Ich plane den Erwerb eines Einfamilienhauses. Was empfehlen Sie: Soll ich kaufen oder lieber noch etwas zuwarten?
Donato Scognamiglio*: Es ist wie beim Heiraten: Wenn es passt, muss man Ja sagen. Doch für viele Leute in der Schweiz stellt sich diese Frage gar nicht erst. Zwar könnten sie heute den Hypothekarzins für ein Haus problemlos zahlen, vielfach scheitert der Kauf aber an den strengen Tragbarkeitsvorschriften.

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Weshalb?
Wer bei einer Bank eine Hypothek über 1 Million Franken aufnehmen will, braucht dafür ein Haushaltseinkommen von 180'000 Franken. Der Berechnung liegt der langjährige kalkulatorische Zins von 5 Prozent zugrunde, sowie ein weiteres Prozent für die Amortisation. Daraus ergibt sich eine theoretische Belastung von 60'000 Franken pro Jahr. Eine weitere Regelung besagt, dass diese einen Drittel des Haushaltseinkommens nicht übersteigen sollte. So kommt man auf 180'000 Franken. Das Einkommen eines durchschnittlichen Haushalts in der Schweiz liegt aber bei 80'000 Franken. Daher gilt: Wenn das Objekt passt, die familiäre Situation stimmt und es auch die Finanzen zulassen, dann sollte man nicht zuwarten.

Und wenn man die ideale Immobilie noch nicht gefunden hat: Wohin wird sich der Markt entwickeln?
Günstigere Objekte sind nach wie vor gefragt. Übersteigt der Preis 2,5 bis 3 Millionen Franken, braucht es Zeit. Denn dazu benötigt ein Käufer, wenn er die Immobilie zu 80 Prozent fremdfinanziert, ein Haushaltseinkommen von fast 400'000 Franken. Begehrt sind kleinere Objekte wie Doppeleinfamilienhäuser oder Stockwerkeigentum. Die Flächen dieser Objekte gehen zurück. Das hat weniger mit Vernunft zu tun als mit der Erschwinglichkeit.

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*Donato Scognamiglio ist CEO und Mitinhaber der Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien AG (IAZI) in Zürich. Er ist zudem als Titularprofessor und Dozent für Real Estate & Finance an der Universität Bern tätig.

Quelle: ZVG

Bei welchen Objekten erwarten Sie verstärkten Preisdruck?
Der Boden in der Schweiz ist begrenzt und teuer und es zieht viele Leute in die Zentren, nahe an ihre Arbeitsplätze und an die gute Versorgung. Daher erwarte ich alles in allem an guten Lagen kaum einen Rückgang. Bei den Eigentumswohnungen dürfte der Trend sogar noch weiter nach oben zeigen, denn solche Objekte kann man in der Regel noch bezahlen. Unter Druck geraten wohl alte Einfamilienhäuser an peripheren Lagen oder auch Ferienhäuser in den Tourismusregionen. Viele junge Leute wollen heute kein Eigentum mehr für Ferien. Schliesslich dürften auch teurere Objekte mit einem Preis ab 2,5 Millionen Franken schwerer wegkommen, da die Finanzierung aufgrund der Tragbarkeitsregelungen sehr schwierig wird.

Sollte man also die Tragbarkeitsregelungen lockern?
Ich habe mehrere Herzen in meiner Brust. Für einen Interessenten ist es schwer nachvollziehbar, wenn er zwar eine Libor-Hypothek über 1 Million Franken für 8000 Franken im Jahr bekommen könnte, das Geschäft aber trotzdem nicht zustande kommt. Die Bank erscheint dann für viele zu Unrecht wie ein Spielverderber. Blickt man jedoch mit etwas Distanz auf das Ganze, so sieht man Gefahren: In der Schweiz sind Hypotheken in der Höhe von 1000 Milliarden Franken offen, also deutlich mehr als das BIP von 600 Milliarden Franken. Und die Immobilienpreise steigen, während die Löhne stagnieren. Aus dieser Optik wird klar: Der Regulator muss warnen. Die Schweizer Bevölkerung ist zudem relativ stark verschuldet. Doch der einzelne Kunde sieht oft nur seinen Haustraum und ist sich der möglichen Risiken oft nicht bewusst.

