Carsharing gilt gemeinhin als sinnvolle Alternative oder Ergänzung zum eigenen Auto. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz fehlt dem Geschäft in der Schweiz ein eigentlicher Schub. Der Individualverkehr wird die umweltfreundlichere Variante auch in Zukunft um Längen abhängen.

Der Motorisierungsgrad in der Schweiz steigt weiter - ökologische Bedenken hin oder her. Gut 17 Prozent mehr Autos als noch vor zehn Jahren und damit insgesamt rund 4,57 Millionen PKWs verkehrten 2016 auf Schweizer Strassen. Die Bevölkerung ist in diesem Zeitraum um knapp 12 Prozent angewachsen. Pro 1000 Einwohner besassen im vergangenen Jahr 543 ein Auto.

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Tropfen auf den heissen Stein

Allein 317'318 Neuwagen wurden 2016 in Verkehr gesetzt. Laut dem Verband Auto-Schweiz dürften die Autoverkäufe 2017 ein ähnliches Niveau erreichen. Wie ein Tropfen auf dem heissen Stein wirken im Vergleich dazu die aktuell rund 3000 Autos der Carsharing-Firma Mobility, mit denen rund 131'000 Kunden auf Schweizer Strassen kurven.

Relativiert werden diese Zahlen auch dadurch, dass sie auf einem kontinuierlichen Wachstum der vergangenen dreissig Jahren beruhen. Das traditionelle, stationsbasierte Carsharing in der Schweiz mit Mobility als einzigem Anbieter wurde damals von einer Handvoll Innerschweizer Idealisten mit der «Auto Teilet»-Genossenschaft aus der Taufe gehoben.

Das Mobilitätsverhalten insbesondere in den Städten hat sich seither verändert. Einige Autobesitzer stellen inzwischen ihr Privat- oder Geschäftsauto anderen gegen Entgelt zur Verfügung. Diese Ansätze sind aber angesichts der mit steigendem Verkehr einhergehenden Umweltschäden eher ernüchternd.

Im Dornröschenschlaf

Der Schweizer Markt für alternative Mobilität befindet sich weiterhin im Dornröschenschlaf. «Wir bauen den Markt nachhaltig auf und erwarten ein positives, stabiles Wachstum auch für die nächsten Jahre», betont etwa Mobility-Sprecher Patrick Eigenmann. Für 2017 rechnet die Genossenschaft mit einem Umsatzanstieg bei leicht rückläufiger Rendite. Der Grund dafür seien Investitionen in neue Geschäftsfelder, insbesondere in selbstfahrende Fahrzeuge.

«Mobility arbeitet zwar gewinnorientiert, aber nicht gewinnmaximierend», betont Eigenmann. Leicht tiefere Gewinne der letzten zwei Jahre erklärt er ebenfalls mit Investitionen in neue Geschäftsmodelle.

Mehr Wettbewerb könnte helfen

Etwas Schub könnte dem Carsharing allenfalls grössere Konkurrenz verleihen, wie die Entwicklung in unserem nördlichen Nachbarland zeigt. In Deutschland ist die erfolgreichste Carsharing-Firma derzeit das von Europcar und Daimler geführte Joint Venture Car2Go.

Zuletzt waren dort über 2,5 Millionen Kunden weltweit registriert. Nach eigenen Angaben arbeitet man in immer mehr Städten profitabel. Die Konkurrenz DriveNow von Sixt und BMW zählt rund 875'000 Kunden und ist in Deutschland seit drei Jahren profitabel.

Internationaler Markt in Aufruhr

«Der internationale Carsharing-Markt ist stark in Bewegung. Neue Anbieter schiessen wie Pilze aus dem Boden», bestätigt der Mobility-Sprecher. Bis jetzt spüre man noch keine konkreten Auswirkungen auf die Schweiz. «Wir sind breit und solide aufgestellt und absolut konkurrenzfähig», so Eigenmann.

In Zukunft dürfte auch die Schweiz für andere Anbieter attraktiv werden. Ob und wann die Konkurrenz auftreten werde, könne nicht abgeschätzt werden. Carsharing verfüge aber über grosses Zukunftspotenzial. Aber 1500 Standorte an bester Lage eröffne man nicht von heute auf morgen.

Ökonomen der Deutschen Bank schätzten vor Kurzem, dass alternative Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing in zehn bis 15 Jahren rund 5 Prozent des motorisierten Individualverkehrs in Deutschland abdecken könnten. Das eigene Auto wird also weiterhin der Normalfall bleiben.

Handel wittert keine Konkurrenz

Für Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener ist diese Prognose «nicht völlig aus der Luft gegriffen». «Carsharing ist für den Autohandel keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung», betont Burgener. Einen Vorteil des Autoteilens sieht er in geringeren Standzeiten der Fahrzeuge. Dadurch erhöhe sich aber der Service- und Wartungsbedarf zugunsten des Autohandels. Zudem müssten auch diese Fahrzeuge gekauft werden.

Nach Ansicht von Burgener befindet sich Carsharing immer noch in der «Startphase». Die unterschiedlichen Modelle - ob durch einen Hersteller oder von Privaten organisiert, oder an einen fixen Standort gebunden oder nicht - müssten sich erst noch bewähren.

Alternativen erproben

Für frischen Wind sorgen in der Schweiz inzwischen neben dem klassischen Carsharing alternative Angebote bei denen Mobility gleich auch selber sehr aktiv mitmischt. Seit 2014 können Mobility-Kunden etwa mit Catch a Car in Basel und Genf die Autos kostenlos auf allen öffentlichen Parkplätzen abstellen. Das Angebot soll auf weitere Städte ausgeweitet werden. Seit einem Jahr sind mit One-Way-Carsharing von Mobility Einwegfahrten zwischen Zürich Flughafen und den Bahnhöfen Zürich, Bern, Basel und Luzern möglich.

In Zusammenarbeit mit den SBB, den Zugerland Verkehrsbetrieben, der Stadt Zug und dem Technologiecluster Zug testet zudem Mobility seit dem Sommer selbstfahrende Shuttles zwischen dem Bahnhof Zug und dem ehemaligen Produktionsstandort der V-Zug. Mobilität mit selbstfahrenden Fahrzeugen sei ein wichtiges Geschäftsfeld der Zukunft, betont der Mobility-Sprecher.

Private als Anbieter

Mobility hält auch eine Minderheitsbeteiligung (7,1 Prozent) an der Carsharing-Plattform Sharoo über die Private und Firmen ihre eigenen Fahrzeuge zu selber festgelegten Preisen vermieten können. Mit diesem sogenannten Peer-to-Peer-System stehen derzeit rund 1500 Autos rund 55'000 Nutzer zur Verfügung. Vor knapp zwei Jahren zählte Sharoo noch rund 700 Fahrzeuge und 15'000 Mitglieder.

Über die Geschäftszahlen geben weder Sharoo-Chefin Carmen Spielmann noch Mehrheitseigner Amag (50,4 Prozent) Auskunft. Zum Sharoo-Aktionariat gehören zudem Migros (19 Prozent) und Mobiliar (22,6 Prozent). Sharoo sei eine Ergänzung zur eigenen Autovermietung Europcar, stellt Amag-Sprecher Dino Graf fest. Man sehe hier Potenzial auf verschiedenen Ebenen aktiv zu sein.

Mit dem Mix aus Erfahrung und Innovationsgeist ergänzten sich Mobility und der Newcomer Sharoo ideal, betont Sharoo-Chefin Spielmann. Mit vereinten Kräften wolle man die Idee des Carsharings und die vermehrte Nutzung der Angebote vorantreiben.

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(sda/cfr/gku)