Der Schweizer Franken habe 90 Prozent seines Werts verloren, seit es die Nationalbank gibt. Das behaupten die Befürworter der Gold-Initiative, über welche die Stimmberechtigten am 30. November entscheiden. Papiergeldwährungen sind nicht werthaltig, sind sie überzeugt. Deshalb könne nur mehr Gold in den Tresoren der Nationalbank die Geldentwertung stoppen. Was ist der Franken wirklich wert? Und ist Gold die bessere Währung?

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1.Der Franken verliert 90 Prozent

526 Kilo Kartoffeln oder 44 Kilo Gruyère oder 47 Kilo Schokolade: So viel konnte sich ein Schweizer Haushalt im Jahr 1914 für eine Hunderternote kaufen. 100 Jahre später trägt der Konsument für das gleiche Geld viel weniger nach Hause, nämlich nur noch 56 Kilo Kartoffeln oder 5 Kilo Käse oder 13 Kilo Schokolade.

Die Kaufkraft des Frankens hat wegen der laufenden Teuerung deutlich abgenommen. Gemessen am Warenkorb, den man damit 1914 kaufen konnte, wäre die Hunderternote heute nur noch 9 Franken und 62 Rappen wert. So gesehen haben die Gold-Initianten recht, etwa 90 Prozent des Frankenwerts hat die Teuerung weggefressen.

Der Vergleich ist allerdings problematisch. Das Warenangebot von 1914 ist mit dem heutigen nicht zu vergleichen. Zwar bekam man damals für seine Franken fast zehn Mal so viele Kartoffeln wie heute, aber sonst nicht viel. Die meisten Produkte und Dienstleistungen, für die der Konsument heute Geld ausgibt, gab es damals noch nicht. Inflationsraten können Qualitätsverbesserungen kaum erfassen. Vor 100 Jahren zählten Infektionen, Tuberkulose oder Lungenentzündung zu den häufigsten Todesursachen in der Schweiz. Heute stirbt daran kaum mehr jemand, die Medikamente kann sich jeder leisten.

2. Papiergeld ist nichts wert

Im Vergleich der Währungen macht der Franken eine hervorragende Figur. Im Jahr 1914 entsprachen 100 Franken 19.31 Dollar, nach Abzug der Teuerung wären sie heute noch 1.72 Franken wert. Die Kaufkraft von 100 Franken in der damaligen Weltwährung, dem Britischen Pfund, beträgt noch 55 Rappen.

«Der Schweizer Franken war bei seiner Geburt nicht unbedingt dafür prädestiniert, zu einer der stabilsten und erfolgreichsten Währungen der Welt aufzusteigen», stellt der Geldtheoretiker und Berner Professor Ernst Baltensperger in seiner Geschichte des Schweizer Frankens fest. Die Gold-Initianten schreiben dies der Golddeckung und danach den hohen Goldreserven der Nationalbank zu: «Das Fundament jeder stabilen Währung sind werthaltige Reserven.»

Doch wie die Geschichte zeigt, sind für die Stärke einer Währung die Geldpolitik und die Wirtschaftskraft eines Landes verantwortlich, nicht die Reserven der Zentralbank. Deshalb wurde der Aufstieg des Frankens als internationaler Anlagewährung nicht etwa gestoppt, als die Nationalbank mehr als die Hälfte ihres Goldes verkaufte. Im Gegenteil, er konnte die internationale Position stärken. Auch der Anteil des Frankens an den Währungsreserven der übrigen Zentralbanken nahm zu.

Die Gold-Initianten glorifizieren die Bindung einer Währung an Gold. «Unter dem Goldstandard herrschte in den USA 130 Jahre Geldwertstabilität», behauptet SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Doch in Bezug auf die Preisstabilität haben Goldwährungen keinen guten Leistungsausweis. Die USA erlebten im 19. Jahrhundert fünf schlimme Deflationsphasen. Die Goldbindung verhinderte ebenso wenig Blasen und Finanzkrisen. Die Währungsgeschichte ist voll von Beispielen, wo Metallwährungen ihren Stabilitätsanker verloren, wie Baltensperger feststellt.

3.Gold schlägt Geld

In der Politsendung «Arena» des Schweizer Fernsehens hielt Lukas Reimann ein «Goldvreneli» in die Kamera. Während Papiergeld laufend an Wert verliere, steigere Gold seinen Wert. Tatsächlich hat sich der Goldpreis seit 1914 mehr als verzehnfacht. 100 Franken angelegt in fünf «Goldvreneli» bringen heute 1050 Franken. Teuerungsbereinigt sind das 101 Franken – die «Goldvreneli» haben also gerade mal die Kaufkraft erhalten.

Gold ist damit als Anlage weder besonders sicher noch besonders rentabel. Aus 100 Franken, die 1914 auf das Sparbuch einer Kantonalbank einbezahlt wurden, sind 100 Jahre später dank Zins und Zinseszins fast 2000 Franken geworden, korrigiert um die Teuerung sind das 186 Franken – weit mehr als aus den «Goldvreneli». 100 Franken investiert in Bundesobligationen ergeben nach Abzug der Inflation sogar 463 Franken, mehr als vier Mal so viel wie Gold.

Gemäss den Indexreihen der Genfer Bank Pictet, die bis 1925 zurückreichen, wären die 100 Franken am besten im Schweizer Aktienindex investiert worden – dank Wertsteigerung und Dividenden wären daraus teuerungsbereinigt über 12 000 Franken geworden.

4.Nichts ist so stabil wie Gold

Gold schneidet nicht einmal unter Berücksichtigung des Risikos besser ab. Denn es bringt nicht nur keinen Ertrag, es ist auch teurer in der Aufbewahrung und schwankt viel stärker im Preis. Gold ist für die Initianten das Nonplusultra an Stabilität. Die Realität sieht anders aus.

Der Wert von Gold hängt ab von der Goldförderung und vom Wert, den ihm die Anleger zuschreiben. Gerade weil Gold keinen Ertrag erwirtschaftet, ist es wie viele andere Rohstoffe vor allem ein Spekulationsobjekt. Wer Gold zu Anlagezwecken kauft, setzt auf starke Preissteigerungen, die ihn für den entgangenen Ertrag entschädigen sollen.

Der Berner Vermögensverwalter Egon von Greyerz, der Geld für die Gold-Initiative sammelt, prognostiziert seit Jahren Hyperinflation und empfiehlt deshalb den Kauf von Gold. Wer im Herbst 2012 seinem flammenden Appell folgte, hat bis heute mehr als ein Drittel verloren. Zwar gab es immer wieder spektakuläre Preissteigerungen, aber eben auch jahrzehntelange Perioden, in denen mit Gold überhaupt keine Rendite erzielt werden konnte.