So günstig wie gestern Donnerstag war der Franken zum Euro seit Anfang 2015 nicht mehr: Kurzzeitig kostete eine Einheit der EU-Währung 1,1892 Franken. Damit wird eine Umschreibung aktuell, die etwas abgedroschen tönt: die der «psychologisch wichtigen Marke». Der Franken steht kurz davor, die Schwelle von 1.20 zum Euro zu durchbrechen.

 

Der Franken würde damit unter die Grenze fallen, welche die Schweizerische Nationalbank dreieinhalb Jahre als Mindestkurs definiert hatte. Der SNB gelang es während dieser Zeit nur dank riesigen Devisenkäufen, den Frankenkurs tief zu halten – jetzt wertet sich die Schweizer Währung ohne Zutun der Nationalbank so stark ab.

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Der faire Wert rückt näher

Aus Sicht der UBS könnte der Franken schon im Spätsommer unter 1,20 fallen. Für Anfang 2019 hält sie sogar einen Kurs von 1,22 Franken pro Euro für möglich. Auch die Bank Vontobel rechnet mit einer weiteren Abwertung auf 1,20 bis zum Sommer. Dieser Stand von 1,20 entspricht aus Sicht der Bank auch in etwa dem fairen Wert des Franken. Vontobel-Spezialist Sven Schubert hält für möglich, dass die Schweizerische Nationalbank ähnlich rechnet – und den Franken nicht mehr wie bis anhin als «hoch bewertet» bezeichnet. «Deshalb ist der psychologische Effekt dieser Schwelle von 1,20 zurzeit besonders wichtig.»

 

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SNB-Chef Thomas Jordan: Die Schweizerische Nationalbank garantierte dreieinhalb Jahr lang einen schwachen Franken.

Quelle: Keystone

Beobachter sprechen nicht von einer Frankenschwäche, sondern von einer Eurostärke: Die EU-Währung wertet sich auf, weil die Wirtschaft im Euroraum wächst und die Europäische Zentralbank ihre Politik des billigen Geldes langsam aufgibt. Experten erwarten, dass die EZB noch dieses Jahr ihre Anleihenkäufe einstellt und nächstes Jahr erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen erhöht. Die Bank Vontobel sieht auch politische Gründe für die Eurostärke. Mit der Wahl von Präsident Emmanuel Macron in Frankreich im Frühling 2017 seien die politischen Risiken im Euroraum gesunken, sagt Vontobel-Spezialist Sven Schubert.

Devisenanleger bleiben gelassen

Der Franken verliert weiter an Wert, obwohl die Börsenkurse zurzeit wegen der Sorgen vor einem internationalen Handelskonflikt stark schwanken. Die politischen Unsicherheiten haben den Devisenmarkt im Gegensatz zu den Aktienbörsen bislang wenig beeinflusst. «Die Marktteilnehmer sind nicht verunsichert», sagt Devisenexperte Thomas Flury von der UBS. Der FX Volatilitätsindex der Deutschen Bank, welche die Schwankungen in den Devisenmärkten voraussagt, deutet auf eine ruhige Entwicklung hin. Der Index notiert auf dem tiefsten Stand seit drei Monaten.

Die Agentur Bloomberg spekuliert, dass sich der Franken diese Woche wegen der US-Sanktionen gegen Russland abgewertet hat. Oligarchen hätten im grossen Stil Franken verkauft, um schnell an Geld zu kommen. UBS-Experte Flury und Gero Jung, Chefökonom der Bank Mirabaud, halten wenig von diesen Gerüchten. Flury sagt: «Die Frankenabwertung findet in Stufen schon länger statt.»