Die führenden Köpfe der US-Notenbank FED gingen bei ihrer Sitzung Anfang Februar weiterhin davon aus, dass fortgesetzte Zinserhöhungen notwendig sein würden, um die Inflation auf ihr 2 Prozent-Ziel zu bringen. Gleichwohl haben fast alle Mitglieder des Gremiums eine Verlangsamung der Zinserhöhungen befürwortet, wie aus dem Protokoll der Sitzung vom 31. Januar bis 1. Februar hervorgeht.

Das Protokoll besagt auch, dass «fast alle» Mitglieder der Meinung waren, dass es angemessen sei, die Zinssätze auf der Sitzung um 25 Basispunkte anzuheben, während «einige» sich für eine grössere Anhebung um 50 Basispunkte ausgesprochen haben.

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Droht uns jetzt ein weiterer Anstieg der Inflation? Steht wieder eine Abkühlung der Märkte an, nachdem der Nasdaq Composite Index den besten Start in ein neues Jahr seit mehr als 20 Jahren hinlegen konnte? Wie lange wird uns die «Higher for longer»-Kerninflation noch begleiten?

Noch Ende letzten Jahres sprachen alle Vorzeichen dafür, dass «Higher for longer» auch das Mantra für 2023 sein würde. Doch das Datenbild hat sich in den letzten Wochen aus unserer Sicht in vielen Bereichen entscheidend verändert. Auf Grundlage der uns vorliegenden Datenpunkte kann man annehmen, dass die Kerninflation in den USA bis zur Jahresmitte um mindestens 1,5 Prozent-Punkte zurückgehen kann.

Trendwende in der Inflationsentwicklung

Zuletzt sahen wir eine Trendwende in der Inflationsentwicklung. Treiber einer zuletzt leicht sinkenden Kerninflation waren Rohstoff- und Güterpreise, wobei die fallenden Preise letzterer im Wesentlichen auf eine Entspannung der globalen Lieferketten zurückzuführen waren. Dies lässt sich beispielsweise am Supply-Chain-Pressure-Index der NY FED ablesen, der zuletzt auf dem niedrigsten Stand seit Ende 2020 notierte und mit 0,96 Punkten weniger als ein Viertel hinter dem Spitzenwert lag, den der Index im Dezember 2021 erreicht hatte.

Die Kerninflation sank insgesamt jedoch wesentlich weniger stark, da Güterpreise in der Berechnungsbasis eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr sind Dienstleistungen ein wesentlicher Faktor. Preise für diese «Kerndienstleistungen» steigen seit Monaten stetig an und liegen aktuell auf einem Höchststand von 7,2 Prozent für die vergangenen zwölf Monate.

Transport und medizinische Dienstleistungen bereits disflationär

Ein genauerer Blick unter die Oberfläche lässt jedoch erkennen, dass Kategorien, wie etwa Transport oder medizinische Dienstleistungen, bereits disinflationär sind. Demgegenüber hat die Kategorie «helter» – also Wohneigentum und Wohnkosten – bisher keinen Rückgang verzeichnet. Dieser Effekt überlagert bisher alle anderen disinflationären Subkategorien.

Das ist zunächst verwunderlich, da die Nachrichten zum US-Wohnungsmarkt in den vergangenen Monaten fast ausschliesslich von negativen Schlagzeilen geprägt waren und sich diese Situation im Laufe des letzten Quartals weiter verschärft hat. Ein wesentlicher Grund dafür, warum die Auswirkungen auf die Inflation nicht angezeigt werden, liegt in der Art und Weise, wie Daten in dem Bereich erhoben werden.

Preisentwicklungen im US-Wohnungsmarkt werden nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung in der Berechnung der Kerninflation berücksichtigt. Experten gehen davon aus, dass aktuelle Hauspreise oder Mietkonditionen mit einer Verzögerung von bis zu neun Monaten in der Statistik Berücksichtigung finden. Damit schlagen sich sinkende Preise stets erst Monate später im Verbraucherpreisindex nieder.

US-Wohnungsmarkt bereits als disinflationär einzustufen

In unseren eigenen Prognosen greifen wir auf zukunftsorientierte Indikatoren basierend auf alternativen Daten zurück. So bereinigen wir den beschriebenen Zeitversatz in den Daten. Auf Grundlage dieser Berechnungen zeigt sich, dass auch die Entwicklung im US-Wohnungsmarkt bereits als disinflationär einzustufen ist. Unsere Daten lassen uns annehmen, dass die Shelter-Inflation ab dem zweiten Quartal 2023 eine treibende Kraft für den Rückgang der Kerninflation werden könnte.

Der wichtigste Teil der Kerninflation sind allerdings Dienstleistungen ausserhalb des US-Wohnungsmarkts (Core Services ex-housing), die im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Situation der Konsumenten und damit auch vom Arbeitsmarkt abhängen. In diesem Bereich hat die FED bisher noch keine «Fortschritte» erzielen können – die Arbeitslosenquote befindet sich auf dem niedrigsten Niveau seit 1969. 

Dieser Umstand sollte aber zunächst kein Hindernis für eine weiter sinkende Kerninflation und damit auch kein Grund für zusätzliche Zinserhöhungen seitens der FED darstellen. Bereits im Dezember sagte Jerome Powell in einer Rede, dass die FED in Bezug auf den Arbeitsmarkt geduldig sei und mindestens bis Mitte 2023 warten werde, um zu beurteilen, ob weitere Schritte nötig seien.

Darüber hinaus sprechen auch hier einige Frühindikatoren dafür, dass der Arbeitsmarkt sich sukzessive abkühlt, allerdings ist das Bild weniger klar als im Fall der Wohnpreisinflationsdaten. Wichtiger noch ist, dass das Lohnwachstum in den vergangenen Monaten ebenso wie die Kerninflation langsam zurückging. Auf diese Weise wird das Gleichgewicht zwischen den beiden Grössen erhalten. Die Wahrscheinlichkeit einer Lohn-Preis-Spirale ist durch das Vorliegen negativer Realeinkommen als sehr gering einzuschätzen.

Marktteilnehmer haben bereits im Januar damit begonnen, dieses Szenario wieder in Betracht zu ziehen. Die Kursanstiege bei Risk-Assets sind ein Indiz dafür. Die spannende Frage bleibt, wie die FED auf diese Entspannung der wirtschaftlichen Bedingungen reagieren wird.