Die Auftragseingänge in der Schweizer MEM-Industrie lagen in den ersten neun Monaten 2020 um 8,6 Prozent tiefer als in der gleichen Vorjahresperiode. Im dritten Quartal erreichte der Rückgang (im Vergleich zum Vorjahresquartal) 4,8 Prozent. Ein ähnliches Bild meldet der Industrieverband Swissmem bei den Umsätzen.

Konkret: Im Zeitraum von Januar bis September 2020 lagen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 11,5 Prozent tiefer; im dritten Quartal betrug der Rückgang 8,4 Prozent. Dabei seien KMU deutlich stärker betroffen als Grossfirmen. 

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Auftragseingang Swissmem-Industrie

Die Entwicklung der Auftragseingänge der MEM-Industrie seit 2014 (Basis: 1.Q. 2001 = 100).

Quelle: Swissmem
Industrie-Umfrage
  • Ein Drittel der KMU in der MEM-Industrie planen Stellenabbau. Mehr hier.

In den Zahlen spiegeln sich vor allem die Dämpfer in der Weltwirtschaft: Die Exporte der MEM-Industrie reduzierten sich in den ersten neun Monaten 2020 im Vergleich zur Vorjahresperiode um knapp 14 Prozent. Dabei entwickelten sich alle wichtigen Absatzmärkte negativ. Für die USA betrug das Minus 13,8 Prozent, für die EU 15,2 Prozent, für Asien 8,9 Prozent.

Auch alle Warengruppen erfuhren Rückgänge. Im Maschinenbau sanken die Exporte um 15,1 Prozent, bei den Metallen um 14,2 Prozent, bei der Elektrotechnik/Elektronik um 10,6 Prozent und bei den Präzisionsinstrumenten um 10,3 Prozent.

«Die vielen Einschränkungen bei Geschäftsreisen dürfen in der Schweiz nicht wieder verschärft werden.»

Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem

Allerdings geht das konjunkturelle Grundproblem über die Coronakrise hinaus: Inzwischen sinken die Auftragseingänge in der MEM-Industrie seit Mitte 2018, also während neun Quartalen hintereinander. Dabei verlor die Branche rund 30 Prozent des Auftragsvolumens.

Tiefpunkt durchschritten?

Der Verband äussert nun aber die Hoffnung, dass der Tiefpunkt im zweiten Quartal durchschritten wurde. Die Auftragslage sei im dritte Quartal immerhin etwas besser, auch die Stimmung der Unternehmerinnen und Unternehmer der MEM-Branche habe leicht aufgehellt. Inzwischen erwarten 38 Prozent für die kommenden 12 Monate höhere Aufträge.

Ein baldiger und nachhaltiger Aufschwung sei allerdings nicht absehbar. «Die Unsicherheiten sind sehr gross», sagt Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher. «Das dämpft weltweit massiv die Investitionsbereitschaft». Bezeichnend sei etwa der Exporteinbruch bei den Werkzeugmaschinen – also einem typischen Investitionsgut. Er betrug 34 Prozent.

Lieber Kredite als à-fonds-perdu-Beiträge

Die MEM-Industrie erwartet also, dass der Liquiditätsbedarf der Unternehmen spürbar steigen wird. In der ersten Covid-19-Welle habe man die Überbrückungskredite nur sehr zurückhaltend beansprucht. Nun aber hofft die Branche darauf, dass das Kreditprogramm reaktiviert werde. «Liquiditätskredite als rückzahlbare Darlehen sind ein 'minimalinvasives' Instrument zur Unterstützung der Firmen», Stefan Brupbacher fordert deshalb: «Das Covid-19-Kreditprogramm muss reaktiviert werden. Für die öffentliche Hand sind sie besser, als die im Rahmen der Härtefallregelung vorgeschlagenen à-fonds-perdu-Beiträge. Diese wären für den Staat definitiv verloren».

Der Swissmem-Direktor fordert weiter, dass die MEM-Betriebe weder kantonal noch national in einen Lockdown gezwungen werden. «Die Industrie war nie ein Verbreitungs-Hotspot und hat die Schutzkonzepte konsequent umgesetzt.» Die grössten Hemmnisse seien allerdings die vielen Einschränkungen bei Geschäftsreisen. «Diese dürfen in der Schweiz nicht wieder verschärft werden», so Brupbacher: Der Bundesrat solle darauf hinwirken, dass Reisen in die internationalen Absatzmärkte möglich bleiben. 

(rap)

Deutschland: Dauerhafter Abbau in der Industrie?

Das Ifo-Institut befürchtet langfristige Schäden für die deutsche Volkswirtschaft durch die Corona-Krise. Das Problem sei die Zurückhaltung bei den Investitionen, warnt Ökonom Joachim Ragnitz in einem neuen Fachartikel,. Diese Zurückhaltung könne dazu führen, dass nicht genügend neue Arbeitsplätze entstünden. Während sich aktuell arg gebeutelte Branchen wie etwa Tourismus oder Gastronomie relativ rasch wieder berappeln dürften, könnten in der Industrie Produktionskapazitäten auch dauerhaft wegfallen.

Verstärkt werde diese Gefahr, da der Bereich einen tiefgreifenden Strukturwandel durchmache. Dieser Wandel werde jetzt durch die Corona-Krise zusätzlich erschwert. 

Corona heisst: weniger Spielraum

Die pandemiebedingten Umsatz- und Gewinnausfälle nähmen Unternehmen den Spielraum, notwendige Investitionen in das Sachkapital zu finanzieren. Von den Banken gebe es in dieser Situation ebenfalls wenig Unterstützung. Überdies sinke der Investitionsbedarf, da viele Anlagen und Maschinen bei weitem nicht ausgelastet seien. Schliesslich dämpfe die Unsicherheit über die Erholung die Investitionsbereitschaft der Firmen. 

Industrie-Unternehmen, die im Zuge der Krise aus dem Markt ausscheiden müssten, würden unter Umständen nicht oder zumindest nicht schnell wieder ersetzt. «Wenn Unternehmen in Deutschland schliessen müssen, kann ihr Marktanteil unter Umständen auch durch ausländische Konkurrenten übernommen werden», so Ragnitz. Die Coronakrise berge somit die Gefahr, dass es zu einer dauerhaften Schwächung der hiesigen Industrie komme. — (Reuters)

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