Angefangen hatte die Erfolgsstory in der Küche einer kleinen Genfer Mietwohnung. Jean-Pierre Etter bastelte jahrelang zwischen Herd und Arbeitsplatte an Elektrokomponenten herum – bis ihm 1972 der grosse Wurf gelang: Ein Stromwandler für Trolleybusse. Er gründete seine Firma Liaisons Electro-Méchaniques, die später unter der Kurzform LEM weltweit bekannt wurde. 13 Jahre später wagte Etter den Gang an die Börse – ein Schritt, den er bis heute nicht bereuen sollte. Mittlerweile ist die in Freiburg domizilierte Firma einer der global führenden Elektrokomponentenhersteller – und der heimliche Star an der Schweizer Börse. Denn kein anderer Titel entwickelte sich in den letzten Jahren auch nur annähernd so gut wie LEM.

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Seit 2004 hat sich der Börsenwert von LEM mehr als verzwanzigfacht. Wer also bis Ende 2014 10'000 Franken in diesen Titel steckte, hält heute mehr als 200'000 Franken in den Händen. Als Produzent von Geräten zur Messung elektrischer Spannung ist LEM ein klassischer Nischenhersteller. Damit steht das Unternehmen exemplarisch für die Mehrheit jener Unternehmen, deren Aktien in der vergangenen Dekade die beste Performance an der Schweizer Börse erzielt haben.

KMU als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft

Bei vielen dieser Titel handelt es sich um sogenannte Small und Mid Caps, also Firmen mit kleiner oder mittelgrosser Marktkapitalisierung. Unter den besten Langfrist-Valoren finden sich etwa der Zürcher Klima und Fertigungstechnikkonzern Walter Meier, der Spezialkunststoffproduzent Ems-Chemie sowie die Titlis-Bergbahnen. Die Top Ten der besten Langzeitperformer zeigen zweierlei: Zum einen, dass die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) nicht nur das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, sondern auch an der Börse die wahren Werte darstellen. Natürlich eignen sich auch Schwergewichte wie Nestlé oder Roche für langfristige Investments. Aber sie werfen weniger Rendite ab als die spezialisierten, kleineren Langzeit-Stars. Ihr Vorteil ist: Sie haben häufig stark spezialisierte Geschäftsmodelle. Das macht sie in vielen Nischen zu Marktführern.

Zum anderen zeigt sich, dass «Buy and Hold» – also das Kaufen und Halten von Aktien über einen längeren Zeitraum – sehr wohl rentabel sein kann. Vor allem die Schweizer Börse bietet viele Qualitätsaktien, die ihre Stärken erst über einen längeren Zeitraum entfalten können – wie zum Beispiel LEM. Die Aktie dümpelte lange Zeit richtungslos herum. Erst ab der Jahrtausendwende erkannten die Anleger den Wert der Firma – und der Aktienkurs stieg rapide an.

Das Buffett-Prinzip

Die Buy-and-Hold-Strategie ist das Paradebeispiel für ein Langfrist-Investment. Man kaufe sich ein diversifiziertes Portfolio zusammen, kümmere sich nicht um kurzfristige Markttrends und tue anschliessend – einfach nichts. Die Idee dahinter: Anleger müssen risikoreiche Wertpapiere wie Aktien über einen längeren Zeitraum behalten, um zwischenzeitliche Verlustphasen ausgleichen zu können.

Denn fundamental solide Titel schneiden im langfristigen Mittel fast immer besser ab als andere Aktien. Der Kurs vieler Aktien entwickelt sich zum Teil erst über Jahre hinweg positiv. Ein Beispiel ist der Pharmariese Novartis. Dessen Aktienkurs bewegte sich während Jahren kaum, bis er vor zwei Jahren wieder zum Leben erweckt wurde. Nun wird Novartis wieder weitherum empfohlen, Analysten raten klar zum Kauf und bescheinigen ihm enormes Aufwärtspotenzial.

