteneinsparungen.

Bessere Kontrolle der Kosten

Heute sind die Krankenversicherer gesetzlich dafür verantwortlich, die Rechnungen und die Kosten zu kontrollieren. Sie tun dies praktisch ausschliesslich mithilfe von Algorithmen, die nach Abweichungen eines Leistungserbringers vom Durchschnitt suchen und ihn dann auffordern, sich zu erklären. Diese Vorgehensweise ist mangelhaft, angefangen damit, dass die Daten der Versicherungen nicht konsolidiert werden können. In anderen Worten: Ein Krankenversicherer kann nur die Kosten von Patientinnen und Patienten kontrollieren, die in ebendieser Versicherung anfallen. Dies führt zu Verzögerungen bei der Aufdeckung skrupelloser Anbieter, wie die jüngsten Skandale um Ärzte, die mehr als 24 Stunden am Tag abrechneten, gezeigt haben. Eine Einheitskasse würde alle Rechnungen aus der Grundversicherung verwalten. Dies führt dazu, dass Kontrollen gezielter durchgeführt werden können. Jene, die das System betrügen, können dabei viel schneller identifiziert werden. Ferner stünden konsolidierte Gesamtdaten zur Verfügung, die für die Forschung und die politische Entscheidungsfindung von grossem Nutzen wären.

Wieder einen Piloten ins Flugzeug setzen

Wer entscheidet im Schweizer Gesundheitssystem eigentlich was? Sind die Kantone, der Bund, die Leistungserbringer oder die Krankenkassen dafür verantwortlich? Diese Fragen sind im Schweizer Gesundheitssystem immer schwiegiger zu beantworten und stellen ein zentrales Problem dar. Eine öffentliche Kasse ermöglicht es, die verschiedenen Akteure in die Verantwortung zu nehmen. Damit würde klar, wer was entscheidet, wodurch das System viel effizienter reformiert werden könnte.

Endlich Transparenz, um eine echte Wahl zu ermöglichen

Trotz einiger willkommener Verbesserungen: Das KVG-System ist insgesamt immer noch sehr intransparent. Beispielsweise kennt man die Rücklagen pro Versicherung sowie die jährlichen Verluste oder Gewinne dieser Rücklagen auf den Finanzmärkten, aber man weiss nicht, wie die Anlagen beschaffen sind. Es bleibt in der Praxis fast unmöglich zu wissen, welche Kosten der OKP und welche der Zusatzversicherung zugerechnet werden. Dazu ein Beispiel: Wenn zwischen der Ankündigung der Prämien für das nächste Jahr und Ende November etwa eine Werbung für eine bestimmte Krankenkasse erscheint, wurde diese über die OKP über über die Zusatzversicherung finanziert? Oder gar über beide? Oder wenn man Ihnen in der Telefonzentrale eines Krankenversicherers antwortet, geht die Leistung an die OKP oder an die Zusatzversicherungen? Wir erinnern uns an den SGK-Skandal der zeigt, dass Verschiebungen möglich sind und wohl auch häufig vorkommen. Eine öffentliche Kasse pro Kanton, die sich nur um die OKP kümmert, wäre per Definition transparent in Bezug auf Vergütungen, Reserven und deren Verwendung.

Der Grundversorgungsmedizin Vorteile verschaffen

Schliesslich könnte die Initiative für eine öffentliche Kasse pro Kanton die Gelegenheit bieten, endlich etwas für die Hausarztmedizin zu tun sowie für Leistungen, die das ganze Jahr über, Tag und Nacht mit Aufnahmepflicht erbracht werden. In der Tat wird seit Jahren Alarm geschlagen, was diese Frage und die Anfälligkeit dieser absolut grundlegenden Erstversorgung betrifft. Die Initiative für eine öffentliche Kasse pro Kanton, die die öffentliche Gesundheit zum Ziel hat, sollte es ermöglichen, diese Frage wieder in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken und ihr einen grossen Schub zu verleihen.

Dies sind nur einige der zahlreichen Vorteile einer Einheitskasse. Zwar würden nicht alle Probleme gelöst werden und die Überalterung der Bevölkerung, die unser Gesundheitssystem unter Druck setzt, bleibt. Aber die öffentliche Kasse würde zumindest jene Kräfte beseitigen, die das System praktisch unkontrollierbar machen, um die Fluidität hineinzubringen, die es uns ermöglicht, diese Herausforderungen zu bewältigen.

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