Wie sieht es aus, wenn ich einen Immobilienkauf nur als Renditeinvestition prüfe?
Sowohl die Finanzmarktaufsicht Finma als auch das Finanzdepartement haben gewarnt und Massnahmen bei der Vergabe von Hypotheken für Renditeliegenschaften gefordert. Deshalb erarbeitet die Schweizerische Bankiervereinigung im Rahmen der Selbstregulierung bis im Sommer Vorschläge für eine Verschärfung der Kreditvergabe bei Renditeobjekten.

Was ist geplant?
Noch ist offen, wie dies aussehen wird. Ich erwarte aber neue Spielregeln, was die Finanzierung von Renditeliegenschaften betrifft. Wahrscheinlich wird man diese nicht mehr zu 80 Prozent fremdfinanzieren lassen dürfen. Auch die Frist, bis eine Schuld auf 65 Prozent amortisiert sein muss, könnte kürzer werden. Alle Massnahmen haben zum Ziel, die Preisentwicklung zu dämpfen. Doch eine wichtige Frage bleibt offen.

«Eine Verschärfung der Regelungen liegt im Interesse des Gesamtsystems.»

Und die lautet?
Was genau ist eine Renditeliegenschaft? Fällt unter diesen Begriff auch eine zweite Wohnung, die sich ein Immobilieneigentümer zur Vermietung gekauft hat? Oder müssen es mehrere Objekte sein? Heute ist die private Vermietung von Immobilien verbreitet, entsprechend viele Parteien wären betroffen.

Was geschieht, wenn die Banken keine neuen Regelungen präsentieren?
Das Finanzdepartement hat bereits angekündigt, dass dann nicht nur das Neugeschäft betroffen sein wird, sondern sämtliche Geschäfte für Renditeliegenschaften, rund ein Drittel der Schweizer Hypotheken, sprich 300 Milliarden Franken. Der Regulator dürfte wohl höhere Eigenmittel verlangen, wodurch das gesamte Geschäft verteuert würde. Die Hypothekarzinsen könnten steigen.

Ist die Reaktion nicht übertrieben?
Nein. Man weiss heute, dass bei jeder zweiten Neufinanzierung eines Mehrfamilienhauses die Mietzinsen nicht mehr ausreichen würden, wenn der Hypothekarzins auf 3 bis 4 Prozent stiege. Das ist gefährlich. So gerne ich es habe, dass alle Geschäfte machen: Eine Verschärfung der Regelungen liegt im Interesse des Gesamtsystems.

Werden die Verschärfungen die gewünschte Wirkung erzielen?
Der Einwurf wird kommen, dass der Schritt zwar gut gemeint ist, aber man die falschen Akteure trifft. Tatsächlich zahlen nicht jene Leute Spitzenpreise, die auf Kredite angewiesen sind, sondern grosse Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen, die gar keine Fremdfinanzierung benötigen. Sie müssen die Erträge der Versicherten anlegen. Sie kaufen auch an Toplagen zu 2,5 Prozent, statt das Geld bei der SNB zu –0,75 Prozent zu parkieren. Zumal sich, wenn der Zins steigt und der Wert der Immobilie zurückgeht, die Schulden ebenfalls reduzieren. Bei Privatanlegern sieht dies anders aus. Der Vorwurf ist daher berechtigt, dass die neuen Regelungen vor allem jene treffen, die ohnehin schwer an Gelder kommen.

Das Problem liegt also bei den institutionellen Investoren?
Nein. Isoliert betrachtet machen alle Akteure ihr Geschäft richtig und gut. Das Problem ist, dass sie alle auf derselben Autobahn unterwegs sind. Wenn es zu einem Unfall kommen sollte, wären alle betroffen. Das Risiko ist heute viel grösser als noch vor zehn Jahren. Und zwar nicht jenes, dass der Zins in nächster Zeit rasch steigt, das erwartet heute niemand. Sollte der Zins aber unerwartet rasch ansteigen, wird der Wertverlust auf den Immobilien viel höher sein als vor einigen Jahren.

«In den vergangenen Jahren wurde zu viel gebaut.»

