Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe. Da die Tragödie unmittelbar auf die Corona-Krise folgt, ist die ohnehin fragile Weltwirtschaft auf unvorhersehbare Weise herausgefordert. Steigende Energie- und Rohstoffpreise werden die Importländer hart treffen und gleichzeitig den Handlungsspielraum der Notenbanken einschränken, weil die Geldpolitik mit hoher Inflation und einer stagnierenden Konjunktur konfrontiert ist.  

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Die internationalen Sanktionen werden für die russische Wirtschaft verheerende Auswirkungen haben. Da aber Russland auf den Energie-, Rohstoff- und Finanzmärkten eng mit dem Rest der Welt verbunden ist, dürften die Sanktionen auch unbeabsichtigte negative Folgen für die Handelspartner haben. Kein Wunder, sind die Märkte nervös.  

Kurzer Konflikt oder Rezession  

Was bedeutet das für die Finanzmärkte? BNY Mellon IM weist zwei Szenarien eine Wahrscheinlichkeit von 35 Prozent zu. Im Best Case wird der Krieg in der Ukraine von kurzer Dauer sein und lokal begrenzt bleiben. Als Folge normalisiert sich der Energietransport in Europa und die Engpässe der Metall- und Agrarproduzenten werden beseitigt. Die Energie- und Rohstoffpreise sinken wieder.  

Über den Autor

Shamik Dhar ist Chief Economist von BNY Mellon Investment Management, der Vermögensverwaltungssparte der amerikanischen BNY Mellon. Diese ist einer der grössten Vermögensverwalter der Welt mit einem verwalteten Vermögen von 2,4 Billionen Dollar (zum 31. Dezember 2021).    

Davon unabhängig lösen sich auch die Probleme in den weltweiten Lieferketten. Asien scheint die Pandemie langsam zu überwinden. In China allerdings bleibt die Situation unübersichtlich, deshalb verzichten wir aktuell auf eine Einschätzung. Es scheint aber wahrscheinlich, dass die Nachfrage der Industrieländer wieder bedient werden kann. Die Zentralbanken reagieren auf diese Entwicklungen mit einer kontinuierlichen Straffung der Geldpolitik. Die Finanzierungsbedingungen verbessern sich und risikoreichere Finanzmarktanlagen wie Aktien erholen sich deutlich.  

Energiepreise im Mittelpunkt  

Gemäss dem zweiten wahrscheinlichen Szenario wird der Krieg in der Ukraine andauern, da die Vermittlungsbemühungen scheitern. Die Energiekonzerne sind nicht in der Lage, die russischen Ausfälle zu kompensieren. Die Störung dürfte länger anhalten und auf andere Rohwarenmärkte übergreifen.  

Die Rohöl- und Gaspreise steigen weiter, was sich auf die Kaufkraft der Menschen in den Importländern auswirkt. Die Zentralbanken halten zunächst an der Straffung der Geldpolitik fest. Als Folge bricht die Nachfrage ein und lässt die Kerninflation sinken. Das wiederum veranlasst die Zentralbanken, die Geldpolitik wieder zu lockern. Eine weltweite Rezession kann 2022 allerdings nicht verhindert werden. Finanzmarktanlagen erholen sich frühestens in einem Jahr. 

Märkte bleiben volatil  

Die unmittelbaren Aussichten für Aktien sind durchzogen. Die Märkte dürften volatil und die Risikoprämien hoch bleiben. Wegen der anhaltenden Inflation haben die Zentralbanken weniger Möglichkeiten, auf unerwartete Marktentwicklungen zu reagieren. Anlagen mit kurzen Laufzeiten dürften sich besser entwickeln als solche mit langen.  

Qualitätsaktien mit Dividendenzahlungen, die vor einer Geldentwertung schützen, dürften am besten abschneiden. Der nordamerikanische und aussereuropäische Aktienmarkt dürfte sich besser halten als der europäische. Unter den Schwellenländern werden wohl Rohstoffexporteure wie Mexiko, Indonesien, Südafrika und Brasilien profitieren.

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