Die Bahnhofstrasse ist im Ranking der teuersten Einkaufsstrassen um zwei Plätze zurückgefallen. Ist Zürich nicht mehr attraktiv für Luxuslabels?
Marco Feusi*: Nein, das würde ich ausschliessen. Zürich ist gleich attraktiv geblieben, nur haben andere Städte in diesem Jahr stärker zugelegt. Aber die Bahnhofstrasse bleibt im weltweiten Vergleich eine Topadresse.

Überholt wurde die Bahnhofstrasse von Ginza in Tokio und Myeongdong in Seoul. Verlagert sich der Fokus nach Asien?
Ostasien hat im Vergleich zu Zentraleuropa massiv zugelegt. Das hat mit der wachsenden Kaufkraft der Bevölkerung zu tun. Besonders in Tokio sind die steigenden Ladenmieten an Toplagen keine Überraschung, weil Japan gerade aus einer tiefen Depression kommt und der Binnenkonsum stetig ansteigt. Das treibt die Nachfrage nach Luxusgütern. Denn Tokio gilt eigentlich schon lange als Vorzeigemetropole, musste aber seit Anfang der 90er-Jahren untendurch.

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Ausserhalb von Ostasien steht die Bahnhofstrasse gut da?
Ja, aber es gibt auch in Europa stärkere Wachstumsmärkte. Ich denke hier vor allem an Deutschland, Holland und immer mehr auch an Frankreich. Die Nachfrage an den teuersten Einkaufsmeilen wird zum Grossteil vom Tourismus und von der Binnennachfrage bestimmt. Besonders die Präsenz der Finanzindustrie wirkt sich stark aus. So gehören Mitarbeiter von Banken und Versicherungen zu den Topverdienern und können sich beispielsweise teure Uhren und Ähnliches leisten.

Tourismus und Banken: Das tönt nicht gerade positiv für Zürichs Luxusmeile.
Natürlich spürt man die Frankenstärke auch an der Bahnhofstrasse. Wenn die Touristen aus dem Nahen Osten, aus Asien und Russland wegbleiben, sinken die Umsätze. Doch man muss differenzieren. Einige Konzepte funktionieren weiterhin sehr gut.

Was sind denn die Entwicklungen?
Es gibt den Trend hin zu kleineren Ladenflächen. Grosse mehrstöckige Einheiten mit über 1000 Quadratmetern wie bei Zara, H&M und Co. sehen wir immer weniger. Dabei gibt es das Dilemma, dass für kleine Läden eigentlich nur das Erdgeschoss attraktiv ist. Entscheidend sind eine grosse Schaufensterfront für die Sichtbarkeit und ein stufenloser Zugang. Der Apple Store in Zürich ist ein gutes Beispiel dafür, was die Retailmieter wollen.

Gibt es weitere Trends?
Ja, bekannte Luxusmarken, die darauf setzten, dass die Kunden sie bewusst aufsuchen, ziehen eher an die obere Bahnhofstrasse zwischen See und Paradeplatz. An der unteren Bahnhofstrasse siedeln sich dagegen diejenigen Shops an, die auf eine grosse Passantenfrequenz angewiesen sind. 15 bis 25 Prozent der Passanten in diesem Bereich sind auch Konsumenten, die dort etwas einkaufen.

Für welche Marken ist die Bahnhofstrasse am attraktivsten?
Das lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Es sind ja längst nicht nur Luxusmarken, die präsent sind. Was wir aber sehen, ist eine zunehmende Monobrandstrategie der Luxus-Brands. Das heisst, dass beispielsweise Rolex, IWC oder Jaeger-LeCoultre nicht mehr nur in einem Bucherer-Schaufenster vertreten sind, sondern in ihren eigens gebrandeten Läden.

Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die zukünftige Entwicklung der Mietpreise?
Die Mieten von grossen Läden mit entsprechenden Unter- und Obergeschossen werden wahrscheinlich weiter sinken. Im Moment sehen wir keine neuen Konzepte, die grosse Einheiten benötigen würden. Gleichzeitig werden gute Flächen im Erdgeschoss weiter an Gunst gewinnen und die Mieten werden dort steigen. Allerdings wissen wir nicht, wie sich die zunehmende Bedeutung des Onlinehandels auswirken wird. Möglicherweise entscheiden sich internationale Marken künftig häufiger für Flagshipstores an Toplagen, im Sinne einer Werbefläche und zur weiteren Markenbildung, was unter Umständen auch grössere Ladenflächen wieder attraktiver machen würde.

Welches ist eigentlich das beste Objekt an der Bahnhofstrasse?
Wenn man vom Paradeplatz zum Bahnhof geht, ist die linke Strassenseite infolge der Passantenfrequenzen etwas besser als die rechte. Etwas vom Besten ist sicherlich der UBS-Sitz an der Bahnhofstrasse 45. Leider ist dieser keine eigentliche Verkaufsfläche. Top ist natürlich auch das Griederhaus beim Paradeplatz.

* Marco Feusi ist Partner und Verwaltungsrat bei Wüest Partner. Der Architekt und Betriebswirtschafter ist unter anderem Experte für die Bewertung von Einzelliegenschaften und Immobilienportfolios.