Tausende Kilometer von Washington entfernt, auf dem staubigen Permian-Ölfeld in Texas, spüren sie nach zwei Jahren Donald Trump einen entscheidenden Unterschied: Die Ventile sind teurer geworden. Jene Bauteile der Pipelines, mit denen die Arbeiter den Fluss des Rohstoffs regulieren. Auch die Leitungen selbst kosten jetzt mehr Geld, ebenso all die Nieten und Gewinde. In einer Gegend, die Prognosen zufolge schon bald mehr Öl als der Irak fördern wird, ist das keine kleine Sache.

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Woran liegt es, dass die Ölfirmen nun höhere Summen ausgeben müssen, um ihre Anlagen zu warten oder neue zu bauen? Viele Manager glauben: an Donald Trump. An den Zöllen, die der US-Präsident verhängt hat. 25 Prozent auf Stahlimporte, zehn Prozent auf Aluminiumeinfuhren, so gilt es seit dem vergangenen Juni.

In der Folge seien die Preise für Pipelines um 26 Prozent gestiegen, heisst es von dem Energieversorger ConocoPhillips. Eine neue Röhre, die das Unternehmen Plains All American Pipeline gerade im Permian-Becken verlegt, wird 40 Millionen Dollar teurer als geplant.

 

WASHINGTON, DC - JANUARY 14: U.S. President Donald Trump answers questions from the press as he departs the White House January 14, 2019 in Washington, DC. Trump is scheduled to travel to New Orleans today to address the American Farm Bureau Federation’s 100th annual convention. (Photo by Win McNamee/Getty Images)

Donald Trump: Er provozierte einen Handelsstreit mit China.

Quelle: 2019 Getty Images

Die US-Preise steigen

Ausgerechnet die Öl- und Gasindustrie, im Jahr 2018 ein Motor des amerikanischen Aufschwungs, leidet besonders hart unter Trumps Protektionismus. Bezahlen, da sind sich US-Ökonomen einig, werden dafür aber am Ende nicht die Firmen, die sich tief in die Böden von Texas, Oklahoma und New Mexico bohren – sondern die Verbraucher. Die Millionen Bürger im Land, die tanken und heizen müssen. Denn an sie werden die Kosten wohl weitergegeben.

Vor zwei Jahren sagte Trump auf den Stufen des Kapitols: «Von heute an wird es nur noch America First heissen, America First.» Der gerade gewählte Präsident versprach in seiner Antrittsrede dem Volk eine glänzende Zukunft, versprach Wachstum, Arbeitsplätze, steigende Löhne, aber was ist daraus geworden? Was hat diese Politik den Amerikanern bisher gebracht? Das Beispiel aus der Öl- und Gasbranche zeigt: vor allem höhere Preise.

«Trumps Aussagen entbehren jeder Grundlage»

Trump lobt sich für die gute Phase, die sein Land zuletzt erlebte. Von einem «historischen Boom» spricht er gerne. Ihm, Trump, sei die «grosse Wende» gelungen, nachdem sein Vorgänger Barack Obama die amerikanische Wirtschaft gebremst habe. Aber ist das so?
«Trumps Aussagen entbehren jeder Grundlage», meinen die Ökonomen Jeff Madrick und Amanda Novello des New Yorker Thinktanks Century Foundation.

In einer Untersuchung, die WELT vorliegt, vergleichen sie die letzten Amtsjahre Obamas mit den ersten Amtsjahren Trumps. Ihr Ergebnis: Was der Republikaner bisher erreicht habe, sei weniger beeindruckend als das, was Obama vor seinem Abtritt gelungen sei.

Weniger neue Jobs

Einige Zahlen, die Trump vorzuweisen hat, wirken zwar auf den ersten Blick beeindruckend. 2017 wuchs die US-Wirtschaft um 2,3 Prozent, 2018 Schätzungen zufolge um 2,9 Prozent. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich: Die ökonomische Bilanz des Tycoons ist längst nicht so aussergewöhnlich, wie er es suggeriert. Im Wahljahr 2016 betrug das Wachstum zwar nur 1,5 Prozent, aber im Jahr zuvor lag es unter Obama ebenfalls schon bei 2,9 Prozent. Nach einer «grossen Wende» sehen Trumps Daten also nicht aus.

