Die Europäische Zentralbank (EZB) berät über die zehnte Zinserhöhung in Folge im Kampf gegen die Inflation. Die erste Zinssitzung nach der Sommerpause dürfte für EZB-Chefin Christine Lagarde ein schwieriger Balanceakt werden. Denn angesichts der sich eintrübenden Konjunktur im Euroraum gibt es auch gute Argumente für eine Zinspause. Ein wichtiger Entscheidungsfaktor bei den Beratungen an diesem Donnerstagvormittag dürften daher die neuen Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte werden, die zur Sitzung vorliegen.

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Sollte die Europäische Zentralbank erneut die Zinsschrauben anziehen, wird Volkswirten zufolge aller Voraussicht nach der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, von 3,75 Prozent auf 4,00 Prozent steigen. Das wäre das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.

Wird es eine Zinspause geben?

In der jüngsten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters vor einer Woche waren Volkswirte noch mehrheitlich von einer Zinspause ausgegangen. Doch an den Märkten hat sich der Wind gedreht, nachdem die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag berichtete, dass die EZB ihre Inflationsprognose für nächstes Jahr auf mehr als drei Prozent anheben dürfte. In den Juni-Projektionen war noch eine Rate von 3,0 Prozent erwartet worden. Damit würden Vertreter einer straffen Geldpolitik deutlich Wasser auf die Mühlen bekommen.

Investoren am Geldmarkt taxieren inzwischen die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Zinsanhebung auf 63 Prozent. Die EZB strebt 2,00 Prozent Inflation als Idealwert für die Euro-Zone an. Dieses Ziel liegt aber trotz der Serie von Zinsanhebungen in weiter Ferne: Im August lag die Teuerung im Währungsraum mit 5,3 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Aber auch Vertreter einer lockeren Linie im EZB-Rat könnten durch die neuen Projektionen neue Argumente bekommen. Denn Volkswirte erwarten, dass die Notenbank ihre Wachstumsprognose für dieses und das nächste Jahr senken wird. Die EZB möchte aber vermeiden, dass durch ihre Straffungspolitik die Wirtschaftsaktivitäten komplett abgewürgt werden. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass ein Einlagensatz von 4,00 Prozent der Zinshöhepunkt sein wird. Der Ausblick auf den weiteren Zinspfad der Währungshüter dürfte daher auf der Pressekonferenz mit EZB-Chefin Lagarde am Nachmittag ein zentrales Thema werden.

(reuters/spi)