Das grösste Risiko für das neue Jahr sahen von «Bloomberg» befragte Fondsmanager im Dezember in einem abrupten Kurswechsel der Zentralbanken. Wie sich herausstellte, hatten sie recht.

In den ersten Wochen des Jahres erlebten die Aktienmärkte zwei Schocks: Zunächst signalisierte die US-Notenbank eine weitaus aggressivere Straffung der Geldpolitik als erwartet. Dann machte die Europäische Zentralbank in Bezug auf Zinserhöhungen eine Kehrtwende. An der Börse folgte ein Kurssturz. 

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Die entscheidende Frage ist nun, ob ein vor Liquidität nur so strotzender Markt seine Rally in einer Welt fortsetzen kann, in der Geld nicht mehr kostenlos ist. Wie stark die Straffung in diesem Jahr ausfallen wird, darüber scheiden sich indessen die Geister. Dies gilt auch für die Frage, wie man als Anleger damit umgehen sollte. 

Im Folgenden finden Sie die Grundzüge des Anlageszenarios für diese neue Börsenära, das auf Gesprächen mit Investmentmanagern und -strategen sowie auf Kundenmitteilungen grosser Broker beruht.

Setzen Sie auf Qualität

«Die Anleger müssen sich auf höhere Qualität konzentrieren und nicht auf spekulativere Anlagen, die von niedrigen Zinsen und hoher Liquidität profitiert haben», erklärt Carin Pai, Executive Vice President und Leiterin des Portfoliomanagements bei Fiduciary Trust International, im Gespräch mit «Bloomberg».

Investoren sollten nach Unternehmen mit «mehr Stabilität und mehr Vorhersehbarkeit der Erträge» suchen. Im Fokus stünden damit billigere Substanzwert-Titel, aber auch teurere Unternehmen, so Pai. In dieser Berichtssaison haben die Märkte einige der teuersten Unternehmen im S&P 500-Index für solide Gewinne belohnt. Die Aktien von Firmen, die die Erwartungen verfehlten, wurden indessen abgestraft.

Die Ära der Suche nach Renditen «in nur einem Markt, einem Faktor oder bestimmten Sektor» könnte vorbei sein, wie es in einer Analyse von Strategen der Goldman Sachs Group unter der Leitung von Peter Oppenheimer heisst.  «Dies sollte eine Rückkehr zu Alpha bedeuten», das heisst, zur Auswahl von Aktien auf der Grundlage des potenziellen Wachstums im Verhältnis zum Preis.

Vorsicht vor Kreditrisiko

Eine Qualitätsstrategie umfasst laut Pai auch die Suche nach Unternehmen mit geringerer Verschuldung, besseren Bilanzen und höherem Cashflow-Wachstum. Mit steigenden Zinsen und versiegenden Liquiditätshähnen der Zentralbanken werde das Verschuldungsniveau immer wichtiger.

Die Strategen der Bank of America halten europäische Banken und Automobile in Zeiten steigender Kreditspreads für besonders anfällig. Die stärkste Performance sei im Körperpflege- und Drogeriebereich, bei Lebensmittelwerten und im Healthcaresektor zu erwarten. 

Suchen Sie ausserhalb der USA

Aktienstrategen sind sich zwar nicht einig, ob die Märkte ihre Rally fortsetzen können. Die meisten halten jedoch für möglich, dass die Ära der US-Führerschaft zu Ende gehen könnte, da die Straffung der Fed-Geldpolitik überhöhten Bewertungen zusetzt.

Bären wie Morgan Stanley sehen einen «Winter» für US-Aktien, bleiben aber positiv in Bezug auf Europa. Bullen wie Mislav Matejka von JP Morgan sehen für Aktien insgesamt weiteres Aufwärtspotenzial, meinen aber, dass die US-Märkte im Vergleich zum Euroraum und Grossbritannien «ins Stocken geraten» könnten.

Selbst treue Fans von US-Aktien wie Max Kettner von HSBC haben diese kürzlich herabgestuft. Goldman-Stratege Oppenheimer warnt, dass die säkulare Outperformance der USA «schwieriger aufrechtzuerhalten» sei, da die Zinsen steigen, die amerikanische Wirtschaft nicht schneller wachse als andere und die Anleger sich stärker in Substanzwerten engagieren wollen.

Sichere Häfen

Da selbst die optimistischsten Marktbeobachter in diesem Jahr verhaltene Renditen erwarten, wo sollten Anleger Zuflucht suchen?

«Wir mögen Aktien aus Schwellenländern», einschliesslich China, sagt Salman Baig von Unigestion im Gespräch mit «Bloomberg». Chinas Zentralbank sei zwar nicht besonders akkommodierend, befindet sie sich immer noch «an einem ganz anderen Ort» als die Fed. Die Underperformance des letzten Jahres bedeute, dass die Allokationen in den Schwellenländern inzwischen «ziemlich gering» seien.

Angesichts anhaltenden Inflationsdrucks favorisiert Pai von Fiduciary Trust auf «sehr kurze Sicht» Energie und Finanzwerte.

«In der zweiten Hälfte dieses Jahres werden sich einige der Angebotsengpässe lockern und die Markterwartungen zu Straffungen der Fed nachlassen», führte sie aus. «In diesem Fall erwarte ich, dass sich die Märkte wieder auf Technologie und längerfristige Wachstumsbereiche konzentrieren werden, die weiterhin von Innovationen angetrieben werden und weiterhin Preissetzungsmacht zeigen.»

Einige Marktsegmente entwickeln sich bei steigenden Inflationserwartungen und höheren Zinsen besser, merkten die Strategen von JP Morgan Asset Management an und verwiesen auf Rohstoffe, Industriewerte, Energie und Banken. Das Wichtigste sei jedoch, in Unternehmen mit stabilen Erträgen zu investieren, sagte Hugh Gimber, Global Market Strategist bei JPMAM. Wichtig sei, dass diese ihre Gewinnspannen angesichts höherer Inputkosten aufrechterhalten können.