Zählen Steaua Bukarest oder Aston Villa zu den Top-Mannschaften im europäischen Fussball? «Wie bitte?», werden die meisten Fussballfans antworten. Doch diese beiden Teams haben je einmal die Champions League gewonnen – ohne Frage eine grosse Leistung. Nicht immer haben also Bayern, Barcelona, Chelsea und Real Madrid diesen Wettbewerb so klar dominiert wie heute.

Ähnlich wie im Fussball ist es an der Aktienbörse. Wichtige Veränderungen geschehen manchmal beinahe unbemerkt. So klammheimlich, dass sie viele Marktteilnehmer oft gar nicht bewusst wahrnehmen. Namen wie Adia, BBC, Ciba-Geigy, Elektrowatt, Jacobs-Suchard, Pirelli, Sandoz, Schweizerischer Bankverein oder Schweizerische Volksbank werden den meisten Börsianern heute nicht mehr viel sagen.

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Fusioniert, unbenannt oder gleich ganz verschwunden

Vor 27 Jahren war dies noch anders. Damals gehörten diese Titel zur Crème de la Crème des helvetischen Aktienmarktes, zu jenen 24 Aktien nämlich, aus denen die Schweizer Börse Six ihren neuen Leitindex SMI konstruierte.

Viele der oben erwähnten Namen sind im Laufe der Zeit aus der Kursliste verschwunden. Dies einerseits als Folge von Übernahmen oder von Fusionen. So bei Ciba-Geigy und Sandoz, die sich zu Novartis fusionierten, oder bei der Bankgesellschaft und dem Bankverein, die mittlerweile unter dem Kürzel UBS firmieren. Anderseits als Folge eines Namenswechsels wie bei Adia (heute Adecco), Holderbank (LafargeHolcim) oder Schweizer Rück (Swiss Re). Ein einziges SMI-Gründungsmitglied ist ganz von der Bildfläche verschwunden: Die nationale Airline Swissair, die 2001 unter viel Lamento den Betrieb einstellen musste.

Der Index geht mit der Zeit – zuerst mit Fusionen...

Die Indexzusammensetzung des SMI spiegelt immer auch die grossen weltwirtschaftlichen Trends. Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren sind Grossübernahmen und Fusionen en vogue. Sie schaffen auch hierzulande zahlreiche neue Börsenschwergewichte: 1988 fusionieren die schweizerische BBC und die schwedische Asea zu ABB, 1992 übernimmt die Schweizerische Kreditanstalt die in Schwierigkeiten geratene Schweizerische Volksbank, kurz darauf auch die Winterthur Versicherungen, und ändert ihren Namen in Credit Suisse. 1996 entsteht aus Ciba-Geigy und Sandoz Novartis, 1997 aus dem Schweizerischen Bankverein und der Schweizerischen Bankgesellschaft die UBS.

Wegen einer Fusion verschwindet auch der Lebensmittelkonzern Jacobs Suchard aus dem Schweizer Leitindex. Das Unternehmen geht zunächst im amerikanischen Philip-Morris-Konzern auf, später im US-Nahrungsmittelkonzern Mondelez.

... dann mit Abspaltungen

Zugleich setzt sich unter den Schweizer Unternehmen die Einheitsaktie durch. Zuvor war es üblich, das Aktienkapital sowohl in Namen- und Inhaberaktien wie zum Teil auch noch in Partizipations- oder Genussscheine aufzuteilen.

Um die Jahrtausendwende sind dann unvermittelt Abspaltungen das grosse Thema. So gliedert Roche die Riechstoff- und Aromensparte als Givaudan aus und Novartis bringt Ciba und Clariant als eigenständige Unternehmen an die Börse. Und nur wenig später legen die britische AstraZeneca und Novartis ihr Agrargeschäft in der Firma Syngenta zusammen. Die Zürcher Beteiligungsgesellschaft Elektrowatt, einst ein Gigant auf dem Schweizer Energiemarkt, wird Ende der 1990er-Jahre in mehrere Einzelteile zerlegt und verschwindet so vom Börsenradar.

Erzwungener Technoboom von kurzer Dauer

Die riesige Technologieblase um die Jahrtausendwende hat ebenfalls Auswirkungen auf den SMI. Um den stark auf die Branchen Lebensmittel, Pharma und Finanzen konzentrierten Index etwas zu «dynamisieren», beschliesst die Schweizer Börse im Jahr 2000, auf ausserordentlichem Weg die Technologiegruppe Unaxis (später Oerlikon-Bührle) und den TV-Verschlüsselungsspezialisten Kudelski in den wichtigsten Schweizer Börsenindex aufzunehmen.

Für beide Titel wird es aber ein kurzes Gastspiel. Nachhaltiger ist die Verstärkung durch die Luxusgüterbranche. 1997 schafft die Swatch Group den Einzug in den SMI, einige Jahre später dann auch Richemont.

In manchem ist der SMI erstaunlich konstant

Das Fazit scheint klar: Beim SMI ist seit der Lancierung kein Stein auf dem andern geblieben. In der Tat tauchen von den SMI-Gründungswerten gerade noch drei, nämlich Nestlé, Roche und Zurich, im aktuellen Blue-Chip-Barometer auf.

Wer genauer hinschaut, bemerkt allerdings bemerkenswerte Übereinstimmungen von heute und damals. Das vor allem bei den Index-Schwergewichten: Heute bringen die grossen vier, also Roche, Nestlé, Novartis (Fusion aus Ciba-Geigy und Sandoz) und UBS (Bankgesellschaft und Bankverein) knapp zwei Drittel der SMI-Gesamtkapitalisierung auf die Waage – also nur 3 Prozentpunkte mehr, als diese damals noch sechs Unternehmen bei der Gründung des SMI Anfang 1988 wogen. Nestlé behauptet sich zudem seit 27 Jahren als Nummer eins im Index, ebenso Roche als Nummer zwei.

Trotz Klumpenrisiko beliebt

Ein Anleger, der sein Vermögen im SMI anlegt, wie es oft empfohlen wird, geht ein erhebliches Klumpenrisiko ein. Die Bereiche Nahrungsmittel, Pharma und Finanzen haben nämlich ein überproportional grosses Gewicht. Als Alternative zum SMI hat die Schweizer Börse deshalb 2007 den Swiss Leader Index SLI eingeführt, der 30 Werte umfasst und in dem ein Titel höchstens mit 9 Prozent gewichtet werden kann.

Die bessere Diversifikation zahlt sich aus: In den Langfristvergleichen über 10 und 15 Jahre hat der SLI die Nase deutlich vorn. Bei den Börsianern ist der SMI trotzdem der mit Abstand beliebteste Index geblieben. Auf keinem anderen Schweizer Index basieren auch nur annähernd so viele Derivate.

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