Der 20. April 2018 war ein Tag für die Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Zum ersten Mal seit über drei Jahren schwächte sich der Franken zum Euro auf 1.20 ab. Es war ein psychologisch wichtiger Moment für alle Schweizer Exportunternehmen. Seit Anfang 2015 hatten sie wegen der Stärke des Franken auf Marge verzichten müssen. Tausende von Jobs gingen in der Industrie verloren, weil die Unternehmen Jobs ins Ausland verlagerten, einsparten oder durch Roboter ersetzten.

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Im Frühling standen die Chancen gut, dass es nicht bei diesem einen Tag im April bleiben würde: Reihum sagten Devisenexperten bis zum Sommer einen erneuten Kursverlust des Franken zum Euro auf 1.20 voraus.

Bekanntlich sind diese Prognosen nicht eingetroffen, und auch im kommenden Jahr dürfte eine derart schwache Schweizer Währung der Wunschtraum der Exporteure bleiben. Das zeigt die Nachfrage bei zwei Banken: Die Bank Vontobel erwartet bis in zwölf Monaten einen Kurs von 1.17 zum Euro. Die St. Galler Kantonalbank sagt sogar 1.10 voraus.

Die Politik

2019 dürfte der alte Gegensatz zwischen dem Franken und dem Euro wieder stärker zum Tragen kommen: Der Frankenkurs profitiert von der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz. Und der Euro leidet weiter unter seinem Geburtsfehler: Weil die Euroländer nur eine Zentralbank, aber keine weiteren Institutionen teilen, reagiert der Euro stark auf politische Unsicherheit. Und Unsicherheit in der EU scheint 2019 programmiert. Italien streitet sich weiterhin mit Brüssel über sein Budget, und Grossbritannien soll die  EU im Frühling verlassen. Es steht auch ein wichtiges Wahljahr bevor. Unter anderem wird das europäische Parlament neu bestimmt. Populistische Parteien könnten deutlich an Sitzen gewinnen.

ROME, ITALY - NOVEMBER 14:  Italy's Interior Minister Matteo Salvini attends the "Maurizio Costanzo Show" at Voxson Studios on November 14, 2018 in Rome, Italy.  (Photo by Ernesto Ruscio/Getty Images)

Matteo Salvini: Der italienische Innenminister führt mit seiner Regierung einen Konflikt mit der EU.

Quelle: 2018 Ernesto Ruscio

Die Konjunktur

Auch die  konjunkturelle Entwicklung spricht nicht für einen starken Euro. Anfang 2018 war die europäische Wirtschaft noch stark gewachsen. Im Sommer hatte das Tempo aber bereits nachgelassen. Über das ganze Jahr gesehen wird die Schweiz nun sogar stärker wachsen als der Euro-Raum. Auch im nächsten Jahr werden sich die beiden Wirtschaftsräume voraussichtlich ähnlich entwickeln.

Die Währungshüter

Bleibt der Blick auf die Geldpolitik: Die meisten Experten erwarten weiterhin eine erste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank für kommenden Herbst. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird wahrscheinlich kurz danach ebenfalls den Leitzins anheben. Es wird also keine anhaltende Zinsdifferenz entstehen, die den Euro aufwerten würde. Falls die EZB anders als derzeit erwartet die Zinswende verschiebt, könnte die SNB aus Sicht einiger Experten sogar zuerst handeln und den Leitzins erhöhen. Das würde den Franken zusätzlich stärken.

Thomas Jordan, Chairman of the Governing Board of the Swiss National Bank, during an interview at the headquarters of the Swiss National Bank in Zurich, Switzerland, on April 4, 2018. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Thomas Jordan, Praesident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, waehrend eines Interviews am 4. April 2018 am Hauptsitz der Schweizer Nationalbank in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

SNB-Chef Thomas Jordan: 2019 wird er womöglich den Leitzins anheben.

Quelle: © KEYSTONE / GAETAN BALLY

Ein Kurs von 1.2 ist also nicht wahrscheinlich. Doch muss die Schweizer Wirtschaft umgekehrt wieder eine Rückkehr der Frankenstärke fürchten? Hier kommt erneut die SNB ins Spiel: In der Vergangenheit hat die Schweizerische Nationalbank immer Euro aufgekauft, wenn der Franken zu stark werden drohte. Aus Sicht des Devisenexperten Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank sind die Voraussetzungen dafür noch lange nicht gegeben: «Der Franken müsste mindestens unter 1,08 fallen oder sich plötzlich stark abwerten, dass die SNB intervenieren würde. Eine schleichende Abwertung wird die Nationalbank vorerst gelassen verfolgen», sagt Stucki.

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