Rote Rubine auf dunklem Ebenholz. Riesige Mondsteine, zu einem imposanten Collier verarbeitet. Auf einem schwarzen Onyxring thront eine grau schimmernde Südseeperle. Daneben in Gold eingravierte Spinnen, Schlangen und Käfer. Dunkle Farben und Materialien, Reptilien, Insekten: Gefällig sind die Schmuckstücke von Christophe Graber nicht. Der 45-jährige Juwelier ist von der düsteren Welt fasziniert, «sie ist ein Teil von mir».

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Graber verarbeitet nicht einfach nur wertvolle Steine und Materialien, er hat eine klare, eindeutige Handschrift. Für ihn ist Schmuck «ein Statement, keine Dekoration». So erstrahlt das Gesamtkonzept von Gestaltung, Material und Steinen in fast mystischer Schönheit, die entweder fasziniert oder kalt lässt.

Für einen Touch Sinnlichkeit sorgen Edelsteine in Rot, Orange, Grün, Violett. Ein seltener blauer Burma-Spinell veredelt beispielsweise kühles Platin. Und die Hirschkäfer-Gravur ist mit Diamanten bestückt. Graber holt sich seine Inspirationen aus Kulturgütern aller Epochen: Gemälden alter holländischer Meister, Asiatika, Kunst, Mode und Fotografie. Aber auch aus Stilrichtungen wie Art déco oder Jugendstil. «Plötzlich entdecke ich eine Affinität zu einem Thema, und es entsteht unbewusst eine neue Welt.» Dennoch entstehen keine Kopien, der Juwelier transportiert und übersetzt Inspirationen in die Formensprache des 21. Jahrhunderts.

In den 20 Jahren, seit er Schmuck gestaltet, hat sich Graber thematisch weiterentwickelt. Zu Beginn seiner Laufbahn erinnerte ein Ring an eine gefährliche Tigerkralle, und der Abguss eines Krokodilleders wurde zu prägnantem Arm- und Halsschmuck verarbeitet. Tierskelette, Schlangenwirbel oder Seeigel standen Pate bei seiner Arbeit. Heute sind seine Schmuckstücke formal etwas strenger und architektonischer. Die stilisierte Natur ist als Thema etwas in den Hintergrund getreten.

Seit 2003 pilgern Grabers Kunden an die Fraumünsterstrasse in Zürich. Der Laden selbst ist wie Grabers Schmuck gestalterisch durchdacht. An den Wänden schlichte dunkle Vitrinen mit Ausstellungsstücken, in der Mitte eine komfortable Sitzecke zum Verweilen, zum Kaffeetrinken, zum Schwatzen. Ein einladender Ort, und genau das möchte Graber auch erreichen: «Mein Laden ist nun mal kein traditionelles Juweliergeschäft, eher eine Galerie oder ein Salon.» Ein bisschen geheimnisvoll ist er und – wie könnte es bei Christophe Graber auch anders sein – superästhetisch.

Wenn sich die Tür hinter den Ladenbesuchern schliesst, wird es plötzlich ruhig. Christophe Graber empfängt liebenswürdig, fast schüchtern. Sein meist dezent in dunklen Farben gehaltenes Outfit passt zu seinem Auftritt. Prägnante Augenbrauen dominieren sein Gesicht. Intensiv sein Blick aus dunkelbraunen Augen. Seine Kunden schätzen es, dass sich der Juwelier Zeit für sie nimmt und auf sie eingeht: «Meine Kundinnen sind Persönlichkeiten, die etwas darstellen. Die tollsten Schmuckstücke entstehen, wenn zwischen mir und der Kundin die Chemie stimmt.»

Wer zu Graber geht, weiss eines ganz sicher: Hier entsteht keine Dutzendware. Modetrends interessieren Christophe Graber nicht, und genau diese Individualität suchen seine Kunden: «Die Leute suchen bei mir das Spezielle, je eindeutiger und extremer, umso erfolgreicher.» Ringe, Armbänder und Colliers aus der Hand des Meisters sind Massarbeit, Unikate. Ein Modell existiert in maximal drei Exemplaren, und auch diese unterscheiden sich noch in gewissen Aspekten.

Das Entwickeln neuer Schmuckformen ist extrem aufwändig. Nur das Beste ist für den Ästheten gut genug. Manchmal ist ein spezieller Stein der Ausgangspunkt, und die Idee wird um den Stein herum kreiert. «Zurzeit arbeite ich mit traditionell geschnitzter burmesischer Jade. Als ich sie zum ersten Mal sah, hatte ich sofort ein Bild von Ohrringen vor Augen.» Am Anfang steht immer die Idee, nächster Schritt ist eine Skizze, und dann wird ein Modell gefertigt. Ein langer Prozess, er kann Monate, manchmal auch Jahre dauern. Grabers Perfektionismus beim Entwerfen kostet Zeit, die er sich nimmt und braucht. «Wenn es nicht weitergeht, lege ich die Arbeit beiseite und beschäftige mich mit etwas anderem.»

Verkauft wird zwar an der Fraumünsterstrasse, angefertigt werden die Schmuckstücke jedoch in einem Atelier in Zürich West, das Graber im Jahr 1987 bezogen hat. Inzwischen arbeiten dort drei Goldschmiede nach seinen Anweisungen. Bei der Auswahl seiner Mitarbeiter verschreibt er sich kompromisslos seinem Anspruch an Qualität. Für seine Gravuren beschäftigt er nur hervorragende Graveure, das Gleiche gilt für die Fasser und Schleifer seiner Steine. Und selbstverständlich für die Steinhändler selber. Nichts Vorfabriziertes wird in seinen Schmuck verarbeitet, alles muss perfekt sein. «Im Laden zeige ich nur Schmuckstücke, von denen ich total überzeugt bin.»

Seine eigene Welt inszenierend, die gängigen Diskurse über die Funktionalität von Schmuckstücken ignorierend: Graber schwamm von Anbeginn an gegen den Strom. Nach Abschluss der Schmuckklasse an der Hochschule für Gestaltung in Zürich 1985 beteiligt er sich noch an Gruppenausstellungen, muss aber bald einsehen, dass dies nicht zu ihm passt. «Ich war einfach anders, und die Schmuckszene reagierte teilweise mit Befremden.» Schon bald setzt er sich ab und lanciert seine eigene Linie Christophe Graber. Diverse Auszeichnungen wie auch der Leistungspreis der Stadt Zürich und eine wachsende Anhängerschaft bestätigen ihn in seiner Arbeit.

Im Jahr 1988 eröffnet Graber sein erstes Geschäft in der Zürcher Altstadt drei Gehminuten entfernt vom Bellevue. Er begeistert mit seinen extravaganten Schmuckstücken eine wachsende Kundschaft – der Laden wird zum Erfolg. Stets offen für Neues, designt er in dieser Zeit auch diverse Uhren für Swatch. Unter anderem das Modell Blow your time away. Eine limitierte Edition von 120 Stück, wovon eines für 40 000 Franken versteigert wird. Ganz klar trägt auch diese Arbeit Grabers unverkennbare Handschrift. Aus dem Uhrenband wächst ein einer Seeanemone ähnliches Gebilde aus eingefärbtem Hasenfell. Und um aufs Zifferblatt schauen zu können, muss man die feinen Härchen wegblasen.

Seine Bekanntheit wächst, und schon 1991 braucht er mehr Platz, zügelt mit seinem Laden an die Zürcher Rämistrasse zwischen Kunsthaus und Kronenhalle. Und Graber wäre nicht Graber, wenn ihn der lokale Erfolg zufrieden gestellt hätte. Die Schweiz wird ihm zu klein, er strebt internationales Renommee an. Ein schwieriges Unterfangen, denn von offizieller Seite, aus Kulturförderungsprojekten oder staatlichen Institutionen, gibt es wenig Unterstützung. Er macht im Ausland die Erfahrung, «dass die Schweiz in diesem Segment nicht wahrgenommen wird». Umso grösser ist das Erstaunen, wenn die Leute mit Schweizer Kreativität konfrontiert werden.

1993 kommt dann die grosse Chance: Über einen privaten Kontakt erhält er eine Einladung von Unicef und wird für eine Präsentation in die USA eingeladen. Prompt begeistert sein Schmuck 300 VIP der Houston Society. Eine Bestätigung für Graber, dass seine Kreationen auch auf dem internationalen Parkett reüssieren können. Und nun reift die Idee, wie sein Auslandengagement aussehen könnte. Die internationale Presse im Lifestyle-Segment, das weiss er, ist auf Mailand, Paris, London und New York fokussiert. Die einzige Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit Journalisten bietet sich während der Prêt-à-porter-Shows vor Ort. So mietet er sich in Mailand für zwei Jahre im Hinterhof eines Palazzo aus dem 18. Jahrhundert ein.

Im exklusiven Ambiente mit Fresken an den Wänden und Goldstuck an der Decke präsentiert er seinen Schmuck nun auch im Hinterhof der schicken Via Montenapoleone, im Umkreis von Prada, Gucci und Co. Resultat: ein enormes Feedback und viele Artikel in internationalen Magazinen und Zeitschriften. Der Zürcher Juwelier mit den exotischen Arbeiten ist allen eine Story wert, den «Vogue»-Länderausgaben Deutschlands, Italiens, Spaniens und der «Vogue Gioielli». Damit wird er bekannt: «Gute Presse zu haben, ist wie eine Art Gütesiegel für ein Produkt», sagt er heute.

Liebend gerne erzählt er von den Begegnungen mit den exzentrischen Journalistinnen der internationalen Presse. Beispielweise mit Elsa Klensch, der legendären Mode- und Lifestyle-Queen von CNN. Eines Tages meldet sich die Klensch an. Nur für fünf Minuten, wie es offiziell heisst. Graber: «Mein Team und ich stehen also Spalier, der Champagner ist kalt gestellt, die Amuse-bouches beim Caterer geordert.» Dann rauscht sie herein, es funkt sofort. Ein Wort ergibt das andere, ihr Mann, so stellt sich heraus, hat Schweizer Wurzeln und ein Faible für Käfer. Sie bleibt eineinhalb Stunden und präsentiert Christophe Graber anschliessend zwischen Ferré und Versace auf CNN.

Auch Candy Pratts Price, die damalige Accessoires-Chefin der amerikanischen «Vogue», ist eine Diva mit grosser Macht, deren Geschmack und Urteil Karrieren fördern oder zerstören können. Auch sie hat an der Via Montenapoleone einen Besuch zugesagt. Wiederum nervöses Warten auf den hohen Gast. Niemand erscheint zum vereinbarten Termin. «Am nächsten Morgen klingelt es an der Tür, und wer steht davor? Candy Pratts Price. Graber: «Ich unrasiert, der Schmuck bereits wieder verpackt, kein Champagner kühl gestellt. Ein Desaster.» Aber genau das Gegenteil ist der Fall, sie amüsiert sich köstlich, ist fasziniert vom morbiden Touch der Spinnen und Schlangen auf Grabers Schmuck. Resultat: ein ganzseitiger Beitrag in der amerikanischen «Vogue».

Zwei Jahre sind genug, um ein internationales Netzwerk zu knüpfen, bekannt zu werden. Und auch die strapaziösen Fahrten nach Mailand zehren an der Substanz. Graber gibt den Mailänder Showroom auf. Heute markiert er permanente Präsenz im Ausland mit gezielten Aktionen. Beispielsweise Präsentationen in Mailand und Hamburg. Immer im privaten Rahmen, organisiert von den PR- und Society-Ladys Alexandra von Rehlingen und Andreina Longhi.

Sein exzentrischer Schmuck, der nun auch international bekannt ist, lässt Kundinnen aus England, Deutschland, Russland, Italien und natürlich der Schweiz nach Zürich pilgern. «Selbstbewusste Frauen und Männer, die sich nicht an den grossen Labels orientieren, sondern das Spezielle suchen.» Wer Herz-Sujets sucht, kann allerdings von noch so weit her angereist sein, bei Graber wird er nichts davon kriegen. Da ist der Künstler kompromisslos: «Entweder meine Kreationen überzeugen, oder man lässt es bleiben.»