Die Sparschweine sind voll: Kommt nun der Konsumboom?

Vor einem Jahr befand sich die Welt in einer tiefen Rezession – ausgelöst durch die Corona-Krise und die strikten Lockdowns. Heute ist die Pandemie zwar noch nicht eingedämmt, aber immer mehr Menschen werden geimpft und das Virus kontrollierbarer. Die Frage ist nun, wie schnell die wirtschaftliche Erholung gelingt und wie die Wirtschaft sich am besten ankurbeln lässt. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Konsum, der monatelang eingeschränkt war. Zudem haben die Menschen viel Geld gespart. Doch werden sie den verpassten Konsum nachholen? Oder wie werden sie das gesparte Geld ausgeben? Doppelt so viel gespart Laut einer Auswertung des «Economist» haben die privaten Haushalte in 21 Industrieländern im Corona-Jahr doppelt so viel gespart wie normalerweise. Der «Sparüberschuss» beträgt 3 Billionen Dollar – das entspricht einem Zehntel der jährlichen Konsumausgaben in diesen Ländern. In der Schweiz stieg die Sparquote im vergangenen Jahr auf fast 27 Prozent – von zuletzt unter 20 Prozent. Das entspricht einer Summe von 130 Milliarden Franken – 30 Milliarden mehr als in einem normalen Jahr, so die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (Kof). Oder anders: Die Menschen sparten unfreiwillig etwa 30 Milliarden. Zwar wurde vermehrt online eingekauft, doch wegen geschlossener Restaurants, Veranstaltungsverboten und Reiseeinschränkungen wurde auf vieles verzichtet. Stimmung wie vor der Krise Und jetzt? Die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten ist bereits wieder so gut wie vor der Krise. Dafür sorgen der verbesserte Konjunkturausblick sowie die sinkenden Arbeitslosenzahlen. So erwartet die Kof ihrer jüngsten Konjunkturprognose eine starke Erholung des Konsums ab dem zweiten Quartal. Ein Konsum-Boom nach der Pandemie sei jedoch eher unwahrscheinlich. Anders sehen es die Ökonomen von Credit Suisse: Sie rechnen beim Konsum mit einem grossen Nachholbedarf. Während die Ausgaben der privaten Haushalte im Corona-Jahr 2020 eingebrochen waren, dürfte sich der Privatkonsum im Laufe dieses Jahres stark erholen. Es wurde sehr viel gespart – laut CS legten die Leute sogar fast doppelt so viel zur Seite wie in normalen Zeiten. Sparten die Schweizer Haushalte im vergangenen Frühjahr während des strengen Lockdowns durchschnittlich 3000 Franken zusätzlich, sind es heute noch rund 880 Franken im Monat, schätzen die Experten. Bei vier Millionen Haushalten in der Schweiz heisst das: 3,6 Milliarden Franken warten darauf, wieder ausgegeben zu werden. Solche Berechnungen sind allerdings heikel, denn die Einkommen sind nicht gleichmässig über alle Haushalte verteilt. Ärmere Haushalte dürften stärker von Einkommensausfällen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sein und werden kaum mehr Geld gespart haben können; obendrein dürften viele nun sogar stärker geneigt sein, wenn immer möglich etwas für schlechte Zeiten auf die Seite zu legen. Wirtschaftsboom durch Konsum Würden die Schweizer Konsumenten das angesparte Geld alles auf einmal ausgeben, würde das einen schieren Wirtschaftsaufschwung auslösen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Menschen alles konsumieren, was sie angespart haben. Denn die Konsummöglichkeiten waren zu lange eingeschränkt und sind somit gar nicht aufzuholen. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie – zumindest bei einigen – zu Verhaltungsänderungen geführt haben könnte: Viele Menschen haben gemerkt, dass sie auch ohne häufiges «Shoppen» gut leben. Ob dies jedoch von Dauer ist, ist nicht absehbar. Nicht alles ist nachholbar Fest steht aber: Es kann gar nicht alles nachgeholt werden, insbesondere keine ausgefallenen Urlaubsreisen, Restaurantbesuche und kulturellen Veranstaltungen. Ein weiteres Indiz: Viele dürften die Corona-Ersparnisse als zusätzliches Vermögen ansehen und nicht als zusätzliches Einkommen. Erwiesenermassen geben Menschen mehr Geld aus, wenn ihr Einkommen steigt und nicht, wenn ihr Vermögen wächst. Daher ist in der Schweiz – anders als in anderen Teilen der Welt, etwa den USA, wo die Regierung mehrfach Geldgeschenke verteilt hat – kein Konsum-Boom zu erwarten.