Jetzt in den Sommerferien fliegen nicht nur Passagiere, sondern auch ihr Gepäck. Immer wieder gibt es Meldungen zu verlorenen Gepäckstücken oder bizarren Umleitungen der Koffer. Die US-Amerikanerin Harley Hendrix beispielsweise flog Ende Mai von Oslo nach New York, ihr Koffer aber machte einen Umweg über Kopenhagen. 

Obwohl sie Kopenhagen nicht besucht hatte, wusste Hendrix dank dem installierten Apple-Airtag, wo sich ihr Koffer befindet. Delta Airlines teilte ihr aber mit, der Koffer sei in New York am JFK International und dann in Dallas gelandet. Sie erhielt zwar den Koffer wieder zurück, musste aber wegen verdorbener Waren den ganzen Inhalt entsorgen.

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Vor einem Jahr waren fast alle Länder wieder für Touristinnen und Touristen geöffnet, was zu einem Flugchaos führte. So wurden 2022 viele Flüge storniert, Gepäckstücke gingen verloren, und die Warteschlangen wurden immer länger. Nun, ein Jahr später, scheinen die Fluggesellschaften noch immer Mühe zu haben. In Amerika stapelten sich just quer durch das Land Gepäckstücke, nachdem Stürme für einen Unterbruch im Flugverkehr gesorgt hatten. Auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol gingen an einem Tag etwa 10'000 Gepäckstücke verloren, was der Vorstandsvorsitzende von KLM, Marjan Rintel, auf die veralteten Systeme des Drehkreuzes zurückführte.

Ein Apple AirTag hilft dir deine Sachen wiederzufinden.

Immer mehr Fluggäste bewaffnen sich inzwischen mit Bluetooth-Geräten und stellen damit ein schwerfälliges Gepäckabfertigungssystem bloss, das den Kunden oft einen Schritt hinterherhinkt - und die Branche unter Druck setzt, aufzuholen. 

Quelle: Keystone

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Fluggesellschaften und Gepäckabfertigungsfirmen gaben gegenüber Bloomberg bekannt, dass sie dieses Jahr besser gerüstet seien.

Die Branche arbeitet daran, in bestehende Systeme Tracker einzubauen, und bemüht sich um Unterstützung von Technologieunternehmen. Eine Herausforderung besteht darin, einen Standard für die Interoperabilität zwischen Fluggesellschaften und Geräteherstellern zu schaffen.

«Es ist von grossem Vorteil, die Tracking-Daten der Fluggesellschaften mit den Bluetooth-Tracker-Informationen zu ergänzen», sagt Getnet Taye, Senior Manager of Global Baggage Operations bei der International Air Transport Association, der wichtigsten Lobbygruppe der Branche. Laut Daten von Bloomberg stiegen im Frühjahr 2022 die Airtag-Verkäufe rasant. Das decke sich mit der Post-Covid-Reisewelle, meint ein Experte. Die derzeitige Technologie für die Gepäckabfertigung basiert weitgehend auf Strichcodes, die die Gepäckstücke auf ihrer Reise nur sporadisch, aber nicht kontinuierlich erfassen. Die Back-End-Systeme der Fluggesellschaften, Flughäfen und Bodenabfertigungsunternehmen können nicht immer miteinander kommunizieren, was sie anfällig für Störungen macht.

Gestörte Wi-Fi-Signale am Flughafen

Passagierin Hendrix nutzte KLM, um von Oslo nach Amsterdam zu fliegen und dort einen Anschlussflug mit Delta in die USA zu nehmen. Die niederländische Fluggesellschaft bedauert den Vorfall, der zum Verlust ihrer Kleidung geführt hat, und sagt, dass «jedes fehlgeleitete Gepäckstück eines zu viel ist». KLM sagte, sie verfolge die technologischen Fortschritte genau, verwende aber nicht die Airtag-Technologie, um verlorenes Gepäck aufzuspüren, da die Daten aus Datenschutzgründen nur an den Eigentümer des Trackers weitergegeben werden könnten.

Delta Airlines, die Hendrix ihre Tickets verkaufte, entschuldigte sich ebenfalls. Mit seinen RFID-fähigen Systemen verliere Delta weniger häufig Gepäckstücke als andere grosse US-Fluggesellschaften, so das Unternehmen.