Wie gesund ist der Immobilienmarkt in der Schweiz?
Alles hängt am Valium Zins. Die SNB macht einen guten Job, aber von aussen betrachtet sind wir einer der grössten Währungsmanipulatoren der Welt. Wir haben Devisenreserven bei der SNB in der Höhe von rund 800 Milliarden Franken und ein BIP von etwa 600 Milliarden Franken. Indem wir Devisen kaufen, halten wir den Franken tief. Davon profitiert die Exportindustrie. Die Zinsrisiken waren aber noch nie so hoch wie heute. Wer Immobilien kaufen will, sollte also vorsichtig sein. Ich würde eher in den Bestand investieren, sanieren, aufstocken und verdichten. Auch damit lässt sich eine ansprechende Rendite erzielen. Und allenfalls sollte man ältere Objekte abstossen.

Immerhin geht der Wohnungsbau zurück. Wie wirkt sich dies auf die Leerstände aus?
Die Branche hat auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert. Allerdings gibt es eine zeitliche Verzögerung von ein bis zwei Jahren. In den vergangenen Jahren wurde zu viel gebaut. Und gekauft werden die Objekte von vielen institutionellen Anlegern – statt für 4 Prozent mangels Alternativen an guten Lagen halt nur noch für 3 Prozent Rendite im Jahr.

Gibt es keine attraktiveren Investments mehr als das Wohnsegment?
Doch, aber es gibt viele Bestimmungen, die institutionelle Investoren dort einschränken, wo sie ihr Geld investieren können. Die Bestimmungen regeln teilweise, in welche Liegenschaftenarten investiert werden kann. Entsprechend tummeln sich alle im gleichen Markt. Stattdessen wäre man in anderen Segmenten froh, würde man Gelder bekommen. Wenn alle dasselbe tun, wird genau dies zum Risiko. Daher müsste die Branche mehr Einfluss auf die Politik nehmen.

Werden die Preise derzeit künstlich hoch gehalten?
Das würde ich nicht sagen. Doch die Verkäufer stehen auch nicht unter Zeitdruck und müssen ihre Preise nicht nach unten korrigieren. Bei den kotierten Gesellschaften wäre es wohl im Interesse der Anleger zur Reduktion der Risiken, wenn man eine gewisse Rotation der Bewerter vorschreiben würde. Denn Bewertungsfirmen haben die Tendenz, die Werte zu glätten.

«Heute werden die Leute geradezu in die Schulden getrieben.»

Wann erwarten Sie die Zinswende?
Ende 2018 glaubte man noch daran. Davon ist nicht mehr viel übrig. Doch das jetzige Niveau ist sehr bedenklich. Es werden heute Konditionen für Finanzierungen angeboten, an denen eine Bank kaum mehr verdient. Dies ist keine gesunde Entwicklung.

Sie sagten im Herbst, dass «für die Mehrheit des Immobilienmarktes eine Korrektur nach zwanzig Jahren bolzen in eine Richtung nicht schlecht wäre». Weshalb?
Ich sprach von einer sanften Entspannung. Eine Abkühlung wäre wünschenswert, nicht aber ein Crash. Dafür ist der Schweizer Immobilienmarkt mit einem Bestand von 3000 Milliarden Franken zu bedeutend. Für die Rückkehr zur Normalität müsste sich die Konjunktur im Euro-Raum erholen, die Zinsen im Euro-Raum ansteigen und der Franken abschwächen. Dann könnte die SNB ihre Devisenreserven langsam abbauen und auf Negativzinsen verzichten. Heute werden die Leute geradezu in die Schulden getrieben. Wenn es so weitergeht, werden immer mehr Sparer auch von Negativzinsen betroffen – zumindest ab einem gewissen Vermögen. Und es könnte durchaus sein, dass die Negativzinsen noch steigen werden.

Weshalb?
Die globale Wirtschaftslage ist sehr volatil. Vor wenigen Monaten erwartete man noch eine Rückkehr zur Normalität in den USA. Heute gilt dies nicht mehr. Es braucht nur eine kleine Unsicherheit in Europa, und alle bringen ihr Geld in die Schweiz.

Donato Scognamiglio: «Das könnte zu sinkenden Preisen führen»

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