Die Inflation in der Euro-Zone zieht immer stärker an und übertrifft sogar den Zielwert der Europäischen Zentralbank. Im Mai nahmen die Lebenshaltungskosten binnen Jahresfrist um 2,0 Prozent zu, wie die Statistikbehörde Eurostat am Dienstag nach einer Schnellschätzung mitteilte. Das ist das höchste Niveau seit Herbst 2018. Volkswirte hatten nur mit 1,9 Prozent gerechnet. Im April lag die Teuerungsrate noch bei 1,6 Prozent. Hinter dem Schub stehen insbesondere die Energiepreise, die im Mai deutlich zulegten.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig knapp unter zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Für sie ist der Anstieg über die Zielmarke hinaus eine grosse Herausforderung. Denn damit dürften die Forderungen nach einer Abkehr von der jahrelangen ultralockeren Geldpolitik lauter werden.

Die Währungshüter haben allerdings erklärt, dass sie den momentanen Preisschub nur als vorübergehend und nicht als nachhaltig ansehen. Bislang gehen die Volkswirte der Notenbank davon aus, dass die Verbraucherpreise in diesem Jahr um durchschnittlich 1,5 Prozent steigen werden. Für 2022 wird mit 1,2 Prozent gerechnet.

Sparer oder Rentenanleger dürften enttäuscht werden

«Nach wie vor wird der Inflationsanstieg besonders von Basis- und Sondereffekten angetrieben», sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. Die EZB werde darauf nicht reagieren. «Eine inflationsseitig ausgelöste Leitzinswende wird noch lange kein Thema sein», glaubt der Experte.

Auch Elmar Völker, Analyst bei der LBBW, rechnet nicht mit einem Kurswechsel: «Wer jetzt als von Negativzinsen geplagter Sparer oder Rentenanleger bereits ein Ende der Niedrigzinspolitik am Horizont sieht, der dürfte enttäuscht werden.» Die nächste Zinssitzung der Währungshüter ist am 10. Juni.

In Deutschland bis 4 Prozent möglich

Auch in Deutschland, der grössten Volkswirtschaft im Euro-Raum, waren die Lebenshaltungskosten zuletzt deutlich gestiegen. Im Mai lag die Inflationsrate dort mit 2,5 Prozent sogar auf dem höchsten Stand seit knapp zehn Jahren. Manche Experten halten sogar einen Anstieg auf vier Prozent im Herbst für möglich.

Teurere Energie ist ein Hauptreiber der Entwicklung in Deutschland und auch im gesamten Währungsraum. In der Euro-Zone schnellten die Energiepreise im Mai binnen Jahrsfrist um 13,1 Prozent nach oben, nach 10,4 Prozent im April. Noch im Februar waren die Energiepreise gesunken. Die Preise für Industriegüter ohne Energie nahmen um 0,7 Prozent zu. Für Dienstleistungen mussten die Verbraucher 1,1 Prozent mehr bezahlen.

Der zugrundeliegende Preisdruck blieb aber im Mai verhalten: Die sogenannte Kerninflation, die schwankungsreiche Komponenten wie Energie ausklammert, lag im Euro-Raum nur bei 0,9 Prozent. Aus Sicht von LBBW-Experte Völker ist die gemässigte Kerninflation eine wichtiger Grund dafür, dass der EZB-Rat den derzeitigen Preisschub nur als ein temporäres Phänomen begreift.

(reuters/gku)