Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich mit dem Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik weiterhin Zeit. Zunächst halten die Währungshüter unverändert Kurs. Über die Zukunft der Anleihenkäufe wollen sie im Herbst beraten. Das verlangt auch den Schweizer Währungshütern Geduld ab.

Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank, kostet sie das weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen. Zudem steckt die EZB noch bis mindestens Ende Dezember 2017 Monat für Monat 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen.

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Diesen Kurs bekräftigte der EZB-Rat am Donnerstag in Frankfurt. Die Währungshüter lassen sich auch weiterhin die Option offen, das Kaufprogramm bei Bedarf auszuweiten. An den Märkten war zuvor spekuliert worden, dass die EZB diese Option möglicherweise streichen könnte.

«Konjunkturförderung ist nötig»

Der EZB-Rat habe einstimmig entschieden, keinerlei Änderungen an dieser Sprachregelung vorzunehmen, sagte Notenbank-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des Rats vor Journalisten. Die Euro-Hüter wollen laut Draghi im Herbst über ihren Kurs beraten. Der Rat der EZB habe jedoch einstimmig entschieden, kein genaues Datum dafür festzulegen.

«Ein sehr erhebliches Ausmass an Konjunkturförderung ist immer noch nötig», sagte Draghi. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone müsse sich erst noch in höheren Inflationsdaten niederschlagen. Die Teuerung werde für einige Monate auf dem aktuellen Niveau verharren. Dies zeige, «dass es die EZB mit der geldpolitischen Wende nicht besonders eilig hat», kommentierten die Ökonomen der Landesbank Helaba. Die Aktienmärkte reagierten erleichtert.

Schrittweise Anpassungen

Anfang Juni hatte die EZB erste vorsichtige Hinweise für einen Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gegeben: Die Wachstumsrisiken für den Euroraum seien «weitgehend ausgeglichen» statt «abwärtsgerichtet», erklärte Draghi vor sechs Wochen. Zudem strich die EZB die Passage zu möglichen weiteren Zinssenkungen. Ende Juni hatte Draghi von einer «graduellen Anpassung» der EZB-Politik gesprochen. Zugleich bekräftigte er: «Wir brauchen Ausdauer in unserer Geldpolitik

Mit viel billigem Geld versucht die EZB seit Jahren, der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen und zugleich die Teuerung anzuheizen. Angestrebt wird Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent - weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Unternehmen und Konsumenten dazu bringen, Investitionen aufzuschieben - das würde die Konjunktur abwürgen.

Weil die Zeiten einer Inflationsrate nahe Null vorerst vorbei sind und die Konjunktur im Euroraum wieder besser läuft, wächst der Druck auf die Währungshüter, ihren Anti-Krisen-Kurs zu beenden.

Erwartungen für September-Sitzung

Konkrete Schritte erwarten Ökonomen frühestens in der September-Sitzung des EZB-Rates (7.9.). Dann liegen den Währungshütern die neuesten Prognosen der Notenbank zur Entwicklung der Konjunktur und der Teuerungsrate im Euroraum vor. Für das laufende Jahr rechnet die EZB im gemeinsamen Währungsraum bisher mit 1,5 Prozent Teuerung.

Ökonomen erwarten, dass die EZB schrittweise erst das Anleihenkaufprogramm («Quantitative Easing»/QE) zurückfahren wird und dann - womöglich erst 2019 - die Zinsen allmählich anheben wird.

Vor allem aus wirtschaftlich starken Ländern wie Deutschland wurde die Kritik am EZB-Kurs zuletzt wieder lauter. Sparer bekommen kaum noch Zinsen, Banken tun sich mit dem Geldverdienen schwer. Allerdings profitieren auf der anderen Seite Kreditnehmer von günstigen Konditionen - zum Beispiel beim Kauf von Häusern und Wohnungen.

Schweizer im Fahrwasser der EZB

Mit derselben Situation sehen sich auch Schweizer Sparer, Banken und Kreditnehmer konfrontiert. Die nächsten Schritte der EZB werden denn auch von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) genaustens verfolgt. Experten sind sich einig, dass die Schweizer Währungshüter erst dann Spielraum für eine Zinserhöhung erhalten, wenn ihre europäischen Kollegen vorangegangen sind.

Würden die Zinsen hierzulande schneller steigen als in der Eurozone, wären die ohnehin schon gefragten Anlagen in Franken nochmals attraktiver. Genau diese Attraktivität will die SNB schwächen. Denn der starke Franken verteuert Schweizer Produkte und Dienstleistungen gegenüber dem Ausland und belastet damit die Exportwirtschaft. Umgekehrt können Konsumenten günstiger einkaufen und ins Ausland reisen.

Der Euro-Franken-Wechselkurs hatte Mitte Juli erstmals nach 10 Monaten die 1,10-Marke geknackt. Am Donnerstagnachmittag nach dem EZB-Entscheid gewann der Euro weiter an Stärke und kletterte auf einen Kurs von 1,1060 Franken. Das liegt allerdings immer noch deutlich unter dem Mindestkurs von 1,20 Franken, den die SNB im Januar 2015 nach rund vier Jahren aufgegeben hatte. Derzeit stemmt sich die SNB mit Negativzinsen und Devisenkäufen gegen den starken Franken.

(sda/cfr)