Die Schweizer Versicherer müssen ihre strategische Positionierung in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Dabei stehen grundsätzlich drei Optionen im Vordergrund: Als «Orchestrator» können sie in einem bestimmten Bereich als erster Ansprechpartner für Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen und gemeinsam mit Partnerunternehmen ein breites Angebot von Versicherungen und weiteren Dienstleistungen anbieten. Als «Factory» fokussieren sie sich auf eine Hintergrundfunktion als effizienter Lieferant von Versicherungsprodukten ohne direkten Kundenkontakt. Oder sie betreuen als dritte Möglichkeit in ausgewählten Sparten als spezialisierter Anbieter («Boutique») weiterhin allein Kundinnen und Kunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der ZHAW School of Management and Law.

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Die neue Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Synpulse und dem Innovationsdienstleister Zühlke erarbeitet. Die Untersuchung basiert auf vertieften Interviews mit dem Topmanagement eines Grossteils der Schweizer Versicherer. Nicht abgedeckt wurde der Bereich Krankenkasse. 

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Mehrere Ausrichtungen erforderlich 

«Im Zentrum der Entscheidung zur künftigen strategischen Ausrichtung steht die Frage, wer die Schnittstelle zu den Endkundinnen und -kunden besetzen soll», erklärt Studienleiter Lukas Stricker vom Institut für Risk & Insurance der ZHAW. Die Wahl zwischen den drei Rollen sollten Versicherer für jedes Geschäftsfeld einzeln treffen, da Umfeld und Kundenbedürfnisse unterschiedlich sein können. Allspartenversicherer seien so in Zukunft möglicherweise gezwungen, mehrere strategische Ausrichtungen gleichzeitig einzunehmen. Da die damit verbundenen technischen und personellen Schlüsselfertigkeiten sehr verschieden sind, bestehe die Gefahr der Verzettelung. 

Heute besetzen die meisten Schweizer Versicherer die Kundenschnittstelle in allen Geschäftsfeldern als eigenständige Marke selbst. «Es kann durchaus sinnvoll sein, sich zum jetzigen Zeitpunkt bewusst noch für eine vorläufige Beibehaltung dieses Status quo zu als «Boutique» entscheiden. Wichtig ist aber die Sensibilisierung für die Dynamik im Markt», meint Stricker. 

Ökosysteme verschiedener Unternehmen 

Treiber des Veränderungsdrucks, mit dem sich die Versicherer konfrontiert sehen, sind sich wandelnde Kundenbedürfnisse, der Eintritt neuer Marktteilnehmer in den Versicherungsbereich sowie die zunehmende Vernetzung im Rahmen der Digitalisierung. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen kann sich ein Versicherer beispielsweise dafür entscheiden, in einem Geschäftsfeld mit einem branchenfremden Unternehmen wie einem Detailhändler oder einer Bank zusammenzuarbeiten und diesem die Kundenschnittstelle zu überlassen. 

Als «Factory» fungiert die Versicherungsgesellschaft dann etwa als Risikoträgerin und Schadenabwicklerin, während das Partnerunternehmen gegenüber seinen bestehenden Kunden zusätzlich als Anbieter von Versicherungslösungen auftritt und ihnen zum Beispiel ermöglicht, in einer bereits genutzten App oder im E-Banking auch Versicherungen zu verwalten. 

Ein Beispiel eines «Orchestrators» wäre dagegen ein Versicherer, der für Vorsorge oder Wohnen eine umfassende digitale Plattform betreibt, mit der Kundinnen und Kunden neben Lebens- oder Hausratversicherungen weitere passende Dienstleistungen beziehen können, beispielsweise Anlagen, Hypotheken oder Handwerkerarbeiten. 

Kundensicht ist entscheidend 

Die Wahl der passenden Positionierung als Orchestrator, Factory oder Boutique hängt dabei nicht zuletzt davon ab, welche Bedeutung Kundinnen und Kunden den Versicherern in einem bestimmen Lebensbereich zumessen und wie aus ihrer Sicht Bezug und Verwaltung eines Versicherungsprodukts am einfachsten funktionieren. «Beim Thema Vorsorge zum Beispiel legen Kundinnen und Kunden Wert auf eine gute Beratung und hohe Fachkompetenz. Entsprechend sind Versicherer hier in einer guten Ausgangslage, um sich als direkter Ansprechpartner zu etablieren», erläutert Stricker.

Im Bereich Mobilität dagegen hätten andere Unternehmen eine nähere Beziehung zu den Kundinnen und Kunden. Darum sei es für diese oft bequemer, eine Fahrzeugversicherung direkt über den Autohändler oder -hersteller zu beziehen, so Stricker weiter. Neben der Kundenperspektive beeinflussen auch das vorhandene Know-how, die technischen Ressourcen oder die Bekanntheit eines Versicherers dessen Möglichkeiten für die künftige strategische Positionierung.