Nach dem Tod einer 22-jährigen Frau im Polizeigewahrsam sind Iranerinnen und Iraner im ganzen Land auf die Strasse gegangen, um Aufklärung zu fordern. Alleine in der Hauptstadt Teheran kamen am Montagabend Tausende Menschen zusammen, um den Tod von Mahsa Amini anzuprangern. Sicherheitskräfte nahmen einige Demonstranten fest, wie die iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete.

Die junge Frau war am vergangenen Dienstag von der Sitten- und Religionspolizei wegen ihres «unislamischen Outfits» festgenommen worden. Was genau danach geschah ist unklar, jedenfalls fiel Amini ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus.

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Gewaltsame Zusammenstösse in anderen iranischen Städten

Auch in anderen Städten der Islamischen Republik sowie Aminis Heimatprovinz Kurdistan gingen etliche Menschen auf die Strasse. Dabei kam es Medienberichten zufolge zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. An mehreren Orten riefen die Teilnehmer der Proteste: «Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen» - eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 populär geworden war.

Nicht nur im Iran, auch über die Landesgrenzen hinaus löste Aminis Schicksal grosse Anteilnahme und Bestürzung aus. So forderte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, die Verantwortlichen für ihren Tod müssten zur Rechenschaft gezogen und die Grundrechte aller Menschen im Iran geschützt werden - auch die von Häftlingen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verlangte die Abschaffung der Sittenpolizei und religiös begründeter Gesetze wie jenem zum korrekten Tragen von Kopftüchern.

Polizei spricht von Herzversagen

Im Internet trauerten viele Iraner um die junge Frau, die am Dienstag während eines Familienbesuchs in Teheran festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden war. Nach Polizeiangaben fiel sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma. Am Freitag wurde ihr Tod bestätigt.

Im Netz kursierte jedoch auch eine andere Version. Nach der Verhaftung sei ihr Kopf im Polizeiauto gegen die Scheibe geschlagen worden, was zu einer Hirnblutung geführt habe. Die Polizei wies diese Darstellung vehement zurück. Die Klinik, in der die 22-Jährige behandelt wurde, hatte nach ihrem Tod in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram geschrieben, dass Amini bereits bei der Aufnahme im Krankenhaus am Dienstag hirntot gewesen sei.

Miserable Wirtschaftslage im Iran lässt Menschen verzweifeln

Die Polizei und auch die Regierung des erzkonservativen Präsidenten Ebrahim Raisi sind aufgrund des Todes der Frau und der landesweiten Entrüstung in Erklärungsnot geraten. Zur Empörung über den Fall Amini kommt die seit langem miserable Wirtschaftslage hinzu, viele Menschen bekommen die Krise in ihrem Alltag hart zu spüren. Zuletzt schwanden auch die Aussichten auf eine Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Westen, von dem sich viele Iraner die Aufhebung von Sanktionen erhoffen.

Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen und reicheren Vierteln sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur locker auf dem Hinterkopf - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Die Regierung unter Präsident Raisi und religiöse Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen. Die Sittenpolizei setzt die Kleidungsvorschriften teils auch mit Gewalt durch.

(sda/gku)