Die Weltwirtschaft ist auf der schiefen Bahn angekommen. Seit Monaten sind die Konjunkturindikatoren in den allermeisten Ländern rückläufig. Längst sind die Zeiten vorbei, als die Welt noch mit 4 Prozent gewachsen ist. Heute sind wir bei 3 Prozent, morgen vielleicht schon etwas tiefer.

Insbesondere in der Industrie ist es zu einem starken Stimmungsabschwung gekommen. Allen voran ist die Autoindustrie ins Stottern geraten. Nimmt man hinzu, dass auch die Exporte im gesamten Aufschwung seit der Finanzkrise nicht mehr so stark wachsen, sieht die Weltkonjunktur verletzlich aus.

Bedeutet das, dass wir unmittelbar vor einer Weltrezession stehen? Anhand der üblichen vorlaufenden Indikatoren kann man das heute nicht prognostizieren. Natürlich ist die Stimmung der Unternehmen weltweit schlechter als noch vor einem Jahr. Aktuell liegt sie aber auf dem gleichen Niveau wie zuletzt 2015. Das sind zu gute Werte, um wirklich pessimistisch zu werden. Was nicht bedeutet, dass sich die Vorlaufindikatoren nicht weiter verschlechtern könnten. Für die Prognose einer Rezession fehlt aber bis jetzt die empirische Abstützung.

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Klaus W. Wellershoff ist Ökonom und leitet das von ihm gegründete Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners. Er war Chefökonom der UBS und unterrichtet Nationalökonomie an der Universität St. Gallen.

Dabei wäre eine Weltrezession zu diesem Zeitpunkt nichts Ungewöhnliches. Der Aufschwung ist in die Jahre gekommen und die politischen Krisen häufen sich. Einzig die Notenbanken scheinen diesmal ungewöhnlich früh mit beiden Füssen aufs Gaspedal zu treten. In der Tat sah es im vergangenen Winter für die US-Konjunktur ziemlich bedenklich aus. Die tieferen Zinsen – insbesondere am Hypothekarmarkt – scheinen der Bauindustrie aber noch einmal Schwung gegeben zu haben. Das hat das Abgleiten der US-Wirtschaft in Richtung einer Rezession bis jetzt bremsen können.

In Europa und der Schweiz dagegen scheinen angesichts der bestehenden Negativzinsen die Spielräume der Geldpolitik für die Konjunkturunterstützung begrenzt. So wundert es nicht, dass die globale Abschwächung der Industrie die deutsche und die Schweizer Konjunktur besonders belastet. In der Schweiz hält einzig die starke Pharmabranche die Wachstumsraten über der Nulllinie. Die Wertschöpfung des Rests der Schweizer Wirtschaft ist aktuell rückläufig.

«In der Schweiz hält einzig die starke Pharmabranche die Wachstumsraten über der Nulllinie. Die Wertschöpfung des Rests der Wirtschaft ist aktuell rückläufig.»

Da in der Pharmaindustrie aber nur 4 Prozent der Beschäftigten zu finden sind, gilt wohl, dass ein grosser Teil der Beschäftigten mit einer schwachen Wirtschaftsentwicklung konfrontiert sind. Bei seit zwei Jahren fallenden Reallöhnen ist es denn auch kein Wunder, dass die Stimmung der Konsumenten nicht mehr rosig ist und der private Konsum bestenfalls mit dem Bevölkerungswachstum wächst. Auch die Schweizer Konjunktur ist damit in einer prekären Lage.

Die in einer solchen Situation uns Ökonomen wohl am häufigsten gestellte Frage ist: Was wird dann die Rezession auslösen? Ganz ehrlich: Wir wissen das meist gar nicht. Im Nachhinein nennen wir den Auslöser des Abschwungs dann einen Schock: Der Zeitpunkt des Platzens einer Immobilienblase, eines politisch motivierten Erdölpreisanstiegs oder einer Finanzkrise ist mit Genauigkeit kaum zu bestimmen.

In der mathematischen Chaostheorie spricht man davon, dass der Flügelschlag eines afrikanischen Schmetterlings in Europa einen Sturm auslösen kann. Im übertragenen Sinn warten wir also auf den Schmetterling. Dass die Lage reif wäre für eine globale Rezession, ist aber elf Jahre nach Beginn der Finanzkrise an allen Ecken und Enden der Weltwirtschaft erkennbar. Soll niemand sagen, er wäre überrascht, wenn es so weit ist.

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