Buy-and-Hold funktioniert

Buy-and-Hold lebt – auch wenn das Prinzip des Kaufens und Haltens in den vergangenen Jahren immer wieder für tot erklärt wurde. Viele Privatanleger verliessen sich lieber auf die gegenteilige Börsenweisheit «Timing ist alles» und versuchten, durch regelmässiges Umschichten den richtigen Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt für ihr Investment zu erwischen. Angesichts stark schwankender Märkte schien das der lukrativere Weg zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen haben aber immer wieder gezeigt, dass Buy-and-Hold funktioniert und Investmententscheidungen auf Grundlage eines Markttimings weniger Rendite einbringen als langfristig angelegte Investitionen.

Nicht nur Zahlen, auch Beispiele wie Warren Buffett beweisen das: Der amerikanische Starinvestor ist einer der erfolgreichsten Buy-and-Hold-Strategen überhaupt. Buffett kauft gezielt Titel, die aus seiner Sicht vom Markt unterbewertet werden. Dann hält er diese so lange im Portfolio, bis er sie mit dem gewünschten Gewinn verkaufen kann. Diese Strategie hat ihn zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht.

Attraktiv für Privatanleger

Buy-and-Hold eignet sich besonders gut für den langfristigen Vermögensaufbau und ist besonders für Privatanleger attraktiv. Denn es muss relativ wenig Kapital eingesetzt werden. Es erspart, sich ständig mit Markttrends auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass häufiges Umschichten zu enormen Kosten führt, da immer Transaktionsgebühren anfallen. Es ist für Privatanleger auch schwierig, das Börsengeschehen permanent im Auge zu behalten und somit den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt für ihr Investment auszumachen.

Nicht nur aus Kosten- und Zeitgünden ist die Buy-and-Hold-Strategie für Anleger überaus sinnvoll. Was bei Aktieninvestments unter dem Strich zählt, ist der Total Return – die Gesamtrendite. Diese besteht nicht nur aus Kursgewinnen, sondern auch aus Dividendenzahlungen. «Anleger fokussieren sich oftmals nur auf die Kursentwicklung einer Aktie. Dabei vergessen sie, dass Dividenden über die Jahre einen substanziellen Anteil an die Gesamtrendite einer Aktie liefern», sagt Fondsmanager Peter Stenz von Swisscanto. Vor allem bei jenen Firmen, die ihre Gewinnausschüttung ständig erhöhen. Zum Beispiel Nestlé, die seit 18 Jahren permanent ihre Dividende erhöhen. Oder Roche, die ihre Ausschüttung über die letzten Jahre um über 200 Prozent gesteigert hat.

Dividende für Aktienzukäufe nutzen

Mit der Dividende können Anleger auf zweierlei Weise verfahren: Entweder sie streichen die Zahlung ein. Dafür fallen allerdings Steuern an. Oder sie reinvestieren die Dividende, nutzen also die Ausschüttung für den Kauf neuer Aktien. Mit dieser Strategie lässt sich die Rendite einer Aktie maximieren: Steigt sowohl die Dividendenrendite als auch die Anzahl der Aktien im Depot an, bringt dies den Anlegern unter dem Strich mehr Rendite als regelmässige Dividendenzahlungen bei gleichbleibender Aktienzahl.

Anleger, die sich für Buy-and-Hold entscheiden, müssen in jedem Fall Geduld und starke Nerven mitbringen. «Viele Investoren halten die Strategie nicht durch und steigen zu früh aus, wenn es am Markt mal turbulent wird», sagt Marco Herrmann. Er ist Geschäftsführer von Fiduka, einem der ältesten unabhängigen Vermögensverwaltern Deutschlands, der vom Börsenguru André Kostolany mitbegründet wurde. Er war dafür bekannt geworden, lange an seinen Aktien festzuhalten.

Herrmann warnt deshalb davor, sich von kurzfristigen Schwankungen aus der Ruhe bringen zu lassen. Schwächephasen einer Aktie müssen durchgehalten werden. Der oft zitierte Satz von Buy-and-Hold-Anhänger Kostolany scheint also nach wie vor zu stimmen: «Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie ein paar Schlaftabletten. Wenn Sie wieder aufwachen, werden Sie reich sein.»

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