Der Preis für Gold ist in den vergangenen Tagen auf den tiefsten Stand seit 2010 gefallen. Sie erwarten weitere Verluste. Warum?
Carsten Menke: Wir rechnen auch im nächsten Jahr mit einer Fortsetzung der wirtschaftlichen Erholung, die dann in den USA zu einer ersten Erhöhung der Leitzinsen führen dürfte. Da wir gleichzeitig nicht von einer Beschleunigung der Inflation ausgehen, sollte die Nachfrage der Anleger nach Gold als sicheren Hafen weiter abnehmen und den Preis unter Druck setzen.

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Stützen nicht geopolitische Risiken wie aktuell die Ukraine-Krise oder die Bedrohung durch den IS für gewöhnlich den Goldpreis?
Die Meinung ist verbreitet, dass geopolitische Ereignisse dazu führen, dass Anleger sich ins Gold retten. Wenn man aber beispielsweise den Afghanistan- oder den Irak-Krieg betrachtet, stützten diese Ereignisse den Goldpreis immer nur kurz, am längsten über einen Monat hinweg. Langfristig entwickelt sich der Goldpreis dem Trend folgend weiter. Auch im Falle des Ukraine/Russland-Konflikts zeigte sich der Goldpreis zunächst – im Frühjahr und im Sommer – gut unterstützt, ehe das Interesse am Konflikt zum Jahresende deutlich nachgelassen hat.

Die Wirtschaftslage im Euro-Raum ist alles andere als rosig. Wieso kaufen Anleger trotzdem nicht Gold statt Aktien?
Dazu bedarf es einer tiefergehenden, systemischen Krise, wie wir sie zuletzt im Jahre 2011 in der Eurozone erlebt haben. Momentan ist es eher so, dass das schwache Umfeld in Europa den Euro drückt, damit zur Stärke des Dollars beiträgt und Gold unter Druck bringt.

Wie weit wird der Goldpreis noch fallen?
Wir sehen durchaus noch Raum nach unten und rechnen auf Sicht von zwölf Monaten mit einem Preis von 1100 Dollar pro Unze. Sollte es zu grösseren Verkäufen der Investoren kommen, kann diese Marke durchaus unterschritten werden und der Goldpreis bis unter 1000 Dollar fallen.

Was könnte die Wende bringen?
Die Stimmung im Goldmarkt hat sich stark eingetrübt, was die Möglichkeit einer kurzfristigen Gegenbewegung bietet. Diese könnte beispielsweise von einer Abschwächung des Dollars ausgehen, den wir aktuell für überbewertet halten. Meist bewegt sich der Goldpreis in entgegengesetzter Richtung zum Dollar. Insgesamt weist der Goldpreis auch aktuell eine sehr hohe Sensitivität zur Entwicklung des Dollars und damit zur wirtschaftlichen Entwicklung in den USA auf.

Inwiefern könnte die Goldinitiative Einfluss haben?
Aktuell scheint der Goldmarkt nicht von einer Annahme der Initiative auszugehen. Dementsprechend würde ein unerwartetes Ja die Entwicklung komplett auf den Kopf stellen. Weil die SNB im grossen Stil Gold kaufen müsste, würden Investoren versuchen, der Nationalbank zuvorzukommen und dem Goldpreis direkt nach der Annahme der Initiative Auftrieb verleihen.

Gibt es auch Spekulationen im Vorfeld der Abstimmung?
Bisher höchstens vereinzelt. Dies würde sich wohl ändern, wenn die Umfrageergebnisse drehen und auf ein Ja hindeuten würden. Dann würde die spekulative Nachfrage nach Gold anziehen und schon vor der Abstimmung zu höheren Preisen führen.

Welche Alternativen zu Gold sehen Sie bei den Rohstoffen?
Platin und Palladium leiden derzeit unter den tiefen Gold- und Silberpreisen, obwohl diese Märkte weniger durch die Anlegernachfrage bestimmt werden und auch nicht als sichere Häfen gelten. Stattdessen ist die industrielle Nachfrage bestimmend, insbesondere aus dem Bereich der Autokatalysatoren. Hier dürfte die Nachfrage weiter zunehmen und auf Sicht das Angebot übersteigen.

Carsten Menke ist Rohstoffanalyst der Bank Julius Bär.