Es gibt viele Gründe, weshalb ein Koffer verloren gehen kann: Gestörte Wi-Fi-Signale am Flughafen, Überbuchungen von Fliegern, Pannen beim Umsteigen zwischen Fluggesellschaften oder Massenstornierungen sind nur ein paar davon.

Informationslücke zwischen Kundin und Anbieter

Die privaten Bluetooth-Systeme wie Apple Airtags, Tile oder Samsung Smarttags sind teilweise schneller als die der Fluggesellschaften. Sie aktualisieren ihren Standort, sobald sie sich in der Reichweite von anderen aktiven Bluetooth-Geräten befinden. So sind die Kundenschalter, was Informationen anbelangt, den Fluggästen meist unterlegen.

Die Fluggesellschaften reagierten nicht immer positiv auf diese Umstände. So versuchte die deutsche Lufthansa, Muttergesellschaft der Swiss, Bluetooth-Tags zu verbieten. Der Grund: Sicherheitsrisiko. Aufgrund negativer Reaktionen der Öffentlichkeit krebste das Unternehmen wieder zurück. 

Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob die Fluggesellschaften die Probleme des letzten Sommers in den Griff bekommen haben. Bis April haben die US-Airlines in diesem Jahr etwa 0,62 Prozent der von Passagieren auf Inlandflügen aufgegebenen Gepäckstücke verloren, was gegenüber den ersten vier Monaten des Jahres 2022 kaum eine Veränderung bedeutet. Das geht aus den vom amerikanischen Verkehrsministerium veröffentlichten Statistiken hervor. 

Fachkräftemangel befeuert die Situation

Ein wichtiger Grund für das Chaos im vergangenen Jahr war der Arbeitskräftemangel. Viele Gesellschaften mussten während der Pandemie Mitarbeitende entlassen oder in Kurzarbeit schicken. Ausserdem kam es immer wieder zu Streiks und Kundgebungen, da Personalgewerkschaften nicht mit deren Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Die betroffenen Fluggesellschaften, Flughäfen und Gepäckabfertiger geben bekannt, sie hätten ihr Personal aufgestockt, die Arbeitsbedingungen verbessert und sich stärker auf die Mitarbeiterbindung konzentriert. 

Dennoch kommt es mit beunruhigender Regelmässigkeit zu Problemen im Gepäckmanagement. Einem Bericht der schottischen Tageszeitung «Scotsman» zufolge waren Engpässe beim Personal und bei der Ausrüstung für die Bodenabfertigung in Edinburgh in diesem Monat die Ursache für Störungen. In Amsterdam teilte der Flughafen Schiphol mit, dass das von KLM-Mitarbeiter Rintel beschriebene Gepäckchaos Ende Juni vor allem Umsteigeflüge betraf. Alle fehlgeleiteten Gepäckstücke von Kundinnen und Kunden der niederländischen Fluggesellschaft seien inzwischen an ihren Bestimmungsort gebracht worden, so der Flughafen in einer Erklärung.   

Besserung in Sicht

Nach den Pannen im letzten Jahr hat Bodenabfertiger Swissport an Flughäfen einen Gepäckbeauftragten ernannt, der sich mit den Engpässen und Verbesserungsmöglichkeiten befassen soll. Laut Chris Rayner, Chief People Officer, arbeitet das Unternehmen auch mit seinen Kunden zusammen, um das digitale Tracking zu verbessern. Eine Investition in Airtags würde sich lohnen, aber es müsse ein gemeinsames Unterfangen sein, sagte er.

Anbieter von Airtags wie Apple und Life 360 gaben keinen Kommentar ab. Samsung gab an, dass etwa 11 Prozent der Nutzer ihre Smarttag-Geräte für Gepäck eingestellt haben. Das Unternehmen gab keinen weiteren Kommentar ab. 

KLM bot Hendrix eine Entschädigung in Höhe von 109 Dollar für die zerstörten Gegenstände an, wie aus einer Nachricht der Air-France-KLM-Einheit hervorgeht, die sie «Bloomberg News» zeigte. Enttäuscht über die zerstörten Gegenstände ist sie trotzdem: «Ich konnte genau sehen, wo sich meine Tasche befand, aber niemand hörte mir zu oder nahm sie an sich», sagte Hendrix. «Danach habe ich vier weitere Airtags gekauft.»

(bloomberg/rul/mkr)