Bringt die Zusammenarbeit mit Partnern über eine digitale Plattform einen deutlichen Kundenmehrwert, sollten Versicherungen an Ökosystemen teilnehmen. Das empfiehlt die Versicherungsstudie 2022 der ZHAW, die in Zusammenarbeit mit Zühlke und Synpulse entstanden ist. Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass dies je nach Lebensbereich in unterschiedlichen Rollen erfolgen sollte.

Orchestrator oder Zulieferer?

Was bedeutet die Plattform-Ökonomie überhaupt für Versicherungen? Können Akteure der Assekuranz ähnlich wie grosse Konzerne à la Apple, Amazon & co. zu dominierenden Akteuren in einem Zielmarkt werden? Oder bleiben sie auf der Stufe margenschwacher Zulieferer stehen? Die diesjährige Studie der ZHAW School of Management Law weist nach, dass das Schicksal von Versicherungen nicht unbedingt binär sein muss nach dem Muster Orchestrator oder Zulieferer. 

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Die Studie zeigt auch, dass es nicht so sehr darum geht, ein Ökosystem auf Biegen und Brechen aufzubauen und sich als «Spinne im Netz» im Zentrum desselben zu positionieren. Vielmehr geht es darum, echten Mehrwert für die Kunden zu liefern. Und dies mit genügend Vertrauen in die eigenen Stärken. Gepaart mit der Bescheidenheit, dass man nicht immer alles selbst machen sollte. Denn im Ökosystem schaffen viele Teilnehmende zusammen einen Kundenwert, den einer allein nicht bereitstellen könnte.

Verschiedene Rollen je nach Lebensbereich

«Unsere diesjährige Studie zeigt, dass die befragten Schweizer Sach- und Lebensversicherer ihre Rolle in Ökosystemen sehr unterschiedlich einstufen», erklärt Lukas Urech, Head of Insurance Market bei Zühlke und Mitautor der Studie. Im Lebensbereich Mobilität sehen sie sich zunehmend als Zulieferer von «Embedded Insurance»-Lösungen.

«Beim Thema Wohnen hingegen besteht die Möglichkeit, sich als Orchestrator ins Zentrum des Ökosystems zu setzen, da man hier sowohl als Immobilienbesitzer, Hypothekenfinanzierer wie auch als Versicherer eine breitere Service-Abdeckung hat», ergänzt Urech. In der Vorsorge wiederum stehe für viele die Aggregatorenrolle im Vordergrund, «Stichwort Bancassurance 2.0».

Verpasste Chancen?

Diese differenzierte Einschätzung der eigenen Rolle im Ökosystem ist sicherlich ein Reifezeugnis für die Branche. «Dennoch sehen wir verpasste Chancen, insbesondere wenn man an den Schaden denkt», sagt Urech. 

Die Fähigkeit, im Ökosystem eine prominente Rolle einnehmen zu können, hat laut Studie viel mit dem emotionalen Potenzial des eigenen Angebots zu tun. Und das ist bei Versicherungen im Schaden viel grösser als im Vertrieb.

Beispiel: Wenn die eigenen vier Wände ein Opfer der Flammen geworden sind, ist das ein sehr emotionaler Moment, bei dem ganz viele zusätzliche Services angeboten werden können: eine temporäre Bleibe, sofort ein Ladegerät für das Handy, Kleider für den nächsten Tag und Bargeld bis die zerstörten Dokumente wiederhergestellt werden konnten. Im Geiste von Ökosystemen würde die Lösung aller dieser Probleme aus einer Hand einen Kundennutzen schaffen und die Versicherer wären in der Pole-Position, um dieses Feld zu besetzen.

Es eilt, gerade weil es nicht so schnell geht

Die exponentielle Marktdynamik von plattformbasierten Ökosysteme beinhaltet einige Tücken. In der Anfangsphase scheinen sie viel langsamer als das lineare Wachstum anderer Geschäftsmodelle. Es ist verständlich, dass dies auf die bestehenden Marktteilnehmer einschläfernd wirkt. Ist jedoch ein Kipppunkt erreicht, geht die exponentielle Entwicklung so schnell, dass die Gefahr besteht, den Anschluss uneinholbar zu verpassen. Die andernorts häufig erfolgreiche «Fast-Follower»-Strategie wird dann zur Falle. 

Die sehr unterschiedlichen Dynamiken und Reifestadien in den verschiedenen Lebensbereichen Mobilität, Wohnen und Vorsorge – Ähnliches dürfte auch für die nicht untersuchten Bereiche Gesundheit und KMU gelten – bestätigen das Fazit der letztjährigen Versicherungsstudie: Für Allspartenversicherer ist es eine Herausforderung, die ganze Bandbreite an Anforderungen gleichzeitig abdecken zu wollen.
 

Die Studienautoren:

Lukas Stricker ist Dozent und Studiengangsleiter am Institut für Risk & Insurance der ZHAW School of Management & Law

Lukas Urech ist Head of Insurance Market bei Zühlke Engineering AG, einem globalen Innovationsdienstleister