Der weltweiten Industrie ist es zunächst noch gut gelungen, mit der rasch steigenden Nachfrage Schritt zu halten – und sie konnte ihre Waren in Rekordtempo liefern. Bei den Lieferketten begann es aber rasch zu harzen. Engpässe entstanden in vielen Bereichen, von Gebrauchtwagen, Halbleitern und Möbeln bis hin zu Nandos-Hühnchen.

Investitionen vernachlässigt

Die Engpässe sind nicht zuletzt die Folge davon, dass die weltweiten Investitionsausgaben (Capex) in den letzten Jahren eingebrochen sind. Das Investitionsniveau hat seit 2017 nicht mehr mit den Abschreibungen Schritt gehalten, und die Pandemie hat – wenig überraschend – einen weiteren Rückgang der Investitionsausgaben verursacht.

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Angesichts des grossen Auftragsbestands, der Lieferengpässe und des Inflationsdrucks sehen sich die Unternehmen jedoch zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Lieferketten zu straffen und künftige Störungen zu vermeiden. Wir haben einen perfekten Sturm, der eher früher als später zu Investitionen ermutigen wird.

Investitionen werden nun rasch zunehmen

Es gibt viele Anreize für Investitionen von Unternehmen: von solchen in neue Technologien und Anlagen zur Steigerung der Produktivität und zur Verbesserung der Kapazitätsauslastung bis hin zu Investitionen für den Ausgleich des Inflationsdrucks. Nach Jahren der Unterinvestition wird für 2021 ein Investitionsanstieg von fast 12 Prozent erwartet.

Die prall gefüllten Kassen ermöglichen es, die Ausgaben wieder hochzufahren. Ein Ausgabenzuwachs ist in allen Regionen und Sektoren zu erwarten, insbesondere in den Bereichen Halbleiter, Einzelhandel, Software und Transport.

Liquidität in Hülle und Fülle

Nach Angaben von S&P Global erreichten die Barmittel und kurzfristigen Anlagen der grössten Unternehmen der Welt im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 6,8 Billionen Dollar. In einem unsicheren Umfeld reduzierten die Unternehmen ihre Ausgaben für den Kauf oder die Modernisierung von Sachanlagen und schränkten neue Projekte oder Investitionen ein.

Über die Autorin

Ritu Vohora ist Anlagespezialistin im Bereich Multi-Asset und dort zuständig für die Kapitalmärkte. Sie ist Vizepräsidentin der T. Rowe Price Group, Inc. und der T. Rowe Price International Ltd.

Ritus Investmenterfahrung begann 2005. Sie ist seit 2020 bei T. Rowe Price. Davor war Ritu 15 Jahre lang bei M&G Investments tätig, zuletzt als Investment Director und Leiterin der Equities Investment Communications.

Niedrige Zinssätze haben auch die Kreditaufnahme im Jahr 2020 auf ein Rekordniveau gehoben, sodass die Unternehmen über reichlich Barmittel verfügten, die sie ausgeben konnten.

Auch die Privatpersonen haben gespart und zusätzliche Ersparnisse in der Höhe von 2,9 Billionen Dollar angehäuft. In dem Mass, in dem das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder zunimmt und sich der Nachholbedarf entlädt, besteht ein Bedarf an Kapazitätserweiterungen und Produktivitätssteigerungen, einschliesslich Automatisierung.

Gleichzeitig drängen die Verbrauchernachfrage und die Regierungspolitik die Unternehmen zu einer umweltfreundlicheren und sozial verantwortlicheren Zukunft. Auch dies erfordert ein Umdenken in Bezug auf interne Praktiken und Lieferketten sowie Ausgaben für die Zukunftssicherung der Unternehmen.

Um grüne Ziele zu erreichen, muss die Welt Geld ausgeben

Nicht nur die Unternehmen müssen mehr Geld ausgeben, sondern auch die Regierungen in aller Welt werden nach der Pandemie ihre Konjunkturpakete beschleunigen. In den nächsten Jahrzehnten werden erhebliche Investitionen erforderlich sein, um die ehrgeizigen Ziele der Welt zu erreichen, bis 2050 kohlenstoffneutral zu werden.

Diese monumentale Herausforderung wird Investitionen in Billionenhöhe sowohl in traditionelle Industrien als auch in neue Lieferketten erfordern. China beispielsweise wird voraussichtlich 16 Billionen Dollar ausgeben müssen, um bis 2060 netto kohlenstofffrei zu werden.

Grosse Konjunktur- und Strukturpakete wirken sich aus

Das Konjunkturpaket der EU, das ab 2022 wirksam werden soll, ist auf grüne Initiativen ausgerichtet – von der Elektrifizierung des Stromnetzes bis zu superschnellen Breitbandverbindungen. Das Infrastrukturgesetz von Präsident Joe Biden wird sich auf bisher unterfinanzierte Infrastrukturprojekte, Innovationen und grüne Initiativen konzentrieren.

Bereits jetzt werden Rekordsummen in Solar-, Wind- und andere grüne Energietechnologien investiert. Dieser Trend wird sich fortsetzen, da die Politik und die Finanzierung der Regierung die Branche in diese Richtung drängen.

Inflationsgefahr nicht unerheblich

Da die Unternehmen darauf bedacht sind, die aufgebauten Liquiditätsreserven zu nutzen, dürfte der Anstieg der Investitionen in grüne Initiativen und Infrastruktur das künftige Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung ankurbeln, könnte aber auch die Inflation anheizen.

Ein starkes Wachstum gepaart mit einer akkommodierenden Geldpolitik könnte zu einem Überschiessen der Inflation führen. Während die Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen davon ausgeht, dass der Anstieg der Inflation nur vorübergehend sein wird, lassen der aktuelle Anstieg und die kurzfristigen Erwartungen diese Perspektive zunehmend riskant erscheinen.

Massive Investitionen nötig

Unternehmen, die die Infrastruktur für die digitale und grüne Wirtschaft bereitstellen, dürften von höheren Investitionsausgaben profitieren. Vertrieb, Logistik und Rechenzentren erfordern von den Unternehmen Investitionen in die physische Infrastruktur, um die zunehmend digitale globale Wirtschaft zu unterstützen.

Die Welt wird in den Übergangsjahren viel in die Investitionsgüterindustrie investieren müssen, etwa in die Automatisierung, die Robotik, die Software, die Elektrifizierung von Netzen und in die Energiespeicherung. Eine höhere Produktivität dürfte sodann zu einem stärkeren Ertragswachstum führen. Als Zulieferer der Weltwirtschaft werden die Schwellenländer ebenfalls von der weltweit steigenden Nachfrage und den höheren Ausgaben profitieren.

Es bleibt abzuwarten, ob wir an der Schwelle zu einem weiteren Boom im Investitionszyklus stehen, aber die Ausgaben werden wahrscheinlich disziplinierter sein als bisher. Das derzeitige Zusammentreffen von Faktoren wie Kapazitätsauslastung, Lieferrückstände, Zugang zu Krediten und Umweltinitiativen sorgt für ermutigenden Rückenwind.

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