Diesen Sommer sorgte der Bahnunfall im deutschen Rastatt wochenlang für Probleme im europäischen Gütertransport. Die siebenwöchige Streckensperrung der wichtigsten Verkehrsverbindung zwischen den Nordhäfen in Europa sowie Mittel- und Südeuropa hat gezeigt, wie stark die Güterversorgung in Europa auf leistungsfähige Verkehrsverbindungen angewiesen ist.

Heute basiert diese schwergewichtig auf dem Warentransport auf Strasse und Schiene. «Damit Letztere auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein kann, braucht es ein Umdenken bei den Bahnen», sagte Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident des Kombiverkehrsoperateurs Hupac, an der diesjährigen Jubiläums-Generalversammlung.

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Veränderungen braucht es aber nicht nur bei den Bahngesellschaften, auch in der Politik und insbesondere in der Verkehrspolitik der einzelnen europäischen Länder sind diese nötig. Schliesslich behindern nach wie vor zahlreiche Gesetze und Vorschriften die effiziente Nutzung des europäischen Schienennetzes für den Güterverkehr.

Viel zu viele bürokratische Hürden

In den vergangenen Jahren erfuhr die Güterversorgung in Europa einen grundlegenden Wandel. Aufgrund der veränderten Bedürfnisse der Konsumenten und der immer arbeitsteiligeren Produktion spielen die Transportqualität und vor allem die zeitnahe Zustellung fast aller Güter eine immer wichtigere Rolle. Die Logistikprozesse entlang der Wertschöpfungskette wurden immer komplexer und ohne eine datenmässige Vernetzung aller Verkehrsträger sind effiziente Transporte nicht mehr zu gewährleisten.

Sollten die Prognosen über das Wachstum des europäischen Güterverkehrs Tatsache werden, stehen die Anbieter effizienter Transportleistungen auf Strasse, Schiene, Wasserweg und in der Luft vor enormen Herausforderungen. Eine zeitgerechte und qualitativ hochstehende Transportleistung kann in Zukunft wohl nur eine rationelle Nutzung der vier Verkehrswege sichern.

Produktivitätsfortschritte verpuffen

Was das Bahnsystem betrifft, so wird dieses nach wie vor durch nationale Grenzen infrastrukturell, operativ und administrativ in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Zwar konnten im Schienengüterverkehr bereits Produktivitätsfortschritte erzielt werden, doch die nationalstaatliche Unternehmenskultur der europäischen Bahnen und die zum Teil hohe technische Komplexität des Schienentransportes beeinträchtigen dessen Wettbewerbsfähigkeit noch immer.

Gleichwohl hat die Schiene Chancen, in Zukunft ihre Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. Die Zukunft des unbegleiteten kombinierten Verkehrs (UKV) hängt von entscheidenden Verbesserungen im europäischen Schienenverkehr ab. Dazu gehört beispielsweise eine international koordinierte Trassenplanung. Moderne Güterzüge müssen in Zukunft durch ganz Europa fahren können, ohne an den Grenzen aufgehalten zu werden.

Längere und schwerere Züge

Der Kombiverkehrsoperateur Hupac schlägt dazu eine international koordinierte Trassenplanung für den Schweiz-Transit auf dem Güterverkehrskorridor BeneluxDeutschlandSchweizItalien vor, mit dem Ziel, die Trassenkapazitäten optimal zu planen und zu vertakten. Zudem müssen die Voraussetzungen für den Einsatz längerer und schwererer Züge geschaffen werden. Derzeit ist eine international abgestimmte Trassenplanung, welche die Produktivitätsfortschritte des Gotthard-Basistunnels an den Markt weitergibt, erst in Ansätzen vorhanden.

«90 Prozent des möglichen Zeitgewinns durch den Gotthard-Basistunnel verpuffen derzeit mit Warten», so Bertschi.