Madrick und Novello betonen zudem, dass in der Schlussphase der Obama-Präsidentschaft mehr Arbeitsplätze als in der Anfangszeit Trumps entstanden seien. 2015 kamen demnach jeden Monat durchschnittlich fast 220’000 Jobs hinzu, 2018 nur rund 200’000. Die Löhne sind den Berechnungen zufolge unter Obama zuletzt stark angestiegen, im ersten Jahr Trump dann langsamer, und in seinem zweiten Jahr sanken sie. Es sieht nicht so aus, als sei der 45. Präsident der USA ein besserer Wirtschaftslenker als der 44.

 

WASHINGTON, DC - JANUARY 19: U.S. President Donald Trump stops to speak to reporters as he prepared to board Marine One on the South Lawn of the White House on January 19, 2019 in Washington, DC. Trump is traveling to Dover Air Force Base in Delaware to visit with families four Americans who were killed in an explosion Wednesday in Syria. (Photo by Pete Marovich/Getty Images)

Donald Trump vor dem Washingtoner Obelisk. 2020 muss er sich erneut den Wählern stellen.

Quelle: 2019 Getty Images

Eine Renaissance des Rostgürtels

Trump sagte Amerikas Arbeitern ein besseres Leben zu, er fantasierte von einer Renaissance des Rostgürtels – jener Region im Nordosten der USA, die einst das Herz der Schwerindustrie bildete. All die stillen, verfallenen Stahlfabriken in Michigan, Indiana, Ohio, kündigte Trump an, würden schon bald wieder zischen und qualmen. Erreichen wollte der Präsident das mit Zöllen auf Stahl aus dem Ausland. Hat es funktioniert?

Bedingt. Und nur mit Nebenwirkungen. «Das Ziel der Zölle war es, die amerikanischen Stahlkonzerne zu bereichern», heisst es in einer Studie des Washingtoner Peterson Institute. «Und das gelang – aber zu einem exorbitant hohen Preis.» Den Experten zufolge nahmen die Hersteller tatsächlich mehr Geld ein, fast zweieinhalb Milliarden Dollar. Aber die amerikanischen Nutzer von Stahl – etwa Ölfirmen, Werften, Küchenhersteller, Bierbrauer – hätten 5,6 Milliarden Dollar mehr ausgeben müssen.

Trump muss mit «schwächelnder Wirtschaft» klarkommen

Auch die Autokonzerne, Ikonen der US-Industrie, erlebten unter Trump bisher harte Zeiten. Der grösste von ihnen, General Motors, hatte einen Lauf, man konnte den Gewinn drei Jahre in Folge steigern. Auf dem Heimatmarkt und in China verdiente das Unternehmen so viel Geld wie nie zuvor – bis Trumps Zölle die Preise für Stahl und Aluminium steigen liessen. In der Regel besteht mehr als die Hälfte eines Autos aus diesen Materialien. Mitte des vergangenen Jahres brach der Gewinn von General Motors ein. Analysten erwarten, dass die Amerikaner im kommenden Jahr mehr Geld für neue Autos bezahlen müssen.

Trump verhängte aber nicht nur globale Zölle auf Stahl und Aluminium, sondern auch auf viele Technikprodukte aus China, auf Drucker, Kopierer, Batterien zum Beispiel. Dennoch, so hat es das Peterson Institute errechnet, konnte der Präsident sein Ziel nicht erreichen: nämlich das Handelsdefizit mit der Volksrepublik zu verringern.

Es betrug im vergangenen Jahr Schätzungen zufolge 413 Milliarden Dollar. Das wären zehn Prozent mehr als 2017, in der Zeit vor den Strafzöllen. Trumps Handelskrieg hat bisher offenbar nichts genützt. Chinas Firmen verschickten 2018 noch mehr Güter nach Amerika als 2017. Die Importe aus der Volksrepublik stiegen um sechs Prozent.

