Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit spiegelt einen Strukturwandel in der Schweiz. Seit 2008 arbeiten immer mehr Menschen statt in industriellen Betrieben in staatsnahen Diensten. Das zeigen die aktuellen Zahlen zum Arbeitsmarkt.  In der Zeit von 2002 bis 2008 hat das verarbeitende Gewerbe die beachtliche Zahl von rund 43'000 Stellen geschaffen.

Doch von 2008 bis 2015 wurden allein in diesem Bereich über 37'000 Stellen wieder abgebaut. In der gleichen Zeitspanne nach der Finanzkrise sind in binnenorientierten Branchen überdurchschnittlich viele Stellen entstanden, so im Gesundheitswesen über 66'000, bei freiberuflichen und wissenschaftlichen Dienstleistungen über 46'000, im Sozialwesen über 44'000 und in der Erziehung fast 42'000 Stellen.

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«Leiser» Strukturwandel 

Im Zeitraum von 2008 bis 2015 sind insgesamt 261'700 Stellen in der Schweiz geschaffen worden - zwei Drittel davon (178'500) allein in sogenannt staatsnahen Diensten, wie gerade im sozialen Bereich oder in der Erziehung. Getrieben wird diese Verlagerung vom starken Franken im Vergleich zum Euro, der Währung der wichtigsten Handelspartner und vor allem von der gedämpften Entwicklung auf den weltweiten Absatzmärkten. 

Die staatsnahen Dienste übernehmen in dieser Situation die Rolle eines stabilisierenden Faktors. Und: «Diese heterogene Entwicklung zeigt einen leisen Strukturwandel hin zum konsumgetriebenen Binnenmarkt», kommentierte Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Seco am Freitag an einer Medienkonferenz zur Lage am Arbeitsmarkt.

Industriejobs gehen verloren 

Die Tendenz zur Verlagerung der Beschäftigung von den exportorientierten zu binnenorientierten Branchen lässt sich auch an den registrierten Arbeitslosen nach Wirtschaftszweigen ablesen. Im Vergleich zum Dezember 2014 waren in der Industrie (zweiter Sektor) 13,1 Prozent mehr Menschen arbeitslos. Im Bereich der Dienstleistungen (dritter Sektor) ist die Arbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum um 7,4 Prozent gestiegen. Traditionell ist der Exportanteil der Industrie höher als der bei den Dienstleistungen. 

Nach Berufen waren besonders die Angestellten der verarbeitenden Industrie überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen, sowie Ingenieure und Angestellte technischer Berufe und Mitarbeitende in Handel und Verkauf. Letztere leiden vor allem unter dem Einkaufstourismus, der Tatsache, dass Schweizer Konsumenten vermehrt im billigeren grenznahen Ausland einkaufen.

Gastgewerbe als Beispiel für Schweizerische Flexibilität 

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung im Gastgewerbe, das zum guten Teil den Tourismus beinhaltet. Hier zeigt sich, dass im Vergleich zum Dezember des Vorjahres die Arbeitslosigkeit mit lediglich 1 Prozent unterdurchschnittlich gestiegen ist, obwohl in diesem Bereich Stellen abgebaut wurden. Weil gerade diese Branche, wie die Exportindustrie, abhängig ist vom starken Franken gegenüber dem Euro, hätte Boris Zürcher hier einen markanten Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet. 

«Das Gastgewerbe kann man als Einstiegsbranche betrachten», versucht er eine Erklärung. Viele Arbeitnehmende seien jung und flexibel. Dadurch hätten sie sehr schnell in anderen Branchen wieder Arbeit gefunden, ohne dass sie die Arbeitslosenstatistik nachhaltig beeinflussten, vermutet der Leiter der Direktion für Arbeit.

Arbeitslosigkeit leicht gestiegen 

Die Auswirkungen des Frankenschocks lassen sich zudem an der Entwicklung der Arbeitslosenquote im Gesamtjahr ablesen. Seit Mitte 2013 lag diese saisonbereinigt fast unverändert bei 3,2 Prozent. Im Verlauf von 2015 ist sie erstmals wieder angestiegen, auf 3,4 Prozent Ende Dezember. Im Jahresdurchschnitt lag sie bei 3,3 Prozent. Das Niveau liegt also über das ganze Jahr betrachtet höher als in den Vorjahren. 

Setzt man diese relativ hohe Arbeitslosigkeit in Bezug zur Zunahme der Beschäftigung im abgelaufenen Jahr, dann zeigt sich, dass das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,8 Prozent und damit verbunden die Zunahme der Beschäftigung um 0,9 Prozent nicht ausreichten, um die Arbeitslosigkeit aufzufangen.

Ein Blick auf die Prognose für 2016 zeigt, dass diese Situation bestehen bleibt. Die Konjunkturprognosen des Bundes gehen für 2016 von einem BIP-Wachstum von 1,5 Prozent aus, die Beschäftigung soll um 0,8 Prozent zulegen und die Arbeitslosenquote auf 3,6 Prozent klettern.

(sda/moh)