Erweist sich die schweizerische Spielart des Föderalismus – Bund, 26 Kantone, 2800 Gemeinden mit hohem Autonomiegrad – im 21. Jahrhundert nicht als Hindernis für die weitere Entwicklung des Landes? Hansjörg Blöchligers Studie im Auftrag der Denkfabrik Avenir Suisse legt diese Vermutung nahe.

Anwälte müssen sich mit diversen kantonalen Prozessordnungen herumschlagen, ein Zürcher Zahnprothetiker darf in Graubünden keine Gebisse herstellen, ein Waadtländer Taxifahrer in Genf keinen «unvorbestellten» Fahrgast mitnehmen, ein Thurgauer Sanitärinstallateur in Basel keine Rohre verlegen. Die Schweiz ist auf ihrem Territorium in Sachen Binnenmarkt weniger weit entwickelt als die viel grössere EU. Und das beeinträchtigt die wirtschaftliche Dynamik.

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Spitäler brauchen eine Mindestgrösse, um das ganze Spektrum medizinischer Leistungen anbieten zu können. Dennoch betreiben alle Kantone ihre Zentrumsspitäler – zu teuer. Ähnliches gilt für Universitäten und Fachhochschulen, für kulturelle Einrichtungen, Schulen, Verkehrsinfrastruktur. Die Fragmentierung der politischen Struktur steht nicht mehr im Einklang mit wirtschaftlichen Bedürfnissen und entspricht nicht den tatsächlichen Lebensumständen der Schweizer. Diese wohnen meist nicht in der Gemeinde, in der sie ihr Geld verdienen, oft nicht mal im selben Kanton. Da Kantone und Gemeinden aber zu 80 Prozent von den persönlichen Einkommenssteuern abhängig sind, ist die «fiskalische Äquivalenz» nicht mehr sichergestellt, die Deckungsgleichheit von Nutzniessern, Kosten- und Entscheidungsträgern für öffentliche Leistungen. Die Unterschiede werden mit einem komplizierten, ineffizienten System von Transferzahlungen ausgeglichen, dem «Finanzausgleich».

Blöchligers Studie schlägt eine neue Struktur vor, die in Richtung fiskalische Äquivalenz zielt: Die Schweiz bestünde aus sechs Metropolitanregionen (Genf, Lausanne, Bern, Basel, Zürich, Tessin) und drei ländlichen Regionen (West-, Zentral- und Südostschweiz). Die Regionen wären gross genug, um das Ausmass an Transferzahlungen zu reduzieren, und sie wären gross genug, um zentrale öffentliche Betriebe effizient zu betreiben. Was die ganze Volkswirtschaft dynamisieren würde. Politisch wird das nicht umsetzbar sein. In der Schweiz ist es leichter, einen neuen Kanton zu schaffen als etwa die beiden Appenzeller Minikantone zu fusionieren.

Hansjörg Blöchliger: Baustelle Föderalismus
Verlag Neue Zürcher Zeitung,Zürich, 414 Seiten, Fr. 58.–