Weitere Probleme in Sicht

Ohnehin könnte Amerika vor Problemen stehen. «Es ist wahrscheinlich, dass Präsident Trump in diesem Jahr mit einer schwächelnden Wirtschaft klarkommen muss», sagt Robert Shapiro, Ökonom an der Washingtoner Georgetown University.

Der aktuelle Aufschwung dauere einfach schon zu lange. Auch Trumps Steuerreform aus dem Winter 2017 – neben der Abschottung der heimischen Märkte sein zweites ökonomisches Megaprojekt – könne das nicht verhindern. Die Reform war radikal, mit ihr sanken die Unternehmensteuern von 35 auf 21 Prozent, ein Schritt, wie ihn seit Ronald Reagan niemand im Weissen Haus wagte.

Die Energiepolitik verfehlt die erhoffte Wirkung

«Sicher», meint Shapiro, «die Reform hat das Wachstum angetrieben.» Aber der Effekt sei nur von kurzer Dauer. Das liege auch daran, dass die Unternehmen – anders als erhofft – das frei gewordene Geld nicht zuerst nutzten, um Fabriken zu bauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Stattdessen wurden Dividenden erhöht und verstärkt Aktienrückkäufe getätigt.Neben den Zöllen und der Steuerreform erregte Trump in den vergangenen zwei Jahren noch mit einem anderen Vorhaben Aufsehen: der Lockerung von Gesetzen zum Umweltschutz. Schliesslich hatte der Republikaner den Wählern in Bundesstaaten wie West Virginia und Wyoming ein Comeback der Kohlekraftwerke versprochen. Was ist daraus geworden?

Das Gegenteil trat ein. Im vergangenen Jahr fielen rund 14’500 Megawatt an Kohlestrom weg – fast ein Höchststand, nur unter Obama waren es im Jahr 2015 mit 17.700 Megawatt noch mehr. Ein Megawatt versorgt etwa 1000 Haushalte. Trump kann nicht verhindern, dass Produzenten verstärkt auf das günstigere Erdgas setzen oder auf den Wind und die Sonne. Es ist für die Energiekonzerne einfach unattraktiv, Geld in alte Kohlekraftwerke zu stecken.

Der längste «Shutdown» der Geschichte

Und dann wird von den ersten zwei Jahren Trump noch ein Rekord in Erinnerung bleiben: der bisher längste Shutdown der amerikanischen Geschichte. Seit bald einem Monat arbeiten viele Bundesbehörden nur eingeschränkt, weil sich der Präsident und die Opposition nicht auf neue Budgetgesetze einigen können. In dem Konflikt geht es um die Mauer, die Trump gerne an der Grenze zu Mexiko hätte. Er will nur einen Haushalt unterschreiben, in dem Geld für das Bauwerk vorgesehen ist, mehr als fünf Milliarden Dollar. Die Demokraten lehnen das ab.

Sinkende Chancen auf eine weitere Amtszeit

Der Shutdown ist überall im Land zu spüren. Parks verdrecken, Museen schliessen, in staatlichen Labors werden Experimente abgebrochen. Paare müssen ihre Hochzeit verschieben, weil Standesämter nicht geöffnet haben. Eine besonders dramatische Folge hat der Shutdown für Amerikas Bauern. Viele bekommen Probleme, staatliche Hilfen abzurufen, weil die zuständigen Büros nicht besetzt sind.

Auch können die Landwirte derzeit keine Darlehen von den Behörden erhalten. Aus ihren Verbänden hört man deshalb erste Kritik an Trump. Zumal die Farmer auch unter dem Handelsstreit leiden, da China aus Vergeltung für Trumps Zölle Abgaben auf amerikanische Agrarprodukte verhängte.

Wenden sich die Bauern ab? Dieser wichtige Teil der republikanischen Wählerschaft? Womöglich. Für Trump, der die Amerikaner in den kommenden zwei Jahren überzeugen will, ihn erneut ins Weisse Haus zu bringen, sind das keine guten Aussichten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Trumps hoher Preis für America First».