Bislang hält unser Gesundheitssystem: Der Ansturm auf die Intensivbetten ist auch in dieser Woche ausgeblieben, einige Spitäler melden schon Kurzarbeit an, und der nüchterne BAG-Direktor Koch, längst zum achten Bundesrat aufgestiegen, verbreitet sogar leichten Optimismus («Die stabilen Zahlen sind ein erstes kleines Zeichen, dass die Massnahmen greifen»). Entsprechend dürftig auch der Nachrichtenstrom: Hochkonjunktur haben in diesen Coiffeur-freien Zeiten Do-it-yourself-Haarschneide-Anleitungen und eher spannungsarme Erlebnisberichte aus dem Home Office. Wer Horrorbilder sucht, muss auswärtig schauen. Unser Land liegt komplett lahm.
 
Doch der Stillstand schädigt uns massiv – schleichend. Die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft bilden ein zutiefst beängstigendes Grundrauschen, dazu kommen die Gesundheitsrisiken abseits vom Virus: häusliche Gewalt, Depressionen, Alkohol, aufgeschobene Operationen, Suizide. Der Druck zur Lockerung der Massnahmen steigt mit jeder Stunde. Doch noch gibt es kein Signal vom Bundesrat: Nicht einmal ein Blinzeln ist von unseren Magistraten zu sehen.

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Verständlich: Noch ist die Zahlenbasis für eine Lockerung zu unsicher. Und vor allem: Ostern steht bevor – für die Schweizer nicht primär das Fest der Auferstehung, sondern des Ausfahrens. In wohl keinem Land hat der Osterstau eine derart sakrale Bedeutung. Das Daheimbleiben als Charaktertest – hoffen wir auf Disziplin und schlechtes Wetter.

Wir brauchen das Soft Opening

Doch wenn es auch nach Ostern noch keine Überlastung des Gesundheitssystems gibt, sollte der Bundesrat nach der selbst gesetzten Frist vom 19. April mit einer langsamen Lockerung beginnen, wie sie in der Slowakei oder Dänemark geplant ist: Öffnung der Geschäfte unter 1000 Quadratmeter unter strikter Befolgung der Abstandsregeln, und ab dem 4. Mai (dann sind die Frühlingsferien überall vorbei) eine graduelle Öffnung der Schulen im Schichtbetrieb.

Es wird ein Herantasten sein, gewiss – bis zur Vor-Corona-Normalität wird es noch Monate dauern. Wie gross der Schaden für unsere international so vernetzte Wirtschaft werden wird, ist derzeit nicht einmal schemenhaft absehbar. Sorgen wir aber zumindest dafür, dass wir den kompletten Stillstand der Binnenwirtschaft nicht unnötig verlängern. Wir brauchen das Soft Opening. Und bitte: Ostern zu Hause bleiben.

Dirk Schütz
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