Seit über zwei Jahren tobt unter Ökonomen und Notenbankerinnen ein Streit darüber, ob der Inflationsschub nur vorübergehend oder längerfristiger Natur ist. Transitorisch oder permanent?, lautet die Frage.

Jetzt wissen wir es: Lange konnte sich die hohe Teuerung nicht halten, sie ist in den meisten westlichen Volkswirtschaften auf ein halbwegs erträgliches Mass gesunken. 1,7 Prozent beträgt die Inflation in der Schweiz, rund 3 Prozent in den USA und in der Euro-Zone. Wenn mit «vorübergehend» Jahre und nicht Monate gemeint waren, dann hat das «Transitorisch»-Lager also recht gehabt.

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Ein kleiner Teil schein permanent

Man kann es aber ebenso gut andersherum sehen: Die Tatsache, dass mehr als zwei Jahre nach den kostentreibenden Lieferengpässen die Inflation immer noch deutlich über Vor-Corona-Niveau ist, spricht doch eher für ein längerfristiges Phänomen. Vorüber ist die Inflation nur bei den Energiepreisen und bei einigen Gütern, wo sogar wieder fallende Preise zu beobachten sind.

Geblieben ist aber eine Art Sockelinflation, die mehr oder weniger unabhängig ist von den Kapriolen an den Ölmärkten und von anderen Angebotsschocks. Sie betrifft vor allem Dienstleistungen und dürfte nur schwer totzukriegen sein, solange das Lohnwachstum so robust ist und genug Menschen bereit sind, die höheren Preise für Ferien und Restaurantbesuche zu bezahlen.

Diese Sockelinflation steht auch für die neuen Inflationserwartungen, die sich in den vergangenen Jahren in den Köpfen festgesetzt haben. Man hat sich ein Stück weit an etwas mehr Inflation gewöhnt. Die Preiserhöhungen von Unternehmen erscheinen ebenso opportun wie die Forderungen der Beschäftigten nach etwas mehr Lohn. Das macht diesen Teil der Inflation so hartnäckig. Und es ist das, was SNB-Chef Thomas Jordan bei jeder Gelegenheit als Zweit- oder Drittrundeneffekte bezeichnet.

Geduld mit Zinssenkungen

Die Notenbanken tun gut daran, diesen Teil der Inflation im Auge zu behalten. Auf ihn können sie mit ihrer Zinspolitik und der Steuerung der Gesamtnachfrage Einfluss nehmen – im Unterschied zu den Lieferkettenproblemen und anderen Schocks auf der Angebotsseite, denen sie machtlos gegenüberstehen.

So gesehen sollten die Zentralbanken jetzt nicht überstürzt die Geldpolitik lockern. Die Zeit für Zinssenkungen wird kommen. Aber vorerst gilt es abzuwarten, wie sich die vergangenen Zinserhöhungen auf das Konsum- und Investitionsverhalten auswirken. Der grosse Inflationsschub ist zwar vorbei, doch ein nachfragebedingter Preisauftrieb hat sich fest eingenistet. Wenn die Notenbanken jetzt, so kurz vor Erreichen der Ziellinie, locker lassen, müssen sie womöglich zu einem späteren Zeitpunkt noch rigoroser durchgreifen.

rop
Peter RohnerMehr erfahren