Die Europäische Union zögert: Am Dienstag konnten sich die Aussenminister der 28 Mitgliedsstaaten nicht auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland einigen. Gleichwohl macht die Union Moskau für den Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine mitverantwortlich. Russland hingegen weist alle Schuld von sich und stellt die ukrainische Regierung an den Pranger. Wie auch immer: Eine Lösung des seit Monaten schwelenden Konflikts ist nicht in Sicht. Weiter entfernt denn je ist auch eine Annäherung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. US-Aussenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bemühten sich zuletzt vergeblich um eine Waffenruhe.

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Angesichts der brisanten geopolitischen Grosswetterlage überrascht die Entwicklung an den Kapitalmärkten. Hier herrscht mehr oder minder «Business as usual». Zwar gab der SMI zwischenzeitlich spürbar nach, doch Meldungen, wonach sich die pro-russischen Rebellen kooperativ zeigten und den Flugschreiber der abgestürzten Maschine übergaben, reichten für eine Erholung der heimischen Blue Chips. An der Wall Street notiert der S&P 500 sogar auf einem neuen Allzeithoch. Zum Ausdruck kommt die vermeintliche Gelassenheit der Investoren auch in der impliziten Volatilität. Diese Kennzahl gibt die erwartete Kurschwankungsbreite eines Wertpapiers wider. Beispielsweise misst der VSMI die in Optionen auf den SMI eingepreiste Volatilität. Der auch als Angstbarometer bezeichnete Index bewegt sich aktuell bei weniger als 12 Prozent. Dem steht ein historischer Durchschnittskurs von rund 20 Prozent gegenüber.

Krisenherde: In zwei Richtungen spekulieren

Nach Ansicht von Deutsche Bank Research könnte es noch einige Zeit bei dieser Konstellation bleiben. Allerdings sei die Gefahr einer steigenden Volatilität deutlich grösser als die eines weiteren Rückgangs. In einem Spezialreport beschäftigen sich die Analysten der Bank mit der geopolitischen Grosswetterlage. Sie kommen zum Schluss, dass die Märkte die aktuellen Risiken unterschätzen und falsch bewerten. Die Analysten machen mehrere zentrale Krisenregionen aus. Was den Ukraine-Konflikt anbelangt, sehen sie eine Gefahr für die russischen Gaslieferungen nach Europa. Hingegen könnte eine Zuspitzung im Nahen Osten oder in Nordafrika einen Ölpreisschock nach sich ziehen. In Asien verweist die Studie auf mehrere Problemzonen, beispielsweise sei der Inselstreit zwischen Japan und China eine ernste Bedrohung für die Handelsbeziehungen der beiden Länder.

Deutsche Bank Research skizziert die bestehenden Gefahren. Gleichzeitig geben die Experten konkrete Handlungsempfehlungen dazu ab, wie sich Investoren gegen die erläuterten Risiken wappnen können. Dazu zählen Long-/Short-Strategien. Unter anderem rät die Grossbank, auf steigende Notierungen bei US-Energieaktien und gleichzeitig auf fallende Kurse in den Emerging Markets zu setzen. Auf die gleiche Weise kombinieren die Analysten europäische Aktien, die von einem steigenden Ölpreis profitieren sollten mit Titeln, denen höhere Energiekosten besonders zu schaffen machen würden. Plausibel wirkt auch die Empfehlung, eine Short-Position in Fluggesellschaften einzugehen. Schliesslich würde diesem Sektor neben einem steigenden Ölpreis auch eine Abschwächung der Weltkonjunktur Probleme bereiten.

Absicherung «Marke Eigenbau»

Für Privatanleger ist es nicht ohne weiteres möglich, solche Strategien umzusetzen. Allerdings bietet der Markt für strukturierte Produkte eine Reihe von Instrumenten, mit denen das Portfolio zumindest teilweise gegen eine Eskalation der geopolitischen Gemengelage abgesichert werden kann. Beispielsweise lässt sich mit Hilfe von Put-Warrants relativ einfach eine Versicherung «Marke Eigenbau» konstruieren.

Da kommt Anleger jetzt sogar die niedrige Volatilität entgegen. Da die implizite Volatilität ein zentraler Preisparameter ist, sind diese Papiere momentan vergleichsweise günstig. Derweil ermöglichen Tracker-Zertifikate eine laufzeitunbegrenzte Positionierung in Öl. Leonteq hat Anfang Monat eine Inverse-Struktur auf drei globale Airlines lanciert. Dieses Produkt wirft die Maximalrendite ab, solange Lufthansa, Air France-KLM oder Delta Air Lines in den kommenden Monaten nicht deutlich zulegen.

Im Visier: SMI, Volatilität, Öl und Fluglinien

Je weiter der SMI Mitte Juni 2015 unter dem Strike von 8500 Punkten notiert, desto höher fällt die Tilgung dieses Optionsscheins aus. Aktuell preist die UBS eine Volatilität von 13,40 Prozent in den Kurs ein. Sollte die implizite Schwankungsbreite in den Bereich des historischen Mittelwerts von rund 20 Prozent steigen, würde sich der Warrant bei ansonsten unveränderten Stellschrauben um 40 Prozent verteuern. Achtung: Dieses Absicherungsinstrument verfällt wertlos, falls der Leitindex die Laufzeit auf oder über dem Strike beendet.

Das Commerzbank-Produkt bietet eine direktionale Möglichkeit, kurzfristig auf einen Anstieg der impliziten Volatilität zu setzen. Es bildet den nächstfälligen Terminkontrakt auf den VIX, den Vola-Gradmesser der Wall Street, ab. Allerdings sollten nur erfahrene und aktiv am Marktgeschehen teilnehmende Anleger zu dieser riskanten Strategie greifen.

Kommt es zu einem Ölpreisschock, gewinnt das Partizipationspapier deutlich an Wert. Es bildet die Nordseesorte Brent unmittelbar ab. Beim Basiswert greift RBS auf den RICI-Enhanced-Index zurück. Dieser Gradmesser versucht, den Unwägbarkeiten des Terminmarktes, Stichwort «Contango-Falle», aus dem Weg zu gehen. Der Open-End-Tracker lautet auf die Rohstoffvaluta US-Dollar.

Angesichts der Jahre währenden Börsenhausse sind Inverse-Strukturen zur Mangelware geworden. Leonteq packte kürzlich Lufthansa, Air France-KLM und Delta Air Lines in dieses Auszahlungsprofil. Dabei liegt die Barriere – anders als beim klassischen Barrier Reverse Convertible – deutlich über den Ausgangskursen. Solange keine der drei Aktien entsprechend stark zulegt, ist die Maximalrendite von 10,8 Prozent p.a. fix. Geht dieses Kalkül nicht auf, drohen Verluste.