Langfristig betrachtet, könnte fast der Eindruck entstehen, der ATX sei eine Einbahnstrasse. Der österreichische Leitindex notiert 3000 Punkte oder 60 Prozent unter seinem Allzeithoch aus dem Jahr 2007 von 4981 Punkten. Kaum ein anderer Aktienmarkt in Europa hat sich damit in den letzten Jahren so schwach entwickelt wie die Börse Wien. Der EuroStoxx 50 mit vielen Mitgliedern aus Krisenländern wie Italien, Spanien und Portugal und mit dem Sorgenkind Frankreich liegt nämlich nur etwas mehr als 30 Prozent unter seinem 2007er-Hoch, und sogar die Börse in Athen liegt  nur 80 Prozent unter den Rekordständen, die vor sieben Jahren erreicht worden waren.

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Anders als in Hellas leidet das Nachbarland jedoch nicht unter einer zähen Rezession. Vielmehr zählt das Land fast schon zu den Musterschülern im wachstumsschwachen Euroraum. Die 2013er-Rezession fand nicht statt – das Wirtschaftswachstum lag bei 0,3 Prozent. Für dieses Jahr rechnet das Bundesamt für Finanzen in Wien mit einem Anstieg des Bruttoinlandproduktes BIP um 0,8 Prozent, für das nächste Jahr wird erwartet, dass die Wirtschaft sogar wieder um 1,2 Prozent zulegen wird. Mit einer konstant niedrigen Arbeitslosenquote um 5 Prozent zählt die Alpenrepublik ohnehin zu den stärksten Ländern in Europa. Und auch die Schuldenquote des Staates bezogen auf das BIP ist mit 77,6 Prozent weit besser als im Euroraum üblich, wo viele Länder inzwischen zu Quoten von weit über 100 Prozent kommen.

ATX – Finanztitel hängen wie ein Klotz am Bein

Das Bild im ATX wird aber etwas verzerrt. Österreich profitierte vor der Finanzmarktkrise vom Boom in Osteuropa. Insbesondere Finanzhäuser wie Raiffeisen Bank International, Uniqa Versicherung und Erste Group waren in der osteuropäischen Region, beispielsweise in der Ukraine, stark vertreten. Die Krise Osteuropas lastete und lastet immer noch entsprechend stark auf den genannten Finanzvertretern. Die Aktien der drei Unternehmen zählen so auch zu den schwächsten Titeln im ATX. Die Raiffeisen Bank notiert 85 Prozent unter dem 2007er-Hoch, Uniqa liegt 70 Prozent zurück und die Aktionäre von Erste Group sitzen auf ähnlich hohen Kursverlusten.

Diese ehemaligen Indexschwergewichte hängen wie ein Klotz am ATX und bremsen die Performance. Viele Anleger neigen deshalb dazu, Kursverlust und schwachen Lauf mit dem Wiener Aktienmarkt zu verbinden und werfen alle Titel in den gleichen Topf.

Überflieger und dennoch günstig zu haben

Oft unbemerkt von der internationalen Finanzgemeinde gibt es im ATX dennoch eine Reihe von Überfliegern und von Aktien, die trotz Kursgewinnen nach wie vor günstig zu haben sind. Während der ATX in den letzten fünf Jahren rund 10 Prozent an Wert verloren hat, verbuchen die Aktien von Schoeller Bleckmann, Flughafen Wien, Andritz und Österreichische Post im selben Zeitraum Kursgewinne zwischen 100 und 120 Prozent.

Angesichts des geringen Interesses internationaler Investoren am österreichischen Aktienmarkt ist die Bewertung dieser vier Highflyer nicht erstaunlich. Trotz des kursmässigen Höhenflugs werden die Titel nämlich für vergleichsweise moderate KGVs zwischen 17 und 19 gehandelt. Und während es bei Österreichische Post (ISIN: AT0000APOST4) obendrein rund 5 Prozent Dividende gibt, besteht bei Flughafen Wien (ISIN: AT0000911805) nach dem Sprung über den Widerstand bei 70 Euro die Chance auf einen schnellen Kursaufschwung zum Allzeithoch aus 2007 von knapp 82 Euro.

OMV und Immofinanz – niedrig bewertet, mit hoher Dividende

Im Vergleich zu den vier ATX-Spitzenreitern sind OMV (ISIN: AT0000743059), Uniqa Insurance (ISIN: AT0000821103), RHI (ISIN: AT0000676903) und Voestalpine (ISIN: AT0000937503) mit KGVs zwischen 7 und 10 wirklich günstig und die günstigsten Aktien im Index. Der Ölriese und Tankstellenbetreiber OMV ist dabei nicht nur das günstigste Mitglied im ATX, sondern der Konzern aus Wien bietet seinen Anlegern obendrein nachhaltig hohe Dividenden um 5 Prozent.

Nach dem Kursrückgang seit Februar um rund 20 Prozent ist übrigens auch die Aktie von Immofinanz (ISIN: AT0000809058) wieder attraktiv. Die Aktie der Immobiliengesellschaft notiert damit nämlich 50 Prozent unter ihrem Net Asset Value von 4,57 Euro je Aktie. Für einen Milliardenkonzern mit einem Börsenwert von 2,7 Milliarden Euro ist dieser Abschlag ungewöhnlich hoch. Anleger setzen nicht nur darauf, dass langsam auch internationale Investoren verstärkt auf diese Unterbewertung aufmerksam werden, sondern auch darauf, dass die für das bis April 2015 laufende Geschäftsjahr 2014/15 geplante Wiederaufnahme der Dividendenzahlung die Rückkehr von Dividendenjägern bringen wird. Für 2013/14 fiel die Ausschüttung wegen des Spin-offs der Tochter Buwog aus, im Jahr davor erhielten Anleger  0,15 Euro je Aktie – entsprechend knapp war mit 6 Prozent die Rendite. Der Einstieg vor der Bekanntgabe der Zahlung – etwa im August 2015 – könnte sich lohnen. Kommt dann auch noch Osteuropa wieder zurück, bekäme die Aktie zusammen mit dem ATX zusätzlichen Auftrieb.