Herr Romanzina, die Credit Suisse hat die ohnehin niedrigen Erwartungen im zweiten Quartal 2021 unterboten. Weniger Reingewinn, höhere Kosten, Kapitalabfluss. Und das trotz eines guten Finanzmarktumfelds. Sehen Sie irgendwo Licht am Ende des Tunnels? 
Peter Romanzina: Das Licht kommt hoffentlich, wenn die neue Strategie bekannt gegeben wird. CEO Thomas Gottstein betonte ja noch einmal, dass man sich in einem 'Strategic Review' befinde, zu dem man sich aber, verständlicherweise, noch nicht konkret äussern will. Entscheidend wird natürlich sein, wie es mit dem Investmentbanking weitergeht. Hier sagt Gottstein zwar, dass man weiter in den Bereich investiert habe, aber in welcher Form man daran festhalten will, ist noch nicht klar. 

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Wenn die Credit Suisse allerdings weiterhin im Konzert der Grossbanken mitspielen will, kann sie gar nicht auf das Investmentbanking verzichten.  
Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht. Andererseits ist es natürlich immer die Frage, wie das Investmentbanking strukturiert wird, welche Grösse es haben soll und wo die Schwerpunkte gesetzt werden. Wenn Sie bei den grossen Häusern wie JP Morgan oder Goldman Sachs mitspielen wollen, und im Prime Brokerage Risiken eingehen, die zwar für die grossen US-Player tragbar sind, für Ihr Haus aber einfach zu gross sind, gehen Sie erhebliche Risiken ein. 

Die UBS ist auf einem besseren Weg. Das zweite Quartal hat die Erwartungen der Analysten durchs Band übertroffen. Hat UBS die Credit Suisse für lange Zeit abgehängt? 
Ja, und das schon seit einigen Jahren. Die UBS erzielt schon seit ganz langer Zeit einen viel besseren Return auf ihr eingesetztes Kapital. Sie hat einfach die stärkeren, besseren und weniger risikoreichen Positionierungen als die Credit Suisse. Daher lautet unser Rating bei UBS auch schon länger 'kaufen', während wir Credit Suisse auf 'hold' einstufen. Die UBS hat den Fokus auf das Wealth Management und die Reduzierung des Risikos schon lange vollzogen. Die Credit Suisse hat das weniger gemacht. Für uns ist die Frage nicht nur, wer verdient wie viel, sondern mit welchem Risiko? 

Die UBS hat weniger versucht, den US-Investmentbanken nachzueifern. 
Die UBS hat aus ihren Erfahrungen mit der globalen Finanzkrise 2008 ihre Schlüsse gezogen. Zwar hat es auch die Credit Suisse getroffen damals, aber weit weniger hart. Dadurch, dass die UBS gerettet werden musste, sah sie sich vielleicht auch ein Stück weit 'gezwungen', den Wandel zu vollziehen. Die Credit Suisse hingegen schaffte es, die Krise von 2008 irgendwie durchzustehen, was wohl zu weniger Handlungsdruck in der Strategieanpassung führte. Keiner weiss, wie das Exposure der UBS heute aussähe, hätte es die UBS damals auch irgendwie durch die Krise geschafft. 

Auch Nestlè lieferte diese Woche Quartalszahlen, und übertraf dabei die Erwartungen. Die Aktie reagierte aber eher zurückhaltend. Wo hat die Börse das Haar in der Suppe gefunden? 
Wir fanden die Zahlen grundsätzlich von sehr hoher Qualität. Insbesondere das organische Wachstum war stark. Vor allem, wenn man es mit den Werten internationaler Konkurrenten wie Unilever, Danone oder Mondelez vergleicht. Nestlé outperformt hier die gesamte Konkurrenz auf relativer Basis, bzw. umso mehr noch in absoluten Zahlen, da Nestlé viel grösser als die Konkurrenten ist. Heisst: In der absoluten Wahrnehmung sind das beeindruckende Zahlen. Die Weichen dafür hat CEO Mark Schneider schon lange gestellt: R&D (Forschung und Entwicklung), Innovation und Portfolio Management. 

Aber? 
Was vielleicht – und das ist meine persönliche Interpretation – bei den Quartalszahlen etwas negativ aufgenommen wurde: Die Marge ist nicht gestiegen. Dafür hat Nestlé allerdings auch eine Erklärung parat. Die allgemeinen Steigerung gewisser Kosten spürt der Konzern sofort, während die Preissteigerungen erst mit einer gewissen Verzögerung kommen. Das Pricing sollte sich im zweiten Halbjahr 2022 beschleunigen. An sich macht Nestlé alles richtig. Der Fokus von Mark Schneider ist die Kapitalallokation. Sie nehmen das verfügbare Kapital in die Hand und investieren es langfristig in die richtigen Geschäfte. Kaffee und PetCare sind die besten Beispiele dafür. Die Portfolio-Adjustierung zahlt sich aus.  

Ein Grossteil der Schweizer Firmen hat nun die Zahlen für das zweite Quartal gemeldet. Die Erwartungen waren hoch, doch die Firmen haben bisher geliefert, oder?
Absolut, die Firmen haben extrem geliefert. Das stellen wir nicht nur in der Schweiz fest, sondern weltweit. Die positiven Überraschungen überwiegen bei weitem. 

Was sind die Gründe? 
Die Schweizer Firmen machen immer eines sehr gut: Kostenkontrolle. Wie damals 2015 nach dem Frankenschock wurden auch während Corona die Kosten reduziert. Das Inventar wurde heruntergefahren und man hat sich vorsichtig verhalten. Jetzt sehen wir, dass allgemein eine erhöhte Nachfrage nach Produkten besteht, die auf einen Produktionssektor trifft, der seine Kosten massiv heruntergefahren hat. Quasi ein perfekter Sturm. Und wer die Kosten einmal heruntergefahren hat, erhöht sie auch so schnell nicht wieder. 

Die guten Zahlen der Schweizer Firmen sind allerdings auch bitter nötig. Schliesslich müssen die starken Kursanstiege im Mai und Juni gerechtfertigt werden.
Da ist sicher was dran. Wissen Sie, bei den Konsensschätzungen stellt sich ja auch immer die Frage, wann der Analyst die Schätzungen vor den Zahlen das letzte Mal angepasst hat. Wenn beispielsweise die Zahlen zum Halbjahr zuletzt im April angepasst wurden, ist man eher hinten dran, als wenn man dies im Juni getan hätte. Die Denke der Börse und das, was sich in den Kursen widerspiegelt, ist dahingehend immer etwas weiter als die offiziellen Schätzungen der Analysten. 

Sprechen wir nochmal über Schweizer Einzeltitel. Richemont oder Swatch? 
Wir sind seit Jahren viel stärker auf Richemont ausgerichtet, haben ein 'buy' auf Richemont und ein 'hold' auf Swatch. Die Präferenz für Richemont rührt daher, dass der Markt für Schmuckwaren eine ganz anderer ist, mit ganz anderer Dynamik als der Uhrenmarkt. Richemont und Swatch werden häufig miteinander verglichen, doch Richemont verdient über 100 Prozent seines Ebitda mit Schmuck, während dieser Wert bei Swatch irgendwo unter 10 Prozent liegt. Swatch verdient sein Geld immer noch vor allem mit Uhren, auch wenn sie das Exposure zuletzt ein wenig verringern konnten. Schmuck ist einfach der dynamischere Markt, der viel schneller als der Rest vom Luxusgütermarkt wächst. Hier geht der Kuchen grösstenteils an Richemont und LVMH aus Frankreich. 

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Ein bei Schweizer Anlegerinnen und Anlegern beliebter Titel ist diese Woche unter die Räder gekommen. Die Aktie von Logitech rutsche nach den Quartalszahlen mehr als 10 Prozent ab. Für Sie eine Einstiegsgelegenheit?  
Mittel- bis langfristig ist es sicher eine Einstiegsgelegenheit. Wir haben es bei Logitech jetzt ein paar Mal gesehen, dass nach exzellenten Resultaten die Angst Überhand nimmt, dass es das jetzt gewesen sei, das Wachstum also kippt. Schliesslich hatten wir Sondereffekte durch die Pandemie, durch die Digitalisierung, durch working from home, playing from home, learning form home, shopping from home. Der Markt denkt jedes Mal, irgendwann müsse ja Schluss ein, dieses Mal wäre es soweit. Doch dann hat Logitech wieder und wieder positiv überrascht. Wir sehen das bei Logitech etwas anders und fokussieren uns darauf, dass die Firma in eigentlich allen Belangen alles richtig macht und stärker wird. 

Und zwar? 
Natürlich wird kurzfristig eine Verlangsamung des wahnsinnig starken Wachstums kommen. Wir haben aber den mittel- bis langfristigen Blick und sehen, dass die strukturellen Trends, welche durch die Pandemie beschleunigt wurden, sich fortsetzen. Das gilt insbesondere für hybride Arbeitsmodelle, Gaming und Kreativität. Ausserdem hat Logitech ein robustes Geschäftsmodell und macht alles richtig in Sachen Marketing, Produktstrategie, Innovation, Design und Nachhaltigkeit. Die Aktie ist mittelfristig attraktiv, auch wenn das vor kurzfristigen Rückschlägen natürlich nicht schützt. 

Welche Aktien auf dem Schweizer Markt haben Sie aktuell noch auf dem Radar? 
Wir machen Empfehlungen immer mindestens auf einen Zwölf-Monats-Horizont. Unter den SMI-Titeln gefallen uns immer noch Roche und Nestlé. Auch die Partners Group gehört zu unseren Favoriten, was wir Ihnen aber wohl die letzten sieben oder acht Jahre ununterbrochen gesagt hätten. Am breiten Markt wird in unseren Augen eine Aktie völlig übersehen, die profitieren dürfte, sobald das Sentiment wieder Richtung Reopening-Trades dreht, nämlich Cembra. Auch Temenos sehe ich als möglichen Reopening-Trade. Das Problem ist, die Denke der Investoren am Markt ist derzeit relativ volatil. Das kann extrem schnell drehen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Cash» unter dem Titel: «Nestlé outperformt mit seinen Zahlen die gesamte Konkurrenz». 

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