EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will es Ratingagenturen künftig notfalls verbieten, Urteile über kriselnde EU-Länder zu veröffentlichen. Das berichtet die «Financial Times Deutschland». In einem vertraulichen Vorabentwurf für eine Reform des Gesetzes zu den Ratingagenturen schlägt Barnier vor, dass die neue Wertpapieraufsicht ESMA das Recht erhält, die Veröffentlichung von Einschätzungen über die Zahlungsfähigkeit «vorübergehend zu untersagen». Der Entwurf liegt der «FTD» vor.

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Der Kommission geht es um Staaten, die über Finanzhilfen verhandeln - etwa Gelder aus dem EU-Rettungstopf EFSF oder vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Ein Verbot könne verhindern, dass ein Rating in einem «unangebrachten Moment» kommt, «mit negativen Folgen für die Finanzstabilität des Staates und möglichen destabilisierenden Effekten auf die Weltwirtschaft», heisst es im Entwurf.

Barnier: Lage nicht immer richtig eingeschätzt

Barnier ist der Überzeugung, die Ratingagenturen schätzten in so einem Moment die Lage nicht immer richtig ein, und fordert deshalb die Möglichkeit eines Bewertungsverbots. Derzeit erhalten Griechenland, Irland und Portugal EU- und IWF-Geld. Viele Experten spekulieren aber, dass mittelfristig weitere Länder Hilfe brauchen - etwa Italien und Spanien.

Inwieweit dann die neuen Regeln greifen, hängt davon ab, wann das Gesetz in Kraft tritt. Barnier hat die Vorlage für spätestens November avisiert. Bis dahin sind Änderungen möglich. Dann müssen noch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen. Vor Herbst 2012 wird es kaum in Kraft treten können.

Damit ein Ratingverbot möglich wird, müssen neben laufenden Hilfsverhandlungen eines Staates weitere strikte Kriterien erfüllt sein. So müssen durch die Bewertung Probleme in anderen Ländern drohen oder das EU-Finanzsystem als Ganzes gefährdet sein. Die ESMA soll sich zudem mit anderen Aufsehern abstimmen.

Rating-Überprüfung mindestens halbjährlich

Barnier will Ratings auf Staatsanleihen auch generell verbessern. Die Bonitätswächter sollen ihre Einschätzungen mindestens alle sechs Monate überprüfen statt wie bislang alle zwölf. Zudem soll die Datenbasis der Urteile transparenter werden. Auch sollen sie erst nach Handelsschluss an den EU-Börsen, aber spätestens eine Stunde vor deren Eröffnung vorliegen.

Insgesamt geht Barnier die Anbieter hart an. So drängt er die 27 EU-Mitgliedsstaaten, sicherzustellen, dass Investoren sie stärker zivilrechtlich zur Verantwortung ziehen können, wenn ihnen durch «mangelhafte Ratings» Schaden entsteht. Für komplexe strukturierte Finanzprodukte sollen ausserdem zwei Ratings vorgeschrieben sein, die Zwangsrotation der von Kunden genutzten Agenturen soll grösseren Wettbewerb sicherstellen.

(vst/rcv/awp)