Zahlreiche Engpässe

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Eliminierung der zahlreichen Infrastrukturengpässe. Nur wenn auch in Deutschland ein Upgrade auf 740 Meter lange Züge umgesetzt wird, kann der Schienengüterverkehr vom vollen Produktivitätsgewinn eines leistungsstarken Güterverkehrskorridors profitieren.

«Die Parameter 2000 Tonnen Zuggewicht mit einer Lokomotive, 740 Meter Zuglänge und 4-Meter-Profil sind die Grundvoraussetzungen für einen wirtschaftlichen Betrieb des kombinierten Verkehrs», sagt Bertschi. Doch weiterhin gibt es in Deutschland und in Belgien Einschränkungen bei der Zuglänge und in Italien beim Zuggewicht.

Zankapfel Trassenpreise

Inzwischen stehen in Italien Bauarbeiten an. Seit Mitte Juni dieses Jahres ist die Luino-Linie für sechs Monate gesperrt, um den Ausbau dieser wichtigen Zufahrtstrecke zum Gotthard-Basistunnel zu ermöglichen. Hupac rechnet deshalb für das zweite Halbjahr 2017 mit einem leichten Rückgang des Transportvolumens auf der Nord-Süd-Achse. Relevant ist zudem ein intensiverer Datenaustausch unter den Kombiverkehrsoperateuren. Hier sollen die modernen Möglichkeiten der Digitalisierung entscheidend dazu beitragen, den Schienengüterverkehr effizienter zu gestalten.

Ein wichtiges Traktandum im europäischen Schienengüterverkehr ist schliesslich die Diskussion um die Trassenpreise. Mit Blick auf die Schweiz muss festgestellt werden, dass der Bund beziehungsweise die Verkehrspolitik stetig eine weitere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene fordert, diese Verlagerung aber wieder durch hohe Trassenpreise behindert. Begründet werden die Trassenpreise unter anderem mit dem Verschleiss, den die Güterzüge und Lokomotiven an der Infrastruktur verursachen.

In der Schweiz sind die Trassenpreise im Vergleich zu Deutschland rund doppelt so hoch. Dass der Verschleiss der Schweizer Schienen allerdings doppelt so hoch sein soll wie etwa in Deutschland, ist nicht nachvollziehbar. Nach Ansicht von Hupac wäre eine Halbierung der Trassenpreise, wie sie derzeit in Deutschland diskutiert wird, eine sinnvolle Massnahme zur Effizienzsteigerung des Schienengüterverkehrs.

 

SÜDHÄFEN

Route über Italien als attraktive Option

Weshalb eine einfache Lösung wählen, wenn es auch kompliziert geht? Auf diesen Gedanken kommt man, wenn man die Warenströme aus Asien nach Europa analysiert. Jeden Tag werden Tausende von Tonnen Güter unterschiedlichster Art auf dem Seeweg durch das Mittelmeer um Europa herum in Richtung der Nordhäfen Rotterdam, Amsterdam oder Hamburg transportiert. Von diesen oft überfüllten Nordhäfen werden die Güter in Containern oder Wechselbehältern an ihr Ziel in Europa weiterbefördert. Container für Südeuropa beispielsweise werden von den Nordhäfen bis zu 2000 Kilometer transportiert. Zu diesem Umweg gibt es Alternativen: die Südroute über italienische Häfen. Mit dieser Variante kann auf den Umweg um ganz Europa verzichtet werden. Transportzeit und Transportdistanz werden deutlich kürzer.

Von den italienischen Häfen Genua, Savona, Vado Ligure und La Spezia erreichen Container auf wesentlich kürzeren Wegen ihren Bestimmungsort in Europa. In den vergangenen Jahren haben die italienischen Häfen erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Südroute als Transportweg von Asien attraktiver zu gestalten. Verschiedene global tätige Logistikdienstleister sind derzeit dabei, in den Südhäfen Italiens die Infrastruktur deutlich auszubauen.