BILANZ: Frau Thomas, in Ihrem Buch «How Luxury Lost Its Luster»
kommen Sie zum Schluss, der Luxus habe seinen Glanz verloren. Wie
muss man sich das vorstellen?

Dana Thomas: Viele Produkte halten nicht mehr, was sie versprechen. Es geht zu oft um Quantität und Profit statt um Qualität und wunderbare Dinge. In China läuft die Produktion für verschiedene Luxusmarken auf denselben Fliessbändern. Das hat nichts mehr mit Exklusivität zu tun. Viele kaufen Luxusartikel auch nicht mehr, weil diese in Handarbeit und schön gemacht sind oder ein Leben lang halten, sondern weil ein Logo darauf ist.

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Wer ist schuld am Niedergang?

Alle. Konsumenten, die traditionellen Luxusunternehmen und die Investoren, welche diese zu Grosskonzernen zusammenfassten. Der grosse Wandel fand in den vergangenen 15 bis 20 Jahren statt, als die alten Luxusgüterhersteller reihenweise von Financiers übernommen wurden, weil die Nachkommen keine Lust mehr auf eine Karriere im Familienunternehmen hatten oder einfach Geld sehen wollten. Und die Investoren haben den Gewinn im Auge und nur selten ein Gespür für Produkte. Doch die schönsten Dinge entstehen, wenn man sie um ihrer selber willen macht, nicht wegen des Profits. Schon der Begriff Luxusindustrie zeigt das Dilemma: Luxuriöse Dinge lassen sich einfach nicht industriell fertigen.

Wie sieht die Zukunft der Luxusindustrie aus?

Es wird eine grosse Bereinigung geben, weil sich das Konsumentenverhalten ändert. Ein Anzeichen ist, dass die Logos von einigen Produkten verschwinden oder weniger prominent platziert werden. Jetzt, da vielen das Geld ausgegangen ist, empfinden es viele Menschen als unzeitgemäss, mit teuren Labels herumzulaufen.

Wer wird Gewinner sein?

Der Kunde. Er wird bessere Produkte zu einem vernünftigeren Preis bekommen, weil sich die Industrie nach den veränderten Bedürfnissen richten muss. Qualität, hohe Lebensdauer und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind gefragt. Ähnlich wie die Autoindustrie, die durch neue Kundenwünsche zu Änderungen gezwungen wurde, wird sich die Luxusindustrie verändern. Sie muss zu ihren Wurzeln zurückkehren und wieder exklusive und hochwertige Produkte anbieten und weniger Wert auf Brands und Logos legen.

Wie einfach geht das?

Vor allem für Marken, die Teil eines grossen Luxuskonzerns sind, ist das nicht leicht, weil sie unbeweglich sind. Die Kleinen haben es da viel besser, weil es einfacher ist, die Ausrichtung von 2 oder 5 Geschäften zu wechseln als von 400. Die Grossen schliessen jetzt schon massenweise ihre Läden an Orten, an denen sie nicht mehr rentieren, oder machen Produktionsstätten dicht. Es gibt heute viele Luxusfirmen, die wegen der Auslagerung ihrer Produktion gar keine Ahnung mehr haben, wie ihre Ware hergestellt wird. Kleine und mittlere Unternehmen können eher wieder zur Integrität der Produkte zurückkehren.

Wie wird sich die Luxusindustrie in den nächsten Jahren sonst noch verändern?

Asien, insbesondere China, bekommt ein besonderes Gewicht, weil die Wirtschaft dort noch wächst. Die grossen Luxuslabels passen ihre Produkte zunehmend dem asiatischen Geschmack an. In der Vergangenheit hat der Westen die Standards gesetzt. Das ändert sich nun. Die neuen Kollektionen einiger grosser Häuser sind nicht mehr für europäische Frauen, sondern für asiatische Kundschaft entworfen. Schmal und schlank geschnitten, was perfekt zu den Frauen dort passt. Künftig werden wir uns im Westen an den asiatischen Geschmack anpassen müssen, was Luxusgüter betrifft.

Die Amerikanerin Dana Thomas begann ihre journalistische Laufbahn in der Moderedaktion der «Washington Post». Sie arbeitet seit 1992 in Paris und schreibt von dort aus für die «Washington Post», «Newsweek» und «Portfolio» über Luxus- und Modethemen.