«Sein Sinn für Farben und ihre Verschiedenheit ist umwerfend», sagt Albert Kriemler, Chefdesigner von Akris, über die Arbeit von Imi Knoebel. Entdeckt hat er den deutschen Künstler in einer St. Galler Galerie 2004 – und blieb gefesselt.

2017 lernte Kriemler, der von sich sagt, «Farbe ist alles für mich», Knoebel persönlich kennen, 2019 tauschten Couture-Designer und Künstler Ideen aus, daraus entstand die Frühjahr-Sommer-Kollektion 2021 mit dem frohen Namen «Albert Kriemler × Imi Knoebel: Pure Freude».

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Kriemler, der Kopf hinter dem einzigen Schweizer Couture-Label mit Weltruf, sagt, «die Entstehung einer Kollektion ist immer ein grossartiger Prozess», und fügt an, «vor allem, wenn er in Zusammenarbeit mit einem Künstler erfolgt». Kriemler liebt Kunst, sein Horizont ist weit, seine Antenne immer auf Empfang.

Die Frühjahr-Sommer-Kollektion 2017 entstand im Austausch mit der kubanischen Künstlerin Carmen Herrera, deren Arbeit er zwei Jahre zuvor in einer Ausstellung in New York entdeckt hatte.

Ein Jahr davor war seine Inspirationsquelle der japanische Architekt Sou Fujimoto, und 2019 war es die rumänische Künstlerin Greta Brătescu, mit der Kriemler arbeitete.

Er hatte sie an der Documenta 14 in Athen kennengelernt und war hingerissen: «Sie war voller Leben, Licht und Humor», sagt er über die damals 91-Jährige, «das zog mich sofort zu ihrer Arbeit hin, und ich machte mich daran, ihre Verspieltheit in eine fröhliche Kollektion für die moderne Frau zu übersetzen.»

Für Brătescu war die Kollaboration mit dem St. Galler Modemacher eines der letzten Projekte überhaupt; zwei Wochen vor der Fashion Show in Paris ist die Künstlerin gestorben.

Prada

Prada
Miuccia Prada liebt Kunst sehr und sammelt sie in grossem Stil. Ab und zu lädt sie einen Zeitgenossen sogar in ihren Designprozess ein, zuletzt für die Winterkollektion 2016 das Multitalent Christophe Chemin.

Quelle: Bilanz

Doppelt bereichernd

Was Kriemler macht, hat eine grosse Tradition. Kunst und Mode sind schon lange verheiratet. Ein berühmtes Beispiel aus den Anfängen ist die Kollaboration von Salvador Dalí mit der italienischen Modedesignerin Elsa Schiaparelli. Damals in den 1930er Jahren sorgten die beiden in der Couture-Welt mit Skurrilem wie einem Hut in Schuhform und einem weissen Kleid mit Riesenlobster für Aufregung.

In den 1960er Jahren machte Yves Saint Laurent Kleidchen à la Piet Mondrian, und Andy Warhol prägte mit seinem «Souper Dress» aus Papier den Blick auf Mode, damals ein Luxus, neu. Warhol, dieser begnadete Oberflächen-Zauberer, ist bis heute eine feste Nummer im Zirkus von Kunst und Mode.

Und zwar nicht nur bei Luxuslabels wie Dries Van Noten, Prada oder Versace, sondern auch beim japanischen Fast-Fashion-Produzenten Uniqlo – und da wohl ganz im Sinne des Künstlers. Aus dessen «Mode für alle» produziert Uniqlo auf T-Shirts «Warhol für jeden».

The shoe-had designed by Elsa Schiaparelli is displayed as part of the exhibition "Fashion mix", on December 8, 2014 at the museum for the history of immigration in Paris.  AFP PHOTO/FRANCOIS GUILLOT (Photo by FRANCOIS GUILLOT / AFP)

Elsa Schiaparelli
Die italienische Designerin (1890–1973) hat in der Zwischenkriegszeit angefangen, mit Surrealisten wie Salvador Dalí und Jean Cocteau zu kollaborieren – und zu provozieren.

Quelle: AFP
A model wearing a day dress from the Mondrian collection of French fashion designer Yves Saint Laurent, 23rd August 1965. The collection was inspired by the paintings of Piet Mondrian. (Photo by Terry Fincher/Express/Hulton Archive/Getty Images)

Yves Saint Laurent
Der erste Künstler, dem der Kunstsammler Yves Saint Laurent in seiner eigenen Arbeit Tribut zollte, war Piet Mondrian im Winter 1965.

Quelle: Getty Images

Über Sinn, Unsinn, Chancen und Risiken einer Liaison von Luxus und Kunst wird viel nachgedacht und gewerweisst.

Kunst als Anreicherung von Luxe de Luxe hat in jüngerer Vergangenheit insbesondere Marc Jacobs entdeckt. Als Artistic Director von Louis Vuitton hat er zu Beginn der 2000er Jahre damit angefangen, Künstlern das legendäre LV-Logo zu überlassen.

