Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn möchte deutsche Ärzte und Pfleger gerne aus der Schweiz zurückholen. Hätte er damit in grossem Stil Erfolg, wäre das eine Hiobsbotschaft für das Schweizer Gesundheitssystem – hoch ist der Anteil an Fachkräften aus Deutschland in Schweizer Praxen und Spitälern. Tatsächlich sinkt die Zahl der Ärzte, die aus Deutschland kommen, bereits seit einigen Jahren, ähnlich wie die Zuwanderung insgesamt. Hat Jens Spahn also gute Chancen, die begehrten Mediziner und Pflegekräfte aus der Schweiz fernzuhalten? Ein Blick auf die wichtigsten Zahlen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

1) Jeder fünfte Arzt in der Schweiz ist Deutscher

Die Schweizer Bevölkerung ist im internationalen Vergleich gut mit Ärzten versorgt. Auf 1000 Einwohner kamen 2016 genau 4,3 Ärzte. Im EU-Durchschnitt waren es nur 3,6. Aufgrund der demografischen Entwicklung steigt allerdings auch in der Schweiz der Bedarf. In Deutschland waren es vor drei Jahren 4,1 Ärzte pro 1000 Einwohner.

 

Total waren 2017 in der Schweiz 39'600 Ärzte berufstätig. Gut 12'500 von ihnen stammen aus dem Ausland, ein Anteil von 34 Prozent, wie die Ärztestatistik des Berufsverbandes der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) zeigt. Gegenüber dem Vorjahr war der Anteil nochmals leicht gestiegen. Besonders hoch ist der Anteil an ausländischen Ärzten in Spitälern.

Deutsche Ärzte machen dabei nach wie vor die überwiegende Mehrheit der zugezogenen Mediziner aus. Mehr als jeder zweite ausländische Arzt in der Schweiz stammt aus Deutschland. Damit ist rund jeder fünfte Arzt in der Schweiz aus Deutschland oder hat einen deutschen Abschluss.

2) Zuwanderung von deutschen Ärzten stockt

Über viele Jahre hinweg stieg die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die in die Schweiz einwanderten. Waren 2003 erst 1831 Mediziner neu in der Schweiz, kamen 2013 ganze 2519. Im Jahr 2014 zog es dann erstmals weniger Mediziner in die Schweiz als im Vorjahr, seitdem entwickelt sich eine Wellenbewegung, wie die Auswertung des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums Obsan zeigt.

Stark verändert hat sich dabei der Anteil der deutschen Ärzte unter den Zuzüglern. Dieser erreichte 2004 mit mehr als 73 Prozent seinen Höhepunkt und nimmt seither ab. 2017 kamen noch 47 Prozent der zugezogenen Ärzte aus Deutschland. Dafür zieht die Schweiz mehr Italiener, Franzosen und Österreicher an als noch zehn Jahre zuvor.

3) Schweiz bei Pflegekräften deutlich bessergestellt

Bei den Pflegefachkräften bietet sich ein anderes Bild. Zum einen entwickelt sich der Zuzug seit Jahren mehr oder weniger seitwärs – jährlich kommen zwischen 2200 und 2700 Pfleger in die Schweiz. Während auch hier vor einigen Jahren Deutschland den grössten Teil der Zuwanderer stellte, ist mittlerweile deutlich Frankreich auf dem Vormarsch. 2017 kamen fast 44 Prozent der zugezogenen Pflegekräften aus Frankreich (absolut: 973), aus Deutschland dagegen nur 572 oder knapp 26 Prozent.

Wie auch bei den Ärzten, steigt die Zahl der Pflegekräfte pro 1000 Einwohnern. Allerdings wächst aufgrund der demografischen Entwicklung auch hier der Bedarf. Wurden im EU-Durchschnitt im Jahr 2000 noch durchschnittlich 3,6 Pflegerinnen und Pfleger pro 1000 Einwohner beschäftigt, waren es 2016 bereits 8,4, hat die OECD errechnet. In der Schweiz arbeiten pro 1000 Einwohnern neun Schwestern und Pfleger. In Deutschland sind es im Vergleich sechs pro 1000 Einwohner.

4) Ärzte müssen überall viel arbeiten

Der Schweizer Personalschlüssel verspricht Ärzten und Pflegepersonal bessere Arbeitsbedingungen. Tatsächlich ist die Unzufriedenheit unter deutschen Ärzten und Pflegern hoch, wie eine Umfrage des Marburger Bundes von 2017 zeigt. Dem grössten deutschen Ärzteverband zufolge klagten 66 Prozent der Spitalärzte, dass ihnen zu wenig Zeit zur Betreuung von Patienten zur Verfügung stehe. 46 Prozent der Befragten bezeichneten ihre Arbeitsbedingungen als mittelmässig, 19 Prozent als schlecht. Jeder fünfte Befragte trug sich demnach mit dem Gedanken, den Arztberuf aufzugeben. Als Gründe nannten die Mediziner die hohe Arbeitsbelastung, der ökonomische Druck, Personaleinsparungen und die ausufernde Bürokratie. Am wichtigsten wäre den Ärzten dabei, dass das Pflegepersonal aufgestockt würde.

Die Arbeitszeit von Ärzten ist dabei aber in Deutschland wie in der Schweiz hoch. Im Stationären Bereich beträgt sie in der Schweiz laut FMH bis zu 60 Wochenstunden im Durchschnitt. In Deutschland arbeiten laut Marburger 40 Prozent der Klinikärzte zwischen 40 und 60 Stunden, jeder fünfte arbeitet sogar 60 bis 80 Stunden.

Ein Lohnvergleich zwischen der Schweiz und Deutschland ist aufgrund der Datenlage komplex. Eine Erhebung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Ende 2018 zeigte, dass frei praktizierende Ärzte in der Schweiz über ein Medianeinkommen von 257'000 Franken pro Jahr verfügen. Bei angestellten Ärzten lag die Summe bei 197'000 Franken. Diese Summen lagen deutlich über den Zahlen der Vorjahre, weil statistische Schwächen der Erhebungen ausgeglichen wurden. In Deutschland errechnet das Portal praktischarzt.de aufgrund der Tarifverträge von Ärzten eine Spannbreite von 76'000 Euro Jahresgehalt (85’000 Franken) für Assistenzärzte über 91'000 Euro bei Fachärzten (102'630 Franken) bis zu 288'000 Euro als Chefarzt (324’000 Franken).