Das war echt Pech. Kaum waren die Würdigungen zum Tag der Frau am Freitag beendet, zerrte die «Financial Times» am Montag die UBS an den Pranger: Die Bank habe diverse Mitarbeiterinnen diskriminiert. Wenn die Frauen ein Kind bekamen, seien sie danach bei der Boni-Vergabe zurückgestuft worden. Einzelne Manager begründeten dies auch noch mit altbackenen Sprüchen: Ein Kind sei ein «lifestyle choice», soll eine UBS-Frau gehört haben. Oder: Mit dem Baby hätten sich ja wohl ihre Prioritäten verschoben. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Dann kam nochmals drei Tage später heraus, dass eine ehemalige UBS-Praktikantin in London vor Arbeitsgericht zieht: Die Firma habe sie nach einer Vergewaltigung durch einen älteren Kollegen nicht etwa geschützt – sondern überwacht; während sie selber neben dem Beschuldigten weiterarbeiten musste.

Hotline gegen Belästigung

Die UBS beeilte sich, die Boni-Rückstufungen als Ausrutscher darzustellen, und das tat sie glaubwürdig. Die oberste Diversity-Managerin des Konzerns kündigte Konsequenzen an, der oberste Personalchef forderte betroffene Frauen auf, sich direkt bei ihm zu melden.

Tatsächlich bemüht sich die Bank ja längst und intensiv, bei der «Diversity» mustergültig zu sein. Ihre Mutterschafts-Angebote sind überdurchschnittlich, die Richtlinien klar. Auch in Sachen sexueller Belästigung herrscht eine entschiedene Politik.

Manager können wenig entgegnen

Gewiss, wer der UBS böse will, wittert hier nur Schaumschlägerei. Mich aber erinnerte der Fall ans Wirtschaftsstudium, Fach Führung & Organisation. Dort lehrte der Professor, dass nicht etwa das Management die Unternehmenskultur bestimmt, sondern dass es meist andersrum läuft: Die Unternehmenskultur führt. Sie prägt jede Firma so massiv, dass ihr selbst stärkste Spitzenpersönlichkeiten wenig entgegenhalten können.

Abgesehen davon, dass diese Firmenkultur festlegt, wer überhaupt nach oben kommt.

Das ist kein Geheimnis. Erstaunlich ist bloss, dass es ständig vergessen geht. Jede Darstellung von Firmen und deren Entscheiden baut irgendwie darauf, dass das Management den Konzern etwa so zielgerichtet lenkt wie der Pilot den Jet. So sehen es Politiker, Mitarbeitende, Stakeholder. So stellen es, wir gestehen, die Wirtschaftsmedien am liebsten dar. Und den Managern ist das Selbstbild als Firmenlenker auch recht. Es rechtfertigt ihre Honorierung.

Remember Oswald Grübel

Das Pech der UBS ist nun, dass moderne Konzernziele auf eine Kultur treffen, die sich über Jahrzehnte eingespurt hat – und zwar in der ganzen Finanzindustrie. An diesem Problem war ja schon Oswald Grübel gescheitert (allerdings an einem anderen Teilaspekt der Branchenkultur).

Eine weitere Illustration dazu bot soeben die European Banking Authority. Die EU-Behörde publizierte am Montag die neuste Liste der Einkommensmillionäre in den Banken, und Sie ahnen es: Die Zahl ist wieder gestiegen – wie in fast jedem Jahr seit Einführung der entsprechenden EU-Vorschriften 2010.

Entscheidend: Fixsalär plus Bonus

Dies steht bekanntlich kaum im Verhältnis zum Trend bei Aktienkursen, Wertschöpfung, Gewinnen oder zu den Zukunftsaussichten der Branche. Aber weder regulatorischer Druck noch politisches Pressing noch hehre Bescheidenheits-Bekundungen von Topbankern konnten viel daran ändern. Sie wirken chancenlos gegen eine Szene, in der Fixsalär plus Bonus das Mass fast aller Dinge sind.

Was uns zum Wirtschaftsstudium zurückführt: Es gibt, so erfuhren wir da, fast keine allgemeintauglichen Konzepte, um einen Kulturwandel herbeizuführen. Oder anders: Geduld plus Stehvermögen sind elementare Managerkompetenzen.