Die Taschen mit der Graffiti-Version von Stephen Sprouse waren in no time ausverkauft und die Begierde der Fashionistas wie auch der Kunstkäufer geweckt: Ganz gleich, ob kunterbunt à la Takashi Murakami oder gepunktet von Yoyoi Kusama – die Künstler-Sondereditionen verkaufen sich wie von selbst und gehören heute fix ins Programm des Luxuslabels.

Dieses Jahr kommt bei Louis Vuitton der Schweizer Urs Fischer zum Zug. Er gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler und ist spätestens seit 2017 nicht nur Kunstszenies ein Begriff: Damals exponierte er in New York eine überlebensgrosse Büste der Pop-Ikone Katy Perry.

Sie hiess «Bliss», Glückseligkeit, war aus Knetmasse gemacht, die oberste Schicht weiss, darunter bunt, und die Betrachtenden waren aufgerufen, Stücke aus Perry herauszuklauben, sie zu verformen und neu zu platzieren.

Louis Vuitton

Louis Vuitton
Der international gefragte Künstler Urs Fischer – Schweizer mit Heimat Kalifornien – hat für die aktuelle Monogramm-Kollektion der Maison das Logo gestaltet.

Quelle: Maegan Gindi

Nun bringt Fischer seine Version des weltberühmten LV-Logos, das er in einem Interview als «die Knochen eines Organismus, die alles zusammenhalten», beschreibt. Er bringt es vergrössert, verzerrt, schwarzweiss oder schwarzrot, «aus dem Gedächtnis gemalt». Es ziert nun sieben Taschenmodelle sowie Ready-to-Wear, Sneaker und Halstücher.

Dieser Job war übrigens schon der zweite, den Fischer für Louis Vuitton erledigt hat: 2019 war er einer von sechs, die einer «Capucine»-Tasche ihren Stempel aufdrücken durften. Die Artefakte kamen in limitierter Auflage von je 200 Stück heraus, jede kostete um die 7000 Franken und ist bereits ein Mehrfaches wert.

Mit «Künstler gestaltet Tasche» macht auch die grosse Schwester von Louis Vuitton, Dior, regelmässig auf sich aufmerksam und lädt jeweils zehn zeitgenössische Künstler ein, einer «Lady Dior» einen eigenen Look zu verpassen.

Apropos Dior: Einer, der sich als Experte für die fruchtbare Verbindung mit der Kunstwelt einen Namen gemacht hat, ist der Design-Star Kim Jones. Bei Dior verantwortet er heute die Menswear und neu bei Fendi zudem die Womenswear.

Für seine erste Dior-Show 2018 arbeitete er mit dem Street-Art-Künstler Brian Donnelly alias KAWS zusammen, ein Jahr darauf mit Raymond Pettibon. Für die Kollektion vom Herbst 2021 kreierte er mit dem New Yorker Basquiat-Zeitgenossen Kenny Scharf Drucke im wildbunten Cartoon-Stil des Künstlers.

Dior

Dior
Der Designchef für die Männerkollektionen von Dior, Kim Jones, hat für Stoffe der aktuellen Kollektion mit dem amerikanischen (Graffiti-)Künstler Kenny Scharf kollaboriert.

Quelle: Yannis Vlamos / Indigital.tv via vogue.com

«Die Nähe zur Kunst kann den symbolischen Nutzen der Luxusmarke unterstreichen, neue Zielgruppen erschliessen und die Zeitlosigkeit der Kunst auf die Marke übertragen», theoretisiert etwa der Markenführungsspezialist Werner Thieme.

Etwas Exklusives mit Kunst zu pimpen und zu etwas noch Besondererem zu machen, als es ohnehin schon ist, zahlt ein, für den Künstler wie für die Marke. Für Ricardo Guadalupe, CEO der Uhrenmarke Hublot, ein Win-win in Reinkultur.

Er hat schon mehrere Künstler eingeladen, eine Uhr mitzugestalten, zuletzt den heiss begehrten Takashi Murakami. Wie er ihn gekriegt hat? Sein Länderchef in Japan hatte die Idee und stellte den Kontakt her, Guadalupe lud Murakami dann nach Nyon in die Hublot-Manufaktur ein.

«Beim Mittagessen haben wir entschieden: ‹Let’s do something together›», sagt Guadalupe und erzählt, die Arbeiten an der Uhr hätten angefangen, noch bevor das «komplexe Vertragswerk» in trockenen Tüchern gewesen sei.

Herausgekommen ist die «Classic Fusion Takashi Murakami», ein 45-mm-Brummer, ganz in Schwarz, aber keineswegs düster: Die Murakami-Ikone «Lachende Blume» ist von reflektierenden schwarzen Diamanten überzogen, der Blütenblätterkranz erfüllt die Funktion der Schwungmasse.

Takashi

Hubolt
Kurz nach der Lancierung der Uhr, die aus der Zusammenarbeit mit dem Japaner Takashi Murakami hervorgegangen ist, musste der Uhrenhersteller die Annahme von Bestellungen und Anzahlungen einstellen: «Wir sind total überrannt worden», sagt der CEO der Marke, Ricardo Guadalupe.

Quelle: Kaikai Kiki

Lanciert wurde die Uhr im Januar, digital, die Reaktionen darauf «haben alle unsere Erwartungen übertroffen», sagt Guadalupe. «Wir mussten kurz nach der Präsentation Bestellungseingänge und Anzahlungen stoppen.» Und wo es knapp wird, wird es bekanntlich teuer. Auf dem Sekundärmarkt ist die Uhr gemäss dem Hublot-Chef bereits bis zu zehnmal teurer. Ihr Ladenpreis: 26 000 Franken.

Preistreiber waren weniger Hublot- als Murakami-Sammler – für Guadalupe notabene eine neue Klientel. Auch Zenith, die wie Hublot dem LVMH-Konzern gehört, hat das Kunst-Karussell bestiegen und jüngst mit Street-Artist Felipe Pantone gemeinsame Sache gemacht: Die 100 Uhren à 19 000 Franken waren innert Stunden verkauft.

Mitunter lösen Kooperationen mit Künstlern einen veritablen – zweiseitigen – Boom aus.

Hermes

Hermès
Pierre-Alexis Dumas, kreatives Genie und finaler Stilgeber beim französischen Luxuslabel, fördert junge Künstler, indem er ihnen etwa die 90 mal 90 Zentimeter eines Carré als Leinwand zur Verfügung stellt wie aktuell Jan Bajtlik aus Polen und Ugo Bienvenu aus Frankreich.

Quelle: Hermès

Inszenierte Künstlerförderung

Kunst und Luxus schwingen auch abgesehen von gemeinsam entwickelten Produkten parallel: An allen wichtigen Happenings wie der «Art Basel» oder der «Art Basel Miami» sind grosse Labels wie Prada mit der legendären Kunstsammlerin Miuccia Prada oder die Kosmetikmarke La Prairie vertreten und inszenieren sich zulasten ihres Marketingbudgets im Kontext als Förderer ausgewählter (Jung-)Künstler.

Die Marken können eine andere Seite von sich zeigen – und die Künstler kommen zu Publikum. Subtiler fördert die französische Maison Hermès den Nachwuchs und bedruckt Carrés mit deren Werken. Aktuell sind das der 32-jährige Pole Jan Bajtlik und der 34-jährige Franzose Ugo Bienvenu.

Solche Kooperationen lösen mitunter einen veritablen – zweiseitigen – Boom aus. Beispiel: Trevor Andrew. Der einstige Snowboard-Profi und damalige Indie-Musiker zog 2012 an Halloween als GucciGhost durch Manhattan. Sein Kostüm: ein Bettlaken mit eingesticktem Doppel-G, in das er zwei Gucklöcher geschnitten hatte. Seine Freunde fandens cool, was ihn befeuerte. Wie besessen begann er, alles händisch mit Doppel-Gs zu besprayen – Hauswände, Lederjacken, Röhrenfernseher – und es auf Instagram zu posten.

attends the GucciGhost Global Launch Event on September 14, 2016 in New York City.

Gucci
Trevor Andrew aka GucciGhost hat die Zusammenarbeit mit Gucci 2016 in neue Sphären spediert; gerade hebt der Kanadier als NFT-Künstler ab. Die Kollaboration war aber auch für die Luxusmarke auf dem Weg von angestaubt zu angesagt wegweisend.

Quelle: Getty Images

«Ich mache das so lange, bis Gucci mich entweder anklagt oder anstellt», sagte er. Zweiteres geschah. Alessandro Michele, seit 2015 Kreativchef des Labels, entwarf mit Andrew die «GucciGhost × Gucci»-Kollektion.

Sie wurde wegweisend für den 100-jährigen Brand. Dank Kollaborationen wie derjenigen mit Andrew reicht die Gucci-Fanbase vom Gymischüler über die Goldküstenlady bis zu Billie Eilish, die gerade im Gucci-Korsett auf der Titelseite der britischen «Vogue» posiert, und dem Rapper Lil Pump mit seinem Hit-Track «Gucci Gang».

Andrew selbst hat die Kollaboration in neue Sphären katapultiert. Eben ging eine «Duo-Solo»-Ausstellung mit ihm und dem britischen Künstler Philip Colbert im Modern Art Museum in Shanghai zu Ende.

Nun hebt er als GucciGhost im Art-Space der Non-Fungible Tokens (NFT) ab: Sein Erstling war Mitte November in zwölf Sekunden verkauft. Was er im März aufschaltete, brachte 3,5 Millionen Dollar und den Kanadier in die Top 15 der NFT-Künstler weltweit. Für Juni hat er nun «the most important GucciGhost drop ever» versprochen.

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Iris Kuhn